André Reichel Quelle: Unbekannt

Wie die Ergebnisse fielen auch die ersten Reaktionen der Polit-Prominenz in Stadt und Kreis sehr unterschiedlich aus.

Kreis EsslingenWochenlang hatten sie für ein gutes Wahlergebnis gerackert – nun hat die Stunde der Wahrheit geschlagen. Mit der Auszählung der Europa- und Regionalwahl ging am Sonntagabend die Zeit der Spekulationen zu Ende. Wie die Ergebnisse fielen auch die ersten Reaktionen der Polit-Prominenz in Stadt und Kreis sehr unterschiedlich aus.

Europawahl

Der Esslinger Bundestagsabgeordnete Markus Grübel (CDU) sieht Licht und Schatten: „Positiv sind die höhere Wahlbeteiligung und die Tatsache, dass die EU-freundlichen Parteien insgesamt bestätigt wurden.“ Mit dem Abschneiden der CDU könne er jedoch überhaupt nicht zufrieden sein, sagt Grübel, der durch das katastrophale Ergebnis der SPD schwere Zeiten auf die Große Koalition zukommen sieht: „Das Regieren wird nicht einfacher, weil die Sozialdemokraten nun klären müssen, was sie eigentlich wollen.“ Seiner Partei empfiehlt er, „schwarz-grüne Themen wie den Klimaschutz und die Bewahrung der Schöpfung stärker in den Vordergrund zu rücken“. Die CDU müsse auf die Jugend zugehen und pfiffige Antworten auf Kritik in digitalen Netzwerken geben.

Der Nürtinger Bundestagsabgeordnete Nils Schmid (SPD) sieht für seine Partei „eine sehr bittere Wahlschlappe“, die jedoch nach den Umfragen der letzten Monate nicht überraschend gekommen sei. Die SPD habe es nicht geschafft, ihr europapolitisches Profil deutlich zu machen. Schmid warnt die Sozialdemokraten nun vor Personaldebatten und rät mit Blick auf die Große Koalition, „zu dem zu stehen, was wir entschieden haben“. Wenn seine Partei wieder stärker zeige, dass Innovation und Gerechtigkeit bei ihr gleichermaßen in guten Händen seien, könne sie zurück in die Erfolgsspur finden und künftig auch wieder auf Mehrheiten jenseits von CDU und Großer Koalition hoffen.

Die Verluste seiner Partei haben den Nürtinger CDU-Bundestagsabgeordneten Michael Hennrich nicht unvorbereitet getroffen: „Das war im Rahmen dessen, was wir erwartet hatten.“ Um über Konsequenzen im Detail zu reden, sei es am Wahlabend noch zu früh. Die CDU müsse Antworten auf die großen Themen wie Klimaschutz, Energiepolitik, Mobilität und Digitalisierung finden und dabei einen Kurs der Mitte halten. Zuletzt sei man „in den Mühen der Großen Koalition gefangen“ gewesen. Die Verluste der CDU will Hennrich nicht an der neuen Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer festmachen. Allerdings müsse sie in Zukunft „mehr Gestaltungsspielräume erhalten“.

Der Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel (Grüne) aus Filderstadt hat sich nach diesem „sensationell guten Ergebnis“ auf der Wahlparty in Echterdingen ein Schnäpsle gegönnt. Überschwänglich habe man aber nicht gefeiert. Man wisse, dass mit diesem guten Ergebnis auch hohe Erwartungen verknüpft seien. Er selbst erhofft sich, dass nun im Klimaschutz europaweit Standards gesetzt werden. Dabei setzt Gastel auf die CO2-Bepreisung, die national wenig Sinn mache. Auch die Besteuerung des Flugbenzins müsse für ganz Europa kommen. Im Gegenzug sollte die Stromsteuer gesenkt werden, um den Verbraucher nicht stärker zu belasten. Die Grünen seien auch gewählt worden, weil sie für eine offene Gesellschaft stünden und Europa voranbringen wollten anstatt es zu spalten. Mit dem guten Ergebnis bei der Regionalwahl könnten die Grünen mehr beim S-Bahn-Ausbau erreichen.

Die Nürtinger Bundestagsabgeordnete Renata Alt (FDP) ist mit dem Ergebnis der FDP im Landkreis Esslingen und in Baden-Württemberg sehr zufrieden. Fast doppelt so viele Stimmen im Stammland der Liberalen zeigten, dass die Wähler der Partei immer noch treu seien. Als gebürtige Slowakin freut sich Renata Alt auch darüber, dass die Liberalen in der Slowakei sehr gut abgeschnitten haben und dass die Rechtspopulisten im Zaum gehalten wurden. Bundesweit habe die FDP jedoch nicht das erhoffte Ergebnis geschafft. Alts Fazit: „Die großen Gewinner sind die Grünen, die FDP ist der kleine Gewinner.“

„Das sind bittere Verluste für CDU und SPD“, sagt Landrat Heinz Eininger (CDU). Die Grünen seien die großen Gewinner, weil der Klimaschutz andere Themen verdrängt habe. Jüngere Wähler hätten deshalb auf die Grünen gesetzt, CDU und SPD erreichten vielleicht noch zehn oder elf Prozent der jungen Leute. Der Landrat befürchtet, dass Baden-Württemberg in Brüssel künftig deutlich schlechter vertreten sein wird. Beide SPD-Abgeordnete seien wohl draußen, auch die CDU verliere Mandate, und EU-Kommissar Günter Oettinger verlasse Brüssel ebenfalls.

Regionalwahl

„Das ist nicht das Ergebnis, das wir uns gewünscht hatten“, erklärt der Esslinger Tim Hauser (CDU), der zu den amtierenden Regionalräten gehört. „Wir haben eine gute Arbeit gemacht, waren häufig vor Ort und haben uns um die Sorgen und Wünsche der Menschen gekümmert. Es ist schade, dass das nicht entsprechend honoriert wurde.“ Hauser ist ziemlich sicher, „dass der Bundestrend bis zu uns durchgeschlagen hat und dass es uns nicht gelungen ist, unsere gute Regionalpolitik davon abzukoppeln“.

Triumphgeheul will Regionalrat André Reichel (Grüne) aus Ostfildern nach diesem Ergebnis nicht anstimmen. Dafür seien die Herausforderungen zu groß. Die Wähler hätten aber klar gemacht, dass sie auch in der Region mehr grüne Politik wollten, insbesondere die „Verkehrswende in Richtung nachhaltige Mobilität“.

Plochingens Bürgermeister Frank Buß (Freie Wähler) ist „mit dem, was sich bislang abzeichnet – etwa drei Prozent mehr im Kreis Esslingen – sehr zufrieden“. Auf der Wahlparty sei man aber gespannt, ob sich das auch in Mandaten niederschlagen werde. Buß: „Die Wähler haben offenbar Vertrauen zu den Personen, die wir aufgestellt haben, und sie honorieren unsere sachorientierte Arbeit.“ Und die 22 Prozent in Plochingen? „Die hängen vielleicht schon damit zusammen, dass ich hier ein Heimspiel hatte.“

Die AfD trat zum ersten Mal bei der Regionalwahl an. Vera Kosova (AfD), die Nummer eins auf der AfD-Liste im Kreis Esslingen, hat deshalb keine Vergleichsmöglichkeit. Sie hatte aber ein zweistelliges Ergebnis wie bei der Europawahl auf Bundesebene erhofft. Dann hätte sie sich richtig gefreut. „Aber viel fehlt ja nicht“, so Kosova.

„Das Wahlergebnis ist für die SPD eine Katastrophe“, resümiert der ehemalige Esslinger Landtagsabgeordnete und amtierende Stadt- und Kreisrat Wolfgang Drexler, der zunächst nach Berlin schaut: „Der Bundestrend hat eindeutig bis nach unten durchgeschlagen. Die gute Arbeit unserer Regionalräte wurde nicht honoriert.“ Für Drexler ist klar, dass sich die Sozialdemokraten im Bund nach dem Desaster ganz neu aufstellen müssen – inhaltlich und auch personell: „Die Leute wollen Politiker an der Spitze, mit denen sie sich identifizieren können. Daran scheint es derzeit etwas zu fehlen.“ Drexler rät seinen Parteifreunden, schleunigst eine Trendwende anzugehen: „Eine starke SPD mit ihrem Anspruch, die Erfordernisse der Umweltpolitik mit dem sozialen Gedanken zu verbinden, ist wichtig für unser Land.“

Die Kreis-FDP hat bei der Regionalwahl die Stimmenanteile fast verdoppelt. Für Rena Farquhar (FDP) aus Esslingen ist das ein Indiz dafür, dass der Erneuerungsprozess der FDP funktioniert. Wenn sie nun ins Regionalparlament einziehe, gehe es um „Verkehr, Verkehr, Verkehr“. Die Region dürfe nicht im Verkehr ersticken. Geärgert hat sie am Sonntagabend das Ergebnis der AfD, auch wenn die Rechtspartei im Landkreis unter zehn Prozent blieb.

Den Artikel zum Ergebnis der Europawahl im Kreis Esslingen lesen Sie hier.

Einen Text zum Ergebnis der Regionalwahlen finden Sie hier.

Einen Kommentar zum Thema lesen Sie hier.

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