Beim Fechten sind die Rollstühle an einem Gestell befestigt. Foto: Zahn/oh - Zahn/oh

Sportfechten für Rollstuhlfahrer ist nicht nur eine tolle sportliche Erfahrung, sondern kann auch ein Modell für Inklusion sein – etwa beim TSG Reutlingen.

Esslingen/ReutlingenWie soll man im Rollstuhl fechten können, und wieso diese Sportart ? Diese Fragen werden mir oft gestellt. Ich kam über eine Lehrerin an der Rohräckerschule in Esslingen zu diesem Sport. Sie organisierte mir ein Probetraining bei der Fechtabteilung der TSG Reutlingen. In Esslingen gibt es auch einen Fechtverein, aber weil ich in Nürtingen wohne, ist Reutlingen schneller zu erreichen. Die Reutlinger nahmen mich sofort superfreundlich auf.

Am Anfang eines Trainings gehen wir raus, fahren mehrmals um die Halle, um dann beim Basketballkorb noch ein paar Bälle zu werfen. Anschließend dehnen wir uns und hören dabei Musik. Nach dem Aufwärmen kommt das Techniktraining. Wir üben die drei wichtigsten Bewegungen: den geraden Stoß, eine Angriffsbewegung und die zwei Sperrungen, also Abwehrhaltungen, die Sixt und Quart. Danach machen wir noch eine Reaktionsübung.

Nach einer Stunde beginnen wir mit den Gefechten. Dabei sind die Rollstühle in einem Fechtgestell angeschnallt. Die Fechtrollstühle unterscheiden sich von normalen Rollstühlen durch einen Griff auf einer Seite, an dem man sich mit der freien Hand festhalten kann. Dieser ist niedrig angebracht, damit man sich zurücklehnen kann. Damit auch nach vorne eine gute Bewegungsfreiheit gewährleistet ist, befindet sich auf der anderen Seite des Rollstuhls kein Schutzblech. Zudem sitzt man etwas höher.

Beim Fechten gibt es drei Waffengattungen: das Florett, den Degen und den Säbel. Die Rollstuhlfechter trainieren zurzeit nur Degen. Als Trefferfläche gilt alles unterhalb der Maske und über der Gürtellinie. Weil wir in Reutlingen nur vier Rollstuhlfahrer sind, setzen sich häufig auch Läufer als Fechtpartner in den Rollstuhl.

Egal, ob du ein Probetraining absolvierst oder schon länger trainierst, du wirst gleich voll integriert und gefordert. Dein ganzer Körper und dein Gehirn müssen auf Hochtouren arbeiten. Aber gerade deshalb vergisst du für zwei Stunden einfach den Alltag und genießt den Sport. Beim Fechten geht man immer respektvoll miteinander um, auch wenn man verloren hat. Selbst wenn die Trainer einmal laut werden, bleibt es immer entspannt.

Für mich bedeutet dieser Sport vor allem die Erfahrung, wie sozial der Verein mit Menschen mit Handicap umgeht. Die Fechtabteilung der TSG Reutlingen ist ein super Beispiel, wie Inklusion perfekt funktionieren kann. Alle sind sehr hilfsbereit. Aber natürlich gefällt mir auch der Sport an sich. Es gilt unbedingt, auf den Trainer zu hören. Und was unbedingt zum guten Ton des Sports gehört, egal ob du gewonnen oder 15 zu 0 verloren hast: Man bedankt sich immer bei seinem Gegner. Ich kann einfach nur sagen, dass ich diesen Sport liebe.