Romantikerin oder Tierfreundin? Abhängig von Filter und Hintergrund wirken Profilbilder anders. Der Betrachter interpretiert das Bild und zieht Rückschlüsse auf den Charakter der abgebildeten Person. Fotos: dpa; Montage: EZ Quelle: Unbekannt

Von Laura Buschhaus

Esslingen/Stuttgart – Jan ist ein Abenteurer, er hat einen braungebrannten, muskulösen Körper, außerdem ist er sehr mutig und liebt Action. Wenn er mit seinem Surfbrett ins Wasser rennt, sieht es aus, als hätte er noch nie etwas anderes gemacht. All das kann der Nutzer in Jans Profilbild auf der Dating-App Tinder hineininterpretieren. Aber ob Jan wirklich Jan heißt, ob er ein begnadeter Surfer ist oder gar nicht schwimmen kann, das weiß der andere Nutzer nicht.

Die einen suchen Liebe, die anderen Sex. Und dann gibt es noch die, die ihren Marktwert testen wollen

Die Zahl der Nutzer von Online-Partnervermittlungen wie Parship oder Elitepartner ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Nach Angaben von Statista hatten die Online-Dating-Börsen in Deutschland 118,1 Millionen Mitglieder im Jahr 2015, 8,4 Millionen davon nutzten die Börsen aktiv.

Daneben gibt es noch die Dating-Apps wie Tinder oder Lovoo. Neuere Nutzerzahlen vom gesamten Markt für Datingapps gibt es nicht. Auch Tinder verrät keine Nutzerzahlen, die Computerzeitschrift Chip nennt im Februar 2017 eine Zahl von mehr als einer Million. In Stuttgart lag die Zahl der Swipes, also der durchgeklickten Kontakte, im vergangenen Jahr laut Tinder bei 340 Millionen, in Deutschland insgesamt bei 20 Milliarden.

Die Ziele der Nutzer sind unterschiedlich, die einen suchen einen Partner für eine Beziehung, die anderen für ein sexuelles Abenteuer. Wieder andere wollen einer Studie der Hochschule der Medien Stuttgart zufolge, testen, wie sie auf andere wirken, also wie viele Kontaktanfragen sie bekommen.
Auch die Studentin Lena (alle Namen wurden von der Redaktion geändert) hatte sich vor zwei Jahren bei Tinder angemeldet, um endlich einen festen Partner zu finden. Beim Swipen (auf Deutsch „Durchwischen“) wurde ihr Tim vorgeschlagen. Die Esslingerin war sofort begeistert. Tims Style war lässig, in seinen Nachrichten an sie wirkte er sehr interessiert und offen. Dann das erste Treffen: Tim war ganz anders, als die heute 26-Jährige sich ihn vorgestellt hatte. „Ich war mir nach kurzer Zeit hundertprozentig sicher, dass Tim gar nicht auf Frauen steht. So wie er über Frauen gesprochen hat, entstand bei mir der Eindruck, dass er lieber mit einem Mann zusammen wäre, aber eine Freundin zum Vorzeigen braucht.“ Ob es sich hier schon um eine Lüge handelt oder Lena und Tim nur verschiedene Erwartungen an das Treffen hatten, lässt sich diskutieren. Fest steht, Lena kam sich veralbert vor.
„Die Gefahr bei den Portalen ist, dass sich der Nutzer in ein bloßes Profilbild verlieben kann“, erklärt Oliver Zöllner, Professor an der Hochschule der Medien und Herausgeber der erwähnten Studie. „Er interpretiert das Bild und den Text und bastelt sich daraus einen Menschen.“ Damit dieses falsche Bild keine Chance hat beziehungsweise Profillügen schnell auffliegen, empfiehlt er, sich bald zu treffen. Natürlich an einem öffentlichen Platz, sodass man schnell wieder gehen kann, wenn man kein gutes Gefühl bei dem anderen hat.

Maike hat etwas Ähnliches wie Lena erlebt – aber aus der anderen Perspektive. Die Studentin aus dem Kreis Ludwigsburg ist stark übergewichtig. Damit ist sie überhaupt nicht zufrieden, mit ihren großen Locken und den dunklen Augen hingegen schon. Da war es für sie naheliegend, auf Parship nur Bilder von ihrem Gesicht und kein Ganzkörperfoto hochzuladen. Als sich die 24-Jährige dann mit einem Kontakt des Portals traf, war dieser stocksauer: „Er schien richtig geschockt, als er mich gesehen hat, und warf mir vor, dass ich mich äußerst vorteilhaft auf Parship dargestellt hätte und in echt ganz anderes aussehen würde.“ Der junge Mann beendete das Treffen sofort.
Dass der eine oder andere Nutzer sein Profilbild mit einem Bildbearbeitungsprogramm ein bisschen anziehender macht oder bei der Körpergröße in seinem Profil ein wenig schummelt, findet Oliver Zöllner nicht schlimm. „Es ist nur logisch, dass in unserer Zeit der Selbstoptimierung auch das Profil auf Datingportalen perfektioniert wird.“ Doch wo die Optimierung aufhört und die Lüge anfängt, sei schwer zu sagen.

Gegen Profillügen bei der Größe oder den Hobbys kommen die Portale kaum an. Gegen Fake-Profile, also Profile, hinter denen eine Person steht, die vorgibt eine andere reale oder fiktive Person zu sein, haben jedoch viele Portale Maßnahmen ergriffen.
Die App Lovoo scheint mit ihren Maßnahmen gegen Fakeprofile am weitesten zu gehen. Bevor die Nutzer loslegen, müssen sie ihr Profilbild bestätigen, indem sie sich mit einem zugesandten Code abfotografieren und den Betreibern das Bild schicken.
Bei Tinder gibt es nur für Prominente die Möglichkeit, ihr Profil zu verifizieren. Ob eine tiefergehende Verifizierung geplant ist, möchte das Unternehmen auf Anfrage nicht sagen.
Laut Jana Bogatz, Pressesprecherin von Parship, sind Singles mit Interesse an einer langfristigen Beziehung die Zielgruppe des Portals. Um andere Nutzergruppen fernzuhalten, scannen Mitarbeiter und ein automatischer Filter die Profile nach Auffälligkeiten. Mit einem freiwilligen ID-Check kontrolliert Parship, ob die Handynummer tatsächlich dem Nutzer zugeordnet werden kann. Zudem können Nutzer auffällige Profile melden. Bei diesem Vorgehen wolle es Parship momentan belassen, sagt Jana Bogatz: „Eine weitergehende Verifizierung ist nicht möglich, weil Parship aus datenschutzrechtlichen Gründen keine privaten Verhältnisse beziehungsweise nicht die Richtigkeit der Angaben jedes Mitglieds überprüfen darf. Bei kleineren Schummeleien wie bei der Figur, Größe, Sportlichkeit oder dem Alter können wir nur immer wieder an unsere Mitglieder appellieren, wahrheitsgemäße Angaben zu machen.“ Bei Elitepartner versuchen nach eigenen Angaben mehr als 30 Mitarbeiter Fake-Profilen und falschen Angaben auf die Spur zu kommen, indem sie die Profile überprüfen.

Dem Professor Oliver Zöllner zufolge werden Profillügen auch erst dramatisch oder gar strafbar, wenn der Nutzer damit den anderen in eine Falle lockt und sich Leistungen erschleicht.
Vor diesem sogenannten Love- oder Romance-Scamming warnt auch die Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes auf ihrer Internetseite. Laut Polizei handelt es sich bei Scammern um Männer und Frauen, die sich das Vertrauen und Geld einer anderen Person erschleichen, indem sie Lebens- und Leidensgeschichten erfinden. Für den Erstkontakt nutzen sie auch Partnerbörsen. Nach Angaben der Polizei machen sich diese Menschen „im täglichen Leben ihrer Opfer unverzichtbar“, ohne sie jemals zu treffen. Nach einer Weile bitten sie die Opfer, ihnen Geld zu überweisen oder den Pass abzufotografieren, um damit einen gefälschten Ausweis zu erstellen.

In den Amtsgerichten in Nürtingen, Kirchheim und Stuttgart wurden solche Fälle nach Recherchen von #gEZnoch jedoch bisher nicht verhandelt. Das Amtsgericht Esslingen hatte sich bis Redaktionsschluss dazu nicht geäußert. Scammer scheinen also die Ausnahme zu sein, trotzdem sollte jeder „seinen gesunden Menschenverstand einschalten und ein gewisses Misstrauen mitbringen, wenn er mit einer fremden Person Kontakt aufnimmt“, rät Oliver Zöllner. „Wenn jemand nur super Bilder auf seinem Profil hat, kann das nicht realistisch sein. Niemand ist bei allem, was er tut, perfekt.“

Datingportale und -apps: Wie sie funktionieren und wann man misstrauisch werden sollte

Funktionsweise:
Für die Registrierung bei der App Tinder braucht der Nutzer ein Facebook-Profil. Vor jeder Suche gibt er das gewünschte Geschlecht und den Radius um seinen Standort an, Tinder zeigt ihm dann potentielle Partner mit Foto, Alter und gemeinsamen Interessen. Ist der Nutzer an der Person interessiert, wischt er das Foto nach rechts. Tut die gezeigte Person das gleiche, gibt es ein sogenanntes Match, und die Personen können Kontakt aufnehmen. Tinder ist in der Basisversion kostenlos. Es gibt kein Onlineportal, nur eine App.
Bei Portalen wie Elitepartner und Parship füllt der Nutzer umfangreiche Steckbriefe aus, auf deren Basis schlägt ihm das Portal dann potentielle Partner vor. Um alle Funktionen verwenden zu können, muss der Nutzer jeweils eine kostenpflichtige Mitgliedschaft abschließen. Im Schnitt gibt es bei Elitepartner 500 000 Neuanmeldungen im Jahr. Parship kommuniziert für Deutschland keine gesonderten Zahlen, weltweit haben sich 1,64 Millionen Menschen im Jahr 2016 neu angemeldet.

Checkliste:

Es könnte sich um ein Fake-Profil handeln, wenn…

- das Profilbild eher wie ein Modelfoto aussieht
- die Person an keinem Treffen interessiert ist oder immer ausweicht
- die Angaben in dem Profil nicht zu dem Profilbild passen.
Eine guter Weg, ein fremdes Profil zu überprüfen ist auch, das Foto des Nutzers auf dem Gerät zu speichern und dann über die Bildersuche von Google hochzuladen. Google zeigt dann Seiten, auf denen das Foto noch zu finden ist.