Foto: privat - privat

Claus Zebitz ist Professor an der Universität Hohenheim. Im Interview spricht er über Schädlinge, die durch Klimafaktoren bei uns vermehrt auftreten könnten.

EsslingenIst der Klimawandel der Grund, dass neue Tierarten und auch Schädlinge sich in der Region ansiedeln und vermehren? Entstehen aufgrund des Klimawandels neue Tierarten beziehungsweise siedeln bislang unbekannte Schädlinge in der Region an und ist der Klimawandel der einzige Auslöser?

Diese beiden Fragen kann oder muss man, meiner Meinung nach, zusammen beantworten. Der Klimawandel fördert sicherlich die Ansiedlung und Vermehrung wärmeliebender Tier- und Pflanzenarten, soweit auch alle anderen ökologischen Ansprüche bedient werden. Die Frage ist aber, wie diese Arten hierher gelangen. Einerseits gibt es die natürliche Ausweitung des Verbreitungsgebietes vorhandener Arten und andererseits die Verfrachtung oder Verschleppung durch den Menschen. Letzteres geschieht in den meisten Fällen unbeabsichtigt und oft auch unbemerkt. Durch den Klimawandel entstehen aber keine neuen Tierarten.


Welche Klimaveränderungen tragen dazu bei?

An erster Stelle steht natürlich die Temperatur, aber sie ist es nicht alleine. Niederschläge spielen auch eine Rolle. Ganz besonders bedeutend ist die Klimaveränderung im Winter und im Sommer. Viele wärmeliebende Arten, besonders solche aus den subtropischen und tropischen Klimazonen sind normalerweise nicht an unsere (ehemals) kalten Winter angepasst und können keinen Frost überstehen. Werden die Winter auf lange Sicht milder, können sich natürlich solche Arten bei uns ansiedeln und fest etablieren. Voraussetzung ist allerdings, dass auch die entsprechende Nahrungsgrundlage und andere ökologische Bedingungen erfüllt werden. Dies ist von Art zu Art aber unterschiedlich.


Welche Tierarten beziehungsweise Schädlinge treten aufgrund des Klimawandels neu oder nun vermehrt in der Region auf?


Ich kann sagen, welche Arten bereits hier sind. Welche Arten in Zukunft auftreten werden ist nur mit einer gewissen Unsicherheit vorherzusagen. Unter den besonders auffälligen bereits hier etablierten Arten ist sicherlich bei den Schädlingen die Kirschessigfliege zu nennen, die auch große Schäden anrichten kann. Sie wurde hier eingeschleppt. Einwanderer aus dem europäischen Süden sind die Walnussfruchtfliege, die Grüne Stinkwanze oder auch verschiedene Eulentfalter, die sich hier etabliert haben - weil die Klimabedingungen nun nördlich der Alpen passen. Der Baumwollkapselwurm wandert sporadisch ein, kann sich aber (noch) nicht etablieren. Die Mittelmeerfruchtfliege wird sich über kurz oder lang bei uns etablieren. Eingeschleppt wurde sie schon häufiger auch in den 50er Jahren. Vermehrt in der Region können aber auch heimische Arten auftreten, die durch den Klimawandel bedingt nun mehr Generationen im Jahr ausbilden können. Dazu gehört mit Sicherheit der Europäische Maiszünsler, der bislang nur eine Generation durchmachte. In den letzten Jahren wurde aber auch vermehrt schon eine zweite Generation beobachtet. Dazu kommt, dass diese Art ihr Verbreitungsgebiet mit Massenvermehrungspotential auch auf die Filder verschieben wird. Im Rheintal war sie immer ein Schlüsselschädling im Mais, auf den Fildern trat sie dagegen nur sehr sporadisch als Schädling auf. Das wird sich ändern.


Welchen Schaden richten diese Tiere an? Werden auch andere Tierarten dadurch verdrängt – wenn ja, welche Tierarten?


Die Schadwirkung und das Schadausmaß hängen jeweils von der Art und dem geschädigten Gut (Pflanze, Vorrat, Material) und seinem Wert ab. Dabei ist natürlich auch entscheidend, ob eine Art bekämpft werden muss.


Welche Folgen haben diese Veränderungen in der Tierwelt für das heimische Ökosystem in der Region?


Die Folgen des Auftretens einer neuen Tierart (Neozoen) hängen davon ab, ob sich die Art problemlos, ohne Schaden anzurichten, in ein bestehendes Ökosystem eingliedern kann. Dann trägt die Art willkommen zur Bereicherung der Artenvielfalt bei. Verursacht die Art ökologische oder ökonomische Schäden, so ist sie als invasive Art zu bezeichnen. Meist kann man dies vorher nur aus der Literatur heraus ableiten oder durch direkte Beobachtungen, aber dann ist der Schaden schon gesetzt. Prophylaktisch ist eine Aussage und Handlung immer schwierig. Als Beispiel für ökologische Schäden oder zumindest Bedenklichkeit, wäre der Asiatische Marienkäfer zu nennen. Diese Art wurde bewusst nach Europa eingeführt, ohne die ökologischen Folgen zu bedenken. Sie verdrängt aber einheimische Marienkäferarten und kann auch Nützlinge, die im biologischen Pflanzenschutz sehr willkommen sind, vertilgen und deren Wirkung schmälern. Die Beispiele für invasive landwirtschaftliche Schädlinge sind natürlich in jüngerer Zeit zum Beispiel mit der Kirschessigfliege gegeben.


Wie kann man diese Schädlinge am besten bekämpfen und wie kann der Mensch sich schützen?


Die Kontrolle der neu aufgetretenen, invasiven Arten ist immer schwierig. Eine generelle Empfehlung kann hier nicht gegeben werden. Es gibt keine angepassten einheimischen Gegenspieler. Nicht-heimische natürliche Gegenspieler zur biologischen Bekämpfung dürfen nicht eingesetzt werden. Die könnten sich ebenfalls als ökologisch bedenklich oder schädlich erweisen. Das weiß man im Voraus nicht, also ist er Einsatz verboten. Je nach Schädlingsart kann man natürlich versuchen, durch Hygienemaßnahmen und Überwachung des Auftretens mit entsprechender Entsorgung des befallenen Materials und der Schädlinge des Problems Herr zu werden. Bei landwirtschaftlichen Schädlingen mit wirtschaftlicher Bedeutung bleibt häufig nur die „chemische Keule“, das heißt chemischer Pflanzenschutz. Welche Mittel dafür eingesetzt werden dürfen, ist durch EU- und Bundesgesetz geregelt und wird durch die Bundesbehörden festgelegt (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Bundesamt für Risikoforschung, Umweltbundesamt, Julius-Kühn-Institut).
Falls man eine unbekannte Art entdeckt und ihrer habhaft werden kann, ist es das einfachste, mit dem Tier zu einem Spezialisten zu gehen oder das Tier, möglichst lebend oder tot aber intakt an die Universität Hohenheim oder ein Naturkundemuseum zu schicken. Im Allgemeinen wird man dann schnell Antwort mit Handlungsratschlägen, falls nötig, bekommen.


Wo kann man die meisten Veränderungen beobachten?


Wirklich überall, wenn man die Augen aufmacht und die Natur beobachtet. Dies gilt auch für den Balkon und den Hausgarten.


Können Tierarten, die sich in der Region ansiedeln, gefährlich für den Menschen sein oder gar Krankheiten übertragen – wenn ja, welche?


Das ist sehr gut möglich. Man denke nur an die eingeschleppten Stechmückenarten oder Zeckenarten, die sich hier mittlerweile etabliert haben. Die Asiatische Tigermücke und die Asiatische Buschmücke können für den Menschen gefährliche Krankheiten übertragen, also als Vektor fungieren. Die erste Art kann das Denguefieber, die zweite Art das Zika-Virus übertragen. Allerdings müssen diese Krankheitserreger erst von einem infizierten Wirt aufgenommen werden bevor sie auf Menschen übertragen werden können. Nur weil ein Vektor in einem Ökosystem vorkommt, heißt das nicht, dass jedes dieser Tiere auch gleich die Krankheit überträgt. Auch die tropische Buntzecke (Hyalomma) wurde schon bei uns nachgewiesen. Sie kann in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet (halbtrockenes Afrika, Asien), verschiedene fiebrige Erkrankungserreger übertragen. Diese Art bedarf sicherlich der genauen Beobachtung.

Das Interview führte Simone Lohner.