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Ein kleiner Pieks mit großer Wirkung – So wird seit Jahrzehnten für Impfungen geworben. Die einen messen ihr eine große Bedeutung zu, andere verteufeln sie und die Pharmaindustrie.

Der Esslinger Kinder- und Jugendarzt Ralph Alexander Gaukler und Professor Christian von Schnakenburg, der Chefarzt der Kinderklinik am Klinikum Esslingen, haben sich zu dem Thema geäußert.

Warum impfen?

„Das Impfen ist in der Medizingeschichte eines der wichtigsten Dinge, die wir je erfunden haben.“ So oder so ähnlich wie der Esslinger Kinderarzt Ralph Alexander Gaukler drücken sich viele Mediziner aus, wenn es um das Thema Impfen geht. „Noch vor 100 Jahren lasen sich die Todesursachen bei Kindern so wie unser heutiger Impfplan.“ Etwa 700 bis 800 Kinder seien damals in einer Stadt wie München pro Jahr an Krankheiten wie Diphtherie und Keuchhusten gestorben. Aber gerade dieser Erfolg wird dem Impfgedanken heute gefährlich. Oft werden impfkritische Stimmen laut. „Aber wenn wir heute aufhören zu impfen, haben wir uns diese Krankheiten ganz schnell wieder eingefangen“, so Gaukler. Denn ausgerottet sind diese Infektionen noch nicht.

Durch Impfungen ist es bisher gelungen, eine schwere Krankheit auszurotten: die Pocken. „Aber selbst dahinter steht noch ein Fragezeichen, weil das Virus als biologische Waffe von den Großmächten der Welt vorgehalten wird.“ Bei der Kinderlähmung (Polio) sei man schon „sehr weit“, heißt es vom Robert-Koch-Institut (RKI). Ein Strang des Virus könnte noch dieses Jahr für ausgerottet erklärt werden. Über die anderen Stränge der Kinderlähmung gibt es im Internet wöchentliche Berichte nachzulesen. Die nächste Krankheit auf dem Ausrottungsplan: die Masern. „Das gelingt uns aber nur, wenn 97 Prozent der Weltbevölkerung gegen die Masern geimpft sind. Nur so kann sich die Krankheit nicht ausbreiten“, sagt Gaukler. Aber die Impfquote sinkt. Auch in Deutschland. „Bei Einzelimpfungen stehen wir mit 90 Prozent ganz gut da, aber wenn es Impfungen sind, bei denen mehrere Impfdosen oder Auffrischungen nötig sind, dann ist die Zahl schon viel niedriger.“

Ralph Gaukler (Foto: Martin Zimmermann)

Dabei sei es für die Entwicklung von Kindern nur positiv, wenn sie die „Kinderkrankheiten“ wie Masern und Mumps nicht durchmachen müssen. „Das große Argument der Impfgegner ist ja, dass die Kinder eine wunderbare und sprunghafte Entwicklung durchmachen, wenn sie zum Beispiel an den Masern erkranken“, sagt Professor Christian von Schnakenburg, Chefarzt der Kinderklinik am Klinikum Esslingen. „Nach einer Krankheitsphase kann Eltern die Erholung ihres Kindes sicher sehr positiv und schnell vorkommen. Man darf aber nicht vergessen, dass bei einem von 1000 Kindern, die zum Beispiel an Masern erkranken, eine tödliche Enzephalitis auftritt. Diese „Entwicklung“ ist ja sicher nicht gewünscht und wird leider oft vergessen oder verschwiegen.“ Potenziell tödliche Spätfolgen einer Masern-Erkrankung wie eine solche Gehirnentzündung seien häufiger als gedacht. Auch Röteln, Hib (Eine Infektion mit dem Bakterium Haemophilus influenzae Typ b), Mumps oder Polio können bleibende Probleme wie Nerven- oder Hirnschäden oder Sinneseinschränkungen und Unfruchtbarkeit hinterlassen. „Für die kindliche Entwicklung ist es also in jedem Fall besser, wenn es geimpft wird und damit längere und schwerwiegende Krankenhausaufenthalte vermieden werden können“, sagt von Schnakenburg. Auch gegen den oft zitierten Glauben von Impfkritikern, Impfungen lösten Autismus aus, wehrt sich der Chefarzt vehement. „Das ist nachgewiesenermaßen falsch. Wissenschaftlich nachweislich falsche Publikationen von Ärzten, die das behauptet haben, sind von den Zeitschriften zurückgenommen worden. Teilweise wurden berufsrechtliche Schritte eingeleitet, aber trotzdem hält sich der Irrglaube hartnäckig.“

Die Entscheidung, seine Kinder nicht impfen zu lassen, so Gaukler, betrifft immer mehr als nur diese eine Person. „Man muss an die Menschen denken, die aus welchem Grund auch immer nicht geimpft werden können“, sind sich Gaukler und von Schnakenburg einig. „Denen muss man helfen, indem das Risiko, sich anzustecken, verringert wird.“ Und das geht eben nur übers Impfen. Dass Menschen nicht geimpft werden können, hat mehrere Gründe. „Kinder mit einer Immunschwäche oder mit Einnahme von das Immunsystem unterdrückenden Medikamenten können gegen bestimmte Erreger oder Krankheiten nicht geimpft werden“, sagt Gaukler. „Auch bei Kindern, die Krebs haben, sollte nicht geimpft werden.“ Was diesen Kindern hilft, ist die sogenannte Herdenimmunität. Damit wird der Effekt bezeichnet, dass ansteckende Krankheiten wie Mumps, Masern, Windpocken oder Röteln sich nicht in der Bevölkerung ausbreiten können, wenn bei einem bestimmten Anteil der Menschen eine Immunisierung – eben durch eine Impfung – vorliegt.

Christian von Schnakenburg (Foto: Klinikum Esslingen)

Ein Kind wird zum Beispiel in der Regel erst mit elf Monaten gegen Masern geimpft. Vorher ist das Risiko, sich anzustecken, sehr hoch. Das gilt gerade für Frühgeborene, weiß von Schnakenburg. „Wenn Kinder zum Beispiel acht Wochen zu früh, also in der 32. Schwangerschaftswoche, geboren werden, fehlt ihnen der sogenannte Nestschutz. Die Mutter konnte ihnen nicht die nötigen Antikörper mitgeben, um sich gegen Infektionen schützen zu können“, erklärt der Chefarzt. „Darum müssen Frühgeborene besonders gründlich und besonders früh geimpft werden, nämlich schon um den eigentlich errechneten Geburtstermin – im Alter von sechs bis acht Wochen, zum Beispiel gegen Keuchhusten und Kehlkopfentzündung durch Haemophilus influenza (HiB) durch die modernen Sechsfach-Kombinationsimpfstoffe.“ Aber auch Krankheiten können eine Immunschwäche auslösen, und Kinder, die deshalb nicht geimpft werden können, sind darauf angewiesen, dass die Personen in ihrem Umfeld sie nicht mit impfpräventablen Krankheiten anstecken. „Ich erinnere mich an ein nierenkrankes Kind, das sich in der Notaufnahme mit Windpocken angesteckt hat. Es ist daran gestorben.“ Gerade Menschen, die beispielsweise aufgrund ihres Berufes – Lehrer, Erzieher, Journalisten oder Krankenpfleger – viel mit Menschen zu tun haben, sollten daher darauf achten, dass sie ausreichend geimpft sind.

Kinderarzt Gaukler hat in seinem Berufsalltag relativ selten mit Impfgegnern zu tun. „Es gibt immer wieder Eltern, die ganz genau nachfragen, aber das ist ja auch gut so. Dem begegne ich mit Fakten und kann den Eltern so meist die Unsicherheit nehmen“, sagt Gaukler. An einem normalen Tag verabreicht der Kinderarzt schätzungsweise zwischen 20 und 30 Impfungen. „Das ist schon eine meiner wichtigsten Tätigkeiten.“

Muss man impfen?

In der Politik wird derzeit eine Impfpflicht für Masern diskutiert. Ein entsprechendes Bundesgesetz befindet sich bereits in der Vorbereitung. Der Gesetzentwurf ist im Kabinett verabschiedet worden und besagt, dass der Schulbesuch oder die Betreuung in bestimmten Einrichtungen an einen ausreichenden Masernschutz beziehungsweise an eine Immunität gegen die Krankheit gekoppelt sein soll. Auch Lehrer, Dienstleister und Journalisten, die tagtäglich mit vielen Menschen zu tun haben, sollen über ausreichenden Schutz verfügen. Mediziner sind sich nicht ganz einig über die Sinnhaftigkeit eines solchen Gesetzes. „Wenn man eine Impfpflicht einführt, muss man die Einhaltung ja auch überwachen“, sagt zum Beispiel von Schnakenburg. „Und eine aktive Meldung impfunwilliger Personen durch Ärzte steht in Widerspruch zur ärztlichen Schweigepflicht und unserer bisherigen Tradition von aufgeklärter Selbstbestimmung.“ Auch sei es nicht sinnvoll, Nichtimpfen mit einer Geldstrafe zu belegen. „Es gäbe dann bestimmt reiche Familien, die ihre Kinder nicht impfen lassen und die Strafen in Kauf nehmen, weil sie es sich leisten können“, findet er. Ein weiterer Kritikpunkt seinerseits: „Wenn es nur eine Impfpflicht für die Masern gibt, dann könnte der Eindruck entstehen, dass die anderen Krankheiten weniger ernstzunehmen sind. Und dieser Eindruck ist falsch. Also, da bin ich nicht so glücklich mit dem Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Ähnlich hat auch der Deutsche Ethikrat im Sommer 2019 Stellung genommen“.Etwas anders sieht das Kinderarzt Gaukler. „Mir wäre es natürlich viel lieber, wir bräuchten eine solche Impfpflicht nicht“, sagt er. Aber es sei nun einmal so, dass nicht genügend Menschen ihre Kinder impfen ließen. „Letztendlich sei es mit der Sorgfaltspflicht eines Mediziners nicht zu vereinen, wenn wir nicht versuchen, diejenigen zu schützen, die sich nicht selbst schützen können.“ Und die Masern-Impfpflicht sei ein Schritt, den sich die Politik für die Bundesrepublik überlegt habe. „Den müssen wir jetzt mittragen“, findet Gaukler. Stellungnahmen -> Impfen als Pflicht?

Wann impfen?

Etwa 50 Mal wird ein Kind in Baden-Württemberg geimpft, bis es volljährig ist. Viele dieser Impfungen können aber in Kombination miteinander verabreicht werden, sodass die Anzahl der Impftermine wesentlich geringer ist. Der Impfkalender ist von der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts veröffentlicht worden und dient als Vorlage für eine gründliche Immunisierung von Kindern und Jugendlichen.

Die ersten Impfungen bekommen Säuglinge im Alter von etwa sechs Wochen. Sie werden dann gegen Rotaviren geimpft. Es sind zwei beziehungsweise drei – je nach Impfstoff – Impfungen im Abstand von vier Wochen nötig.

Wenn ein Kind zwei Monate alt ist, werden eine Sechsfach-Kombinationsimpfung gegen Diphtherie, Tetanus (Wundstarrkrampf), Keuchhusten, Hib (Bakterium Haemophilus influenzae Typ b), Polio (Kinderlähmung) und Hepatitis B empfohlen. Sie bekommen außerdem eine Impfung gegen Pneumokokken und gegebenenfalls eine zusätzliche Impfdosis gegen Rotaviren.

Im Alter von drei Monaten impfen Kinderärzte erneut gegen Tetanus, Diphtherie und Keuchhusten sowie gegen Hib, Polio und Hepatitis B. Ob das nötig ist, hängt vom Impfstoff ab, der bei der ersten Immunisierung benutzt wurde. Eventuell wird auch eine dritte und letzte Dosis des Impfstoffes gegen Rotaviren gegeben.

Vier Monate alte Säuglinge bekommen weitere Impfdosen gegen Tetanus, Pneumokokken, Diphtherie, Keuchhusten, Hib, Polio und Hepatitis B.

Im Alter zwischen elf und 14 Monaten gibt es noch mehr Impfungen. Es gibt für die Kleinen die letzten Impfdosen gegen Tetanus, Pneumokokken, Diphtherie, Keuchhusten, Hib, Polio und Hepatitis B. Außerdem bekommen sie zum ersten Mal die Vierfachimpfung gegen Mumps, Masern, Röteln und Windpocken (Varizellen). Ab einem Jahr können Kinder darüber hinaus gegen Meningokokken C geimpft werden.

Die Vierfachimpfung gibt es erneut im Alter zwischen 15 und 23 Monaten. Außerdem können versäumte Impfungen nachgeholt oder bisher Ungeimpfte grundimmunisiert werden.

Ab drei Jahren können Kinder gegen die von Zecken übertragene Krankheit Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) geimpft werden. Da Baden-Württemberg als Hochrisikogebiet für FSME gilt, ist diese Impfung empfohlen.

Die ersten Auffrischimpfungen gegen Tetanus, Diphtherie und Keuchhusten werden im Alter von fünf bis sechs Jahren fällig. Eine erneute Auffrischung ist im Alter zwischen neun und 16 Jahren angezeigt.

Mädchen, die neun bis 14 Jahre alt sind, sollten außerdem gegen das Humane Papillomvirus (HPV) geimpft werden, das Gebärmutterhalskrebs verursachen kann. Es können mehrere Dosen erforderlich sein. Und auch Jungen sollen seit 2018 gegen HPV geimpft werden, da es sie und ihre Partner vor Genitalwarzen und dadurch verursachte Krebsformen schützt.

Bei Reisen in gewisse Länder können noch zusätzliche Impfungen angezeigt sein. Darüber sollte mit dem Kinder- und Jugendarzt gesprochen werden.