Wie war die erste Abfahrt? Langes Fragen ist unnötig, ein Blick in die glücklichen Gesichter der Biker sagt alles. Mit der Esslinger Nordschleife ist für sie nach dreieinhalb Jahren ein Traum in Erfüllung gegangen. Foto: Dietrich

Von Peter Dietrich

Joe Reiser, Abteilungsleiter Radsport im TV Hegensberg, hat klug gehandelt. Das bescheinigte ihm bei der offiziellen Eröffnung der Esslinger Nordschleife (Esnos) die Erste Landesbeamtin Marion Leuze-Mohr: „Sie haben das einzig Richtige gemacht, sie haben sich mit dem TV Hegensberg eine Lobby verschafft. Sie haben alle Beteiligten an einen Tisch geholt.“ Sie erinnere sich noch eine E-Mail von Reiser, in der dieser sinngemäß gefragt habe: „Wie kann ich alle diese Vorschriften beachten und trotzdem eine gute Strecke bekommen?“ Es sei immer ein konstruktives Miteinander gewesen. „Es ist ein Lehrstück, wie so etwas gelingen kann.“

Gemeinsame Sache gemacht

Mit neuen Trendsportarten, sagte der Erste Bürgermeister Wilfried Wallbrecht, prallten seit zehn Jahren Welten aufeinander. „Ich habe allergrößten Respekt vor dem ganzen Team, das diesen Marathon bewältigt hat. Jetzt vergessen wir das und genießen die Strecke.“ Wallbrecht hatte sie sich vorher genau angesehen und entschieden: „Ich denke, ich fahre auch runter.“ Das tat er nach der Freigabe als zweiter Fahrer nach Reiser. „Wir lagen wirklich am Boden“, erinnert sich dieser bis heute an die Schließung der ersten, illegalen Esslinger Nordschleife. Anstatt damals einen Shitstorm gegen die Stadt zu entfachen, hätten die Biker entschieden: „Wir machen etwas Positives daraus.“ Die allererste Besprechung, bei der sie sich Bedenken im Quadrat anhören mussten, war für sie sehr schwer. Doch dann war Reiser überrascht: „Wie haben bei Ämtern Gehör gefunden.“ Unterstützung kam vom Esslinger Landtagsabgeordneten Wolfgang Drexler, Präsident des schwäbischen Turnerbundes. Er versuchte, alle Seiten konstruktiv zusammenzubringen. Kräftige Unterstützung beim Streckenbau südlich des Segelflugplatzes kam von der Firma Profi Ernst, der Geschäftsführer Frank Ernst ist selbst Biker. „Ich habe gedacht, das ist ein Projekt, für das es sich lohnt, alles zu geben“, sagte Reiser. Dazu gab es viel Gelegenheit an 32 Bautagen mit 2250 ehrenamtlichen Mannstunden. „Wir sind davon ausgegangen, in einem Jahr bringen wir das hin“, sagte Drexler. Doch dieses Jahr war alleine für das Gutachten zum Artenschutz nötig. Aber die Motivation der Biker habe dank Joe Reiser über dreieinhalb Jahre angehalten, lobte Drexler. „Wir versuchen, unsere Vereine im schwäbischen Turnerbund zu motivieren, auch Trendsportarten aufzunehmen, dafür muss man Voraussetzungen schaffen.“ Der TV Hegensberg und sein Erster Vorsitzender Hermann Beck hätten das getan. Auf der anderen Seite habe sich der Biker Joe Reiser nie vorstellen können, einmal Abteilungsleiter im Turnverein zu werden. Eine Nebenwirkung des Projekts: „Ich habe gelernt, was Fremderde ist. Das ist eine ganz komplizierte Angelegenheit.“ Damit spielte Drexler auf das Verbot an, beim Bau der Strecke schadstoffgeprüfte Erde aus zwei Kilometern Entfernung zu verwenden.

Steiniger und teurer Weg

„Den Mutigen gehört die Welt“, sagte Hermann Beck. Der TV Hegensberg sei ein Risiko eingegangen, um einen Traum zu erfüllen. „Wir wussten nicht, wie steinig der Weg sein wird.“ Und wie teuer: „Wir haben 60 000 Euro investiert. Die Strecke ist fertig, aber nicht fertig finanziert.“ Ohne die alte Esnos, ist sich Beck sicher, würde es die neue Esnos nicht geben. Der Erfolg sei hart erkämpft worden. „Aber solche Erfolge gehen am tiefsten, wir haben eine tolle Strecke.“ Beck verglich sie mit dem Bau der Sporthalle an der Römerstraße. „Auch das war ein langer Kampf, mit einem tollen Ergebnis.“ Das Programm sah nun eine Pause vor, doch wer will schon auf die Bescherung warten? Also wurde der Griff zur Schere vorgezogen. Sekunden später waren die ersten Fahrer auf der Abfahrt, dicht an dicht, in ständigen Kurven 80 Höhenmeter den Hang hinunter.