Die EZ-Leser bei der Firma Kaatsch. Prokurist Michael Leistner zeigt die handlichen Schrott-Pakete, die in einer Gießerei Foto: Roberto Bulgrin/bulgrin - Roberto Bulgrin/bulgrin

Offenheit und Interesse zeichnet die EZ-Leser und -Leserinnen aus, die an der jährlichen Rundfahrt der Eßlinger Zeitung und der Kreisverwaltung teilnehmen.

Kreis EsslingenOffenheit und Interesse zeichnet die EZ-Leser und -Leserinnen aus, die an der jährlichen Rundfahrt der Eßlinger Zeitung und der Kreisverwaltung teilnehmen. Die Recyclingfirma Kaatsch im Plochinger Hafen besichtigten sie genauso aufmerksam wie die Fakultät für Kunst- und Theatertherapie in Nürtingen. Und in Denkendorf erfuhren sie, mit welcher Strategie Kommunen versuchen, eine ältere werdende Gemeinschaft zu organisieren. Soziales, Industrie und Kultur – das sind die drei Schwerpunkte, die an den beiden Busausfahrten traditionell gesetzt werden.

Ein sperriges, gleichwohl zukunftsträchtiges Thema begegnete den Busreisenden in Denkendorf: „Quartier 2020 – Gestaltung lokaler Altenhilfe-Landschaften“, so lautete der Landes-Wettbewerb, den der Kreis Esslingen mit neun Kommunen, darunter Denkendorf, gewonnen hat. Im sogenannten Sinnesgarten neben dem Rathaus versuchten Bürgermeister Ralf Barth und sein Hauptamtsleiter Fritz Berner diese Aufgabe anschaulich zu machen. Wenn sich die Anzahl der Hochbetagten und Demenzkranken erhöht, die Angehörigen aber weit weg wohnen und professionelle Pflegekräfte Mangelware sind, dann müssen neue Konzepte her, muss das ganze Dorf in die Altenhilfe eingebunden werden.

Denkendorf hat schon einiges auf die Beine gestellt. Schon 1992 wurde ein Altenhilfeplan erstellt. Im Jahr 2008 wurde der Ort mit seinem Pflegestützpunkt bundesweite Modellkommune. Nun hat sie die kleine Museumsscheuer zum Treffpunkt für Menschen mit und ohne Demenz gemacht. Gegenüber der Scheune beginnen aktuell die Arbeiten, um im ehemaligen Notariat eine Kurzzeitpflege mit 15 Plätzen einzurichten. Zwischen diesen Einrichtungen hat die Künstlerin Anne Demuth den Sinnesgarten gestaltet. Am Hochbeet mit duftenden Kräutern, an Fühl-Körbchen, Musikinstrumenten, Schraubstöcken und allerlei nostalgischen Gegenständen sollen demente Menschen „Zugänge zu schönen Erinnerungen“ finden, erklärt sie. Ein Besuch in Denkendorf muss auch ins Kloster führen. Dort mobilisierten Karl-Heinz und Renate Gattner mit ihrer B.U.S.-Truppe (Bewegung, Unterhaltung, Spaß) die Gelenke und Muskel der Busreisenden. Im Hintergrund lärmten Baumaschinen, denn auf dem Klosterareal entsteht das zweite Pflegeheim für Denkendorf.

Vom Elektrobagger beeindruckt

Den Plochinger Hafen steuern jährlich mehr als 500 Schiffe an. Sie ersparen unseren Straßen etwa 100 000 Lkw-Fuhren. Eine der großen Firmen am Hafen ist Kaatsch Recycling. Wer nach Plochingen hineinfährt, sieht die Schrottberge und die Schiffe, die mit Alteisen beladen werden. Die EZ-Leser und -Leserinnen schauten genauer auf die vor 71 Jahren von Margarete Kaatsch gegründete Firma, die etwa 140 Mitarbeiter zählt.

Marco Staigmüller, zuständig für Stahlschrott, erklärte die aufwendige Eingangskontrolle, die mit Rundkamera dokumentiert, was angeliefert wird. Jede Ladung wird auf Radioaktivität geprüft, denn ein verstrahltes Stahlwerk wäre der Kosten-GAU. In einer Halle drückt ein grauer Stahlkoloss, die Paketier-Presse, Metallabfälle zu handlichen Paketen für Gießereien. Monatlich führt Kaatsch 20 000 Tonnen Stahlschrott der Wiederverwertung zu. Das meiste wird zu den europäischen Stahlwerken verschifft. Etliche Ladungen, insbesondere Metall mit teuren Legierungen, gehen in alle Welt, zum Beispiel nach China. Das Einschmelzen von Schrott benötige nur ein Zehntel der Energie, die für Primärstahl benötigt würde, erklärt Staigmüller, zudem benötige man kein neues Eisenerz.

Prokurist Michael Leistner führt die Reisegruppe zum neuen Elektrobagger LH 150. Mit einem Akku könnte man das Riesending nicht lange betreiben. Der 400 Kilowatt starke Elektromotor wird über eine 10-Kilovolt-Leitung versorgt. Der Baggerführer zeigt, wie er mit dem mannshohen Greifer Schrottmischungen zusammenstellt – so wie vom Stahlwerk gewünscht.

Malen kann helfen

Wie kann man mit Kunst und Theater psychisch kranken Menschen helfen? Darum geht es an der dritten Station, der Hochschule Nürtingen. Hervorgegangen ist die Fakultät für Kunsttherapie und Theatertherapie aus der Freien Kunstakademie, die Karl Heinz Türk 1976 gründete. „Die Kunst ins Soziale bringen“, lautete damals der Ansatz, erläuterte Studiendekan Johannes Juncker. Daraus wurde die freie Hochschule für Kunsttherapie, die sich 2016 unter die Fittiche der staatlichen Hochschule für Wirtschaft und Umwelt begab, um den Studierenden die teuren Gebühren zu ersparen. 300 Euro monatlich sind viel Geld für jemand, der später im oft mager bezahlten Sozialbereich arbeiten möchte. Der Beruf Theatertherapeut ist staatlich nicht anerkannt.

Kranken Menschen zeigen, was sie für Ressourcen haben, das ist der Ansatz der Kunst- und der Theatertherapie, erklärte Professorin Roswitha Bader. „Ich kann nicht malen“, das höre ein Therapeut oft. Aber darum gehe es nicht, sondern dass sich jemand gestalterisch äußere. Bader: „Man kann mit jedem Menschen künstlerisch arbeiten.“ Patienten mit psychischen oder psychosomatischen Krankheiten, zum Beispiel Essstörungen, könnten über die künstlerische Arbeit wieder ihr Gleichgewicht finden. Das fanden die EZ-Leser und -Leserinnen einleuchtend, aber wie Theatertherapie funktioniert, konnten sich wenige vorstellen. Zum Beispiel, so Juncker, könne jemand, der oft in Streit gerate, seine Rolle von jemand anders spielen lassen, um so den Mechanismus zu erkennen. „Ästhetische Distanz“, nennt das der Fachmann. Dass schon einfache Übungen wirken, erfuhr die Reisegruppe am eigenen Leib. In der großen Runde machte jeder eine einfache Bewegung mit Hand, Kopf oder Fuß, die der Rest nachmachte. „Sehen Sie, jetzt sind alle entspannt und lächeln“, stellte Johannes Juncker am Ende des Spiels fest.

Die Informationsfahrt nach Denkendorf, Plochingen und Nürtingen war anstrengend, insbesondere für die erste Gruppe an einem heißen Nachmittag. Aber in Esslingen stiegen zufriedene Teilnehmer aus, denn sie hatten viele neue Eindrücke gewonnen. Der Erfolg der Kreisrundfahrt ist seit vielen Jahren auch der Offenheit und Neugier der EZ-Leser und -Leserinnen zu verdanken. Außerdem dem Organisationstalent von Andrea Nohe vom Landratsamt Esslingen, die zusammen mit Sarah Panten vom Amt für Kultur die Reisegruppen begleitete.