Heinrich Baumann ist bis 2020 wiedergewählt worden. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Christian Dörmann

Die erste offizielle Städtepartnerschaft zwischen einer deutschen und einer indischen Kommune ist unter Dach und Fach. Tatsächlich haben Esslingen und Coimbatore gestern Geschichte geschrieben, als Oberbürgermeister Jürgen Zieger und sein indischer Amtskollege Thiru P. Rajkumar im Alten Rathaus die Partnerschaftsurkunde unterschrieben. Dass diese Liaison von der indischen Regierung anerkannt wird, macht sie so einzigartig. Freundschaftliche Verbindungen zwischen deutschen und indischen Städten gibt es durchaus, etwa die zwischen Stuttgart und Mumbai. Sie basieren allerdings auf einem Freundschaftsvertrag und nicht auf einem offiziellen Partnerschaftsdokument.

Auch zwischen Esslingen und Coimbatore gab es bisher einen solchen Freundschaftsvertrag, denn der Weg zum eigentlichen Ziel war lang: Schon im Sommer 2008 sind die ersten Kontakte zu der 1,8 Millionen-Stadt im Bundesstaat Tamil Nadu geknüpft worden. Doch alle zunächst von der indischen Regierung aufgebauten Hürden spielten gestern keine Rolle mehr, als die Unterschriften unter das Partnerschaftsdokument gesetzt wurden. Begleitet übrigens von Delegationen aus Esslingens ältester Partnerstadt Vienne in Frankreich und der jüngsten Verbindung mit Piotrkow Trybunalski in Polen.

„Weltoffenheit und Toleranz“

Die Partnerschaft mit Coimbatore stehe einerseits für Völkerverständigung im traditionellen Sinne, für gegenseitige Achtung und Respekt der unterschiedlichen Kulturen und Religionen, erklärte Oberbürgermeister Jürgen Zieger vor den Freunden aus Indien und vielen Gästen des öffentlichen Lebens im Alten Rathaus. Andererseits würden die Kontakte den Menschen in beiden Städten die Möglichkeit bieten, den Blick zu schärfen für die Anforderungen und Zusammenhänge in einer eng miteinander verflochtenen Welt. Zieger: „Weltoffenheit und Toleranz gehören zur Tradition unserer Stadt. Dies lässt sich in der kommunalen Außenpolitik der Stadt ebenso ablesen wie in ihrer Integrationspolitik.“ Eine Zusammenarbeit im Rahmen einer Nord-Süd-Partnerschaft sei die konsequente Fortsetzung dieser Politik.

Für Coimbatores Bürgermeister Thiru P. Rajkumar wird der gestrige Tag als der wichtigste Tag in die Geschichte der Municipal Corporation der Stadt Coimbatore eingehen. „Für uns ist Esslingen besonders, weil dies die erste Partnerstadt der Stadt Coimbatore ist. Sie werden für uns immer die erste Partnerstadt bleiben und daher von besonderer Bedeutung sein“, betonte Rajkumar. Die Unterzeichnung der Vereinbarung sei die Geburt einer neuen Ära. Der Bürgermeister: „Wir umarmen diesen neuen Tag und wir verpflichten uns voll und ganz zu dieser Vereinbarung, damit wir zurückschauen können und feststellen, dass diese Partnerschaft eine tiefe Auswirkung auf das Leben von unseren Bürgern hat.“

G. D. Rajkumar von der Partnerschaftsorganisation Esslingen-Coimbatore (ESSCOM) erinnerte an seinen Großvater, der vor nunmehr fast 76 Jahren die ersten Kontakte zur Festo-Familie Stoll geknüpft hatte. Das Verhältnis sei stets durch Vertrauen, Offenheit und Ehrlichkeit geprägt gewesen. In diesem Sinne wünscht sich G. D. Rajkumar auch im Namen seines Vaters G. D. Gopal, der sich sehr für die Partnerschaft eingesetzt hat, dass der Geist aus den Anfangszeiten auch die neue Partnerschaft beherrscht. Neben vielen anderen, die letztlich zum Gelingen der offiziellen Verbindung beigetragen haben, hob Rajkumar den ehemaligen Esslinger Stadtrat und leitenden Festo-Mitarbeiter Lothar Müller hervor. Der habe einfach gesagt „Wir machen das“ und stets für den Erfolg gearbeitet.

Seit fast einer Woche ist die Delegation aus Coimbatore mit Vertretern der Regierung und der Stadt zu Gast in Esslingen. Auf dem Besuchsprogramm standen neben Besuchen im Georgii-Gymnasium und in der Zollberg-Realschule, die bereits eine Schulpartnerschaft mit einer Schule in Coimbatore pflegt, verschiedene Besichtigungen. So ging es etwa zur Müllverbrennungsanlage nach Stuttgart-Münster und zur Bodenseewasserversorgung in Sipplingen.

Das große Fest erleben

Informationen über die Esslinger Klimaschutzziele und ein Besuch der Hochschule Esslingen, die ebenfalls Kontakte nach Coimbatore aufgebaut hat, waren weitere Teile des Programms. Und gestern nach der offiziellen Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde ging es dann eher um das Leben in der Stadt. Die Gäste waren beim Schwörtag zum Auftakt des Esslinger Bürgerfestes dabei und heute sollen sie das große Stadtfest ganz ungezwungen erleben.

eine indische stadt mit zukunftsvisionen

Millionenstadt: Coimbatore liegt im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu und zählt etwa 1,8 Millionen Einwohner. Die Stadt ist ein wichtiger Industriestandort und wird in Indien gern auch als „Manchester des Südens“ mit großen Wachstumsaussichten bezeichnet. Coimbatore ist für seine Textil- und Automobilzulieferindustrie bekannt. Neuerdings hat die südindische Stadt aber auch ihre Bedeutung als Standort einer starken Softwareindustrie deutlich ausgebaut.

Alte Freundschaft: Seit nunmehr fünf Jahrzehnten ist das Esslinger Unternehmen Festo in Indien aktiv und schon seit 75 Jahren besteht eine Freundschaft mit der Familie des Unternehmers G. D. Rajkumar in Coimbatore und der Festo-Familie Stoll. Als junger Mann hat Rajkumar sechs Jahre lang sowohl bei Festo als auch bei der Firma Weiler bei Herzogenaurach gearbeitet und dabei das duale Ausbildungssystem in Deutschland kennen und schätzen gelernt. Seine Erfahrungen hat der Unternehmer längst in einem von ihm gegründeten Ausbildungszentrum (Gedee Technical Training Institute) praktisch umgesetzt. Seit de m Jahr 2010 betreibt die Firma Festo das Gedee Festo Mechatronic Centre in Coimbatore. Gemeinsam mit seinem Vater G. D. Gopal gehört G. D. Rajkumar zu den Motoren der Städtepartnerschaft zwischen Coimbatore und Esslingen. G. D. Gopal ist auch Präsident der Partnerschaftsorganisation Esslingen-Coimbatore (ESSCOM).

Große Ziele: Stadtverwaltung und Gemeinderat wollen Coimbatore zu einer grünen und slumfreien Stadt machen. Als einzige Stadt im Bundesstaat Tamil Nadu erhält Coimbatore eine staatliche Förderung zur Nutzung der Sonnenenergie. Und Dank eines von der EU geförderten Projektes hat man in einem der 100 Stadtbezirke mit der Mülltrennung begonnen. Zudem wurde Coimbatore als eine von hundert indischen Städten für die „Smart-City-Initiative“ ausgewählt.

Partnerstädte: Eine der ältesten Esslinger Partnerschaften, nämlich die mit Neath and Port Talbot in Wales (1958), ist von walisischer Seite aufgekündigt worden. Es bestehen Partnerschaften zu Vienne, Frankreich (1958); Udine/Friaul in Italien (1959); Norrköping, Schweden (1964); Schiedam, Niederlande (1964); Sheboygan, Wisconsin, USA (1967); Velenje, Slowenien (1970); Molodetschno, Weißrussland (1987); Eger, Ungarn (1991);

Piotrkow Trybunalski, Polen (1992).