Wer sein Leben liebt, der schiebt. Hans Wahl wartet, bis die Kreuzung Aufstiegstraße/Am Ziegelbrunnen frei ist und steigt erst auf der anderen Straßenseite wieder aufs Rad. Andere schneiden die Verkehrsinsel einfach auf der falschen Fahrbahnseite ab. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Der Esslinger Stadtteil Berkheim,um den es im heutigen Teil unserer Mobilitätsserie geht, liegt ausgesprochen verkehrsgünstig. Gut, wenn man auf vier Rädern unterwegs ist.

ES-BerkheimSchnell auf der Bundesstraße, schnell auf der Autobahn, schnell unten in der Stadt – aber nur, wenn der Verkehr auf der Aufstiegsstraße und ihrer Fortsetzung über die Filder nicht gerade wieder einnmal zum Erliegen gekommen ist. Und wenn die Bauarbeiten am Festo-Knoten und der Nellinger Linde endlich vorbei sind: Der Esslinger Stadtteil Berkheim liegt ideal für all diejenigen, die im Großraum Stuttgart arbeiten, aber noch in eher dörflichen Strukturen mit einem regen Vereinsleben wohnen möchten – und ein Auto haben.

Denn damit ist man nach wie vor am flexibelsten. Aber mit dem 113er und dem 138er verbinden auch zwei Buslinien Berkheim mit der Stadt und weiteren Stadtteilen – mit denen zumindest die Teilnehmer an unserer Umfrage (vgl. nächste Seite) sehr zufrieden sind. „Wobei der 138er eher ein Schulbus ist“, so Aglaia Handler, Vorsitzende des Bürgerausschusses Berkheim. „Ich finde es gut, dass man auf unterschiedliche Strecken in die Stadt kommt. Dennoch gibt es beim ÖPNV bei uns noch Luft nach oben.“ Auch der größte Arbeitgeber vor Ort, der Global Player Festo, sei nicht optimal an den Bus angeschlossen. Aber die Firma biete ihren Mitarbeitern immerhin einen privaten Shuttle zur Stadtbahn-Haltestelle ins benachbarte Nellingen. „So einen Anschluss an die Stadtbahn wünschen sich auch viele Berkheimerinnen und Berkheimer, die nicht bei Festo arbeiten.“

Zudem gibt es einige Straßenzüge, deren Anwohner doch eine längere Wegstrecke zur nächsten Bushaltestelle haben. Nicht zuletzt deshalb wollte der Berkheimer SPD-Stadtrat Richard Kramartschik vor Kurzem vom zuständigen Dezernenten im Rathaus wissen, ob man nicht das Gewerbegebiet Ost und die Sportplätze des TSV Berkheim in die Buslinienführung einbinden könnte. Die endet derzeit am Hallen-Freibad. In seinem Antwortschreiben stellte der zuständige Mitarbeiter Fabian Dobeschinsky Kramartschik immerhin in Aussicht, dass der Städtische Verkehrsbetrieb die Voraussetzungen dafür im Rahmen seiner für 2019 geplanten neuen Angebotskonzeption überprüfen werde. Da das Gebiet mehr als 300 Meter von der nächsten Bushaltestelle entfernt liege, käme es grundsätzlich für eine Netz-Erweiterung in Betracht. Allerdings müssten die Straßen breit und die Nachfrage groß genug dafür sein. „Gerade, weil in Berkheim die Wege für ältere Menschen oder Kinder weit sein können, ist es für die Fußgänger enorm wichtig, dass der Steg am Zentrum erhalten bleibt“, gibt Aglaia Handler das wieder, was vielen im Stadtteil auf dem Herzen liegt. Er sei eine schnelle und gefahrlose, wenn auch nicht ganz barrierefreie Verbindung aus den südlichen Ortskern ins Zentrum und in Richtung Kronenstraße und Schule.

„Verkehrssicherheit gewährleistet“

Aber auch die Autofahrer sind in Berkheim nicht immer glücklich. Wer im Lebensmittelmarkt im Gemeindezentrum einkaufen will, tut sich schwer mit einem Parkplatz. Und der Straßenbelag lässt wie in anderen Esslinger Stadtteilen auch in Berkheim an manchen Stellen schwer zu wünschen übrig. Dennoch sieht dessen stellvertretender Leiter Thomas Feiert derzeit keinen akuten Handlungsbedarf: „Die Verkehrssicherheit ist überall gewährleistet.“ Einen guten Teil dazu beigetragen hat die Tatsache, dass die gefährlichen Bodenwellen im Einmündungsbereich der Straße Am Ziegelbrunnen in die Aufstiegsstraße seit ein paar Monaten eingeebnet sind – dem Einsatz von Bürgerausschuss und den Gemeinderatsfraktionen von CDU und SPD sei Dank.

Vor dem Handels- und Dienstleistungszentrum in der Köngener Straße will sich das Tiefbauamt an anstehende Leitungsarbeiten der Stadtwerke anhängen, da sei man jetzt in der Ausschreibung, berichtete Feiert jüngst auf der Einwohnerversammlung im Stadtteil. In diesem Zusammenhang werde auch die Bushaltestelle barrierefrei gestaltet. Etwas tun will die Stadt auch auf dem Parkplatz am Waldheim. Den hätte sie gerne noch vor den zahlreichen Jubiläumsveranstaltungen in Ordnung gebracht, die im nächsten Jahr anstehen. Allerdings müsse es sich angesichts der aufgeheizten Baupreise zeigen, was die Ausschreibung bringe, so Feiert. Nach wie vor ungewiss ist die Frage, wann der dritte Bauabschnitt in der Kronenstraße über die Bühne gehen wird. Hier will das Tiefbauamt noch in diesem Jahr Proben ziehen, um überhaupt einmal mögliche Kosten ermitteln zu können.

Wer in Berkheim Fahrrad fahren will, braucht Mut. Jedenfalls dann, wenn er nicht durch die Felder im Süden strampelt, sondern im Ortskern unterwegs ist oder – noch schlimmer – auf zwei Rädern vom Neckartal nach Berkheim hochschnauft. Das sagt zum Beispiel Hans Wahl, ehemaliger Daimler-Elektromeister, der seit seiner Pensionierung 150 000 Kilometer auf dem Sattel verbracht hat und regelmäßig zwischen Berg und Tal unterwegs ist. Der Weg über die Hammerschmiede ist ihm zu steil. Also fährt er wir viele andere Radler auf dem einzigen Gehweg entlang der Aufstiegstraße hoch, der für Fußgänger und Radler ausgewiesen ist. Bergauf hinterlässt die Beschilderung die Radler dann aber an der Einmündung Aufstiegstraße/Am Ziegelbrunnen im Stich. Der letzte Hinweis für Pedaleure nach Berkheim zeigt nach links: Doch darf man auch Am Ziegelbrunnen noch auf dem Gehweg bleiben? Manche tun es, andere schneiden an der gefährlichen Kreuzung die Runde um die Verkehrsinsel einfach auf der Gegenfahrbahn ab. Wahl schiebt sein Rad über besagte Insel, um dann auf der anderen Straßenseite weiter bergauf Richtung Ortsmitte zu radeln. Bergab ist es auch nicht besser. Am Ziegelbrunnen stehen regelmäßig Autos auf den Parkbuchten, die zur Hälfte auf dem Gehweg eingezeichnet sind, und die Wahl auf der stark befahrenen Straße mühsam umkurvt. Hier wäre ein Fahrradstreifen statt der Parkplätze viel besser“, findet er.

Zukunftsmusik

Und der Anschluss der Radverbindung an die Adenauerbrücke sei auch alles andere als radfreundlich. Die Stadt hatte wegen der Pedaleure ja das Brückengeländer mit Plastikbauteilen erhöht – aber aus seiner Sicht auf der falschen Brückenseite. Weshalb die Radler deutlich mehr Ampeln überwinden müssten als auf der anderen Brückenseite. Jedenfalls dort wird sich irgendwann etwas tun. Schließlich muss die Brücke saniert werden. Und wenn diese Kreuzung als letzter aller Knoten zwischen B10 und A8 ausgebaut wird, sehen die Planungen laut Baubürgermeister Wilfried Wallbrecht dort auch einen kombinierten Fußgänger- und Radsteg vor.