Ingo Rust, Finanzbürgermeister der Stadt Esslingen, Andreas Koch, Fraktionsvorsitzender der SPD-Fraktion im Gemeinderat, Yvonne Tröger, Max Czipf, Regina Rapp, Daniela Viezens bei der traditonellen Hocketse der SPD (von links). Foto: Weber-Obrock - Weber-Obrock

Präsenz zeigen, politisch Position beziehen und den Kontakt zur Basis suchen – das waren auch beim 58. Mal die Ziele, die das Lammgartenfest prägten.

EsslingenFrühmorgens um 11 Uhr geht es beim Lammgartenfest der Esslinger SPD noch geruhsam zu. Die Weißwürste sind im Topf, nach und nach bringen die Kuchenbäckerinnen ihre Kunstwerke vorbei, und die Probleme mit der Elektrik harren einer baldigen Lösung. Dorothee Krämer gehört zu den rund 40 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, die auf dem Fest im Einsatz sind. „Wir sind auch hier, damit die Leute ihre Fragen direkt an uns äußern können“, bringt sie den Anspruch auf Bürgernähe, der das Lammgartenfest prägt, auf den Punkt.

Daniel Blank, der sich ehrenamtlich als Geschäftsführer der Esslinger Gemeinderatsfraktion engagiert, kann das nur bestätigen. „Wir wollen ein offenes Ohr für die Probleme der Menschen haben“, sagt er. Präsenz zeigen, politisch Position beziehen und den Kontakt zur Basis suchen, diese Ziele prägten auch in diesem Jahr die Hocketse, die die sozialdemokratische Volkspartei zum 58. Mal im ehemaligen Garten der Brauerei Lamm in Oberesslingen veranstaltete. 400 Bürger haben in Esslingen ein SPD- Parteibuch. Auf die lange Tradition des Festes verwies Matthias Schröer, der stellvertretende Vorsitzende der Esslinger SPD, in seiner Einführung. Sein Dank galt den ehrenamtlichen, oft schon jahrzehntelang tätigen Helferinnen und Helferin, ohne die das Fest nicht zu stemmen wäre. Darunter ist auch Edith Glauflügel. „Auf meinem Parteibuch von 1984 steht, dass ich von Willi Brand selbst geworben worden bin.“ Trotz wechselhaftem Wetter war das Fest nicht nur ein beliebter Treffpunkt von SPD-Senioren, sondern auch von Familien und Zufallsgästen aus Oberesslingen. Der SPD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Drexler war eingeladen, die zentrale Rede zu halten. Im Vorfeld sprach er mit der EZ über den Ursprung des Festes. Oberesslingen sei immer ein starker Standort der Sozialdemokratie gewesen. Nach dem zweiten Weltkrieg hätten hier viele SPD-Anhänger aus dem Sudetenland eine neue Heimat gefunden und ihre Festtradition im Lammgarten wieder aufleben lassen. „Damals hat die Stadt es geschafft, in kürzester Zeit Wohnraum für 30 000 Neubürger zu schaffen“, schlug er die Brücke zu den Inhalten seiner Rede, die sich auf Wohnungsbau, Verkehr und Bildung in Esslingen konzentrierte. Dezidiert mischte er sich in die öffentliche Diskussion ein, indem er eine gymnasiale Oberstufe an den Esslinger Gemeinschaftsschulen forderte. Trotz vieler Umleitungen liegt für ihn verkehrspolitisch nicht alles im Argen.

Lobend äußerte sich Drexler über die wachsende Elektromobilität im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs. Sich streitbar in öffentliche Belange einmischen, das war auch ein Anliegen der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF). Mit ihrer Cocktailbar bezogen sie Position zum Thema der ungleichen Bezahlung der Geschlechter. „Um auf die Lohnlücke und den „Gender Pension Gap“, den Unterschied bei den Renten, hinzuweisen, haben wir uns etwas ganz Besonderes ausgedacht“, erläuterte die ASF-Vorsitzende Regina Rapp. Ihr kleiner Geniestreich betraf den Sektausschank, bei dem Frauen entweder 21 Prozent mehr Sekt ins Glas bekamen, oder 21 Prozent weniger bezahlen mussten. „Der Frauenanteil in Landtag und Bundestag ist noch immer viel zu gering“, fand Regina Rapp. Elisabeth Nill war die erste weibliche Abgeordnete aus dem Landkreis Esslingen und eine der ersten weiblichen Abgeordneten überhaupt im Stuttgarter Landtag. „Ich bin seit 1965 Mitglied der SPD. Sie ist mein Leben“, sagt die 1932 geborene Politikerin, die zunächst dem Team von Erhard Eppler angehörte. Die Situation der SPD und der anderen Volksparteien sieht sie besonders auf Bundesebene mit Sorge. Die Öffentlichkeit nehme ihre intensive Arbeit in zu geringem Maße wahr. „Ganz dringend bräuchten wir eine Politik, die sich der Zähmung des Kapitalismus widmet“, ergänzte sie. Menschen müssten Arbeitsbedingungen haben, die es ihnen erlauben, sich wieder politisch einzubringen.