Quelle: Unbekannt

Von Paul Magino, Dekan des Dekanates Esslingen-Nürtingen

Der ausgestreckte Zeigefinger ist sein Kennzeichen. Zahlreiche Bauernregeln sind mit seinem Tag verbunden. Bibel und Koran reden von ihm. In der Rangliste der beliebtesten Vornamen steht er an Stelle 25. Heute ist Johannestag. Er ist kein bequemer Mensch, dieser Johannes der Täufer. Mir gefällt an ihm, dass er so konsequent ist, ein Mann der klaren Worte, des geraden Weges.

„Was sollen wir tun?“, fragen ihn die Menschen. In Scharen kommen sie zu ihm an den Jordan, hören seinen radikalen Ruf zur Umkehr, lassen sich von ihm taufen. Er antwortet, dass sie helfen sollen, wo es nötig ist. Den einen fehlt es an Kleidung, andere brauchen etwas zu essen und zu trinken. Sie sollen nicht mehr beanspruchen, als ihnen zusteht. Misshandlung und Gewaltanwendung schließt Johannes aus.

„Was sollen wir tun?“ Das ist auch heute noch die Frage. Weltweit geht die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander. Armut, vor allem Kinderarmut, wird auch in unserem Land immer größer. Die Antworten des Johannes sind nicht überholt. Seine Worte sind auch heute Impulse für Finanz- und Wirtschaftsfragen, nicht als Rezepte und Lösungen, vielmehr als Orientierung und Maßstab. Nur ein Umsteuern, ein bewusst auf Ausgleich ausgerichteter Lebensstil der Besitzenden kann die Ungerechtigkeiten ändern. Gerechtigkeit, Menschenrechte und Frieden sind heute noch große Aufgaben.

Mich beeindruckt die Darstellung Johannes des Täufers auf dem Isenheimer Altar in Colmar. Die aufgeschlagene Bibel hält er in seiner linken Hand. Mit dem ausgestreckten Zeigefinger der rechten Hand weist er hin auf Jesus am Kreuz. Über ihm steht geschrieben: „Er muss wachsen, ich aber abnehmen.“ Johannes versteht sich als Wegbereiter für Jesus. Er weist auf ihn hin. In den prophetischen Worten des Johannes klingt an, was Jesus dann lebt.

Auch darin ist Johannes für mich ein Vorbild: mit wachen Augen die Nöte der Menschen sehen, auf die Kraft vertrauen, die in ihnen steckt, helfen, wo Hilfe gebraucht wird, dazwischen gehen, wo Gewalt geschieht. Solches will ich tun, und doch fällt es mir oft so schwer.

Johannes bedeutet: „Gott ist gnädig“, er kommt auf die Menschen zu. Der Geburtstag des Johannes ist zur Sommersonnwende, der Geburtstag Jesu in der Zeit der Wintersonnwende. An beiden Wendepunkten beginnt Neues. Beide laden uns ein, umzukehren, für das Leben aller einzutreten, Neues zu wagen.