Endlich dürfen auch die Frauen wählen, und so zieht es sie im Jahr 1919 in Scharen zu den Wahllokalen. Sie wollen mitbestimmen und sich an der Politik ebenso beteiligen, wie die Männer. Foto: AdsD/Friedrich-Ebert-Stiftung/dp - AdsD/Friedrich-Ebert-Stiftung/dpa

In diesem Jahr wird nicht nur 100 Jahre Frauenwahlrecht gefeiert. Auch die Gründung der Volkshochschule jährt sich zum hundertsten Mal. Die Frauengeschichtswerkstatt hat dem Doppeljubiläum ein Buch gewidmet.

Esslingen Bildung und die politische Teilhabe von Frauen sind eng miteinander verknüpft. Das zeigt sich auch in Esslingen, wo im Mai 1919 mit Anna Grün die erste Frau in den Gemeinderat eingezogen ist. Wenige Monate später wurde die Volkshochschule gegründet. „Die zeitliche Übereinstimmung ist zwar eher zufällig“, sagt Gudrun Silberzahn-Jandt, Leiterin der Frauengeschichtswerkstatt. „Es sind zum Teil aber die gleichen Akteurinnen, die sich für das Frauenwahlrecht und die Gründung der Volkshochschule stark gemacht haben“, erklärt die promovierte Kulturwissenschaftlerin.

Die Frage nach den historischen Verbindungslinien stand am Anfang des jüngsten Projekts der Frauengeschichtswerkstatt. In ihrem neuen Buch „WeiblichES – Wählen & Wissen“, das bei den Frauenwochen präsentiert wird, geht der Blick der aber nicht nur zurück ins Jahr 1919. „Wir haben auch geschaut, was davor war. Denn ohne den Ersten Weltkrieg hätte es das Frauenwahlrecht schon viel

früher gegeben.“ So berichtet die Frauengeschichtswerkstatt auch über die Rolle der Frauen in der Französischen Revolution sowie die Suffragetten und Suffragisten in Großbritannien und wirft einen Blick nach Italien. In dem Buch zum Doppeljubiläum geht es aber nicht nur um die Historie. Die zwölf Autorinnen schlagen einen Bogen in die Gegenwart, porträtieren Esslingerinnen, die heute politisch aktiv sind, und zeichnen die Entwicklung der Volkshochschule nach.

Beim Kampf ums Frauenwahlrecht standen die Esslinger Frauen zwar nicht an vorderster Front. „Esslingen war Provinz und stand im Windschatten von Stuttgart“, sagt Gudrun Silberzahn-Jandt. „Aber hier saßen definitiv keine Schlafmützen“, unterstreicht sie. „Denn andere Städte in der Größe Esslingens standen beim Thema Frauenwahlrecht auch nicht vorne dran.“ Am 21. November 1918, und somit erst nach der gesetzlichen Einführung des Frauenstimmrechts, rufen prominente Esslingerinnen in der Eßlinger Zeitung zur Gründung eines Vereins für Frauenstimmrecht auf. „Die Frauen, die den Aufruf unterzeichnet haben, haben selbst auf politischer oder sozialer Ebene gearbeitet“, erklärt die Leiterin der Frauengeschichtswerkstatt. „Oder aber ihre Väter und Männer waren politisch aktiv.“ So gehört unter anderem Elisabeth Mülberger, OB-Gattin und Leiterin der Ortsgruppe des Nationalen Frauendienstes, zu den Unterzeichnerinnen. Doch haben sich nicht nur Frauen aus dem bürgerlichen Lager für das Wahlrecht stark gemacht. „Weil Esslingen damals doch recht klein war, ging das Engagement über alle Milieus hinweg.“ Bei der Gründungsversammlung in Kugels Saal treten sofort 120 Mitglieder in den Verein für Frauenstimmrecht ein. Die ersten Wahlen mit Frauenbeteiligung gehen in Württemberg am 12. Januar 1919 über die Bühne. Die Wahlbeteiligung liegt bei 90,9 Prozent, haben die Autorinnen des Buchs „Wählen und Wissen“ herausgefunden. Von den 150 Abgeordneten, die in den württembergischen Landtag einziehen, sind 13 weiblichen Geschlechts. Eine der ersten Landtagsabgeordneten kommt übrigens aus Esslingen. Maria Keinath, die für die DDP ein Mandat geholt hat, ist zudem die jüngste Abgeordnete im Landtag.

Bei der Wahl des Esslinger Gemeinderats im Mai 1919 stellen sich 16 Kandidatinnen zur Wahl. Dass mit Anna Grün, die sich in der Stadt unter anderem als Vorsitzende des Deutsch-Evangelischen Frauenbundes einen Namen gemacht hat, aber nur eine Frau ins Stadtparlament einzieht, kommentiert die Eßlinger Zeitung am 14. Mai 1919 so: „Man kann daraus schließen, dass die meisten Wählerinnen keinen besonderen Nachdruck darauf legen, durch eine Geschlechtsgenossin im Rat der Stadt vertreten zu sein.“ Vielleicht seien sie auch noch nicht tief genug in die Geheimnisse des Kummulierens eingedrungen. „Oder sie finden es ganz in Ordnung, daß auch künftig Männer die Verantwortung für das Wohl und Wehe der Stadt tragen.“ Nachdem Anna Grün 1931 ihr Amt als Gemeinderätin aufgegeben hat, soll es übrigens 20 Jahre dauern, bis wieder eine Frau in den Esslinger Gemeinderat gewählt wird.

Zur Veranstaltung

Unter dem Motto „Was Frauen stark macht“ laden die Frauengeschichtswerkstatt, die Volkshochschule und das Referat für Chancengleichheit am Mittwoch, 13. März, zu einem Abend rund ums Frauenwahlrecht und die Gründung der Volkshochschule. Die Frauengeschichtswerkstatt präsentiert ihr neues Buch, zu dem das Referat für Chancengleichheit eine Ausstellung zeigt. Zudem wird die Wanderausstellung „Was Frauen stark macht“ eröffnet, in der das Leben der ersten First Lady der Bundesrepublik, Elly Heuss-Knapp, beleuchtet wird. Beginn ist um 18.30 Uhr im Foyer der Volkshochschule in der Mettinger Straße 125.