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Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge wird 100 Jahre alt, und Georg Auffarth als Ortsbeauftragter für Esslingen äußert sich zur Tradition, zu Verständigung und Unverständnis.

EsslingenDie Suche nach Gefallenen. Die Identifizierung Vermisster. Das Anlegen und die Pflege von Soldatengräbern. Aufgaben des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Auch noch 74 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs? „Die Arbeit wird immer wichtig sein und immer ihre Berechtigung haben“, erklärt Georg Auffarth, und der Ortsbeauftragte für Esslingen verweist auf das 100-jährige Jubiläum des 1919 gegründeten Volksbundes und seine in dieser Zeit erzielten Leistungen. Finanziert wird die Arbeit zu 30 Prozent von der Bundesregierung, zu 70 Prozent durch Beiträge, Spenden, Erbschaften und Erträge aus der Haus- und Straßensammlung, die am Samstag, 16. November, um 10.30 Uhr am Marktplatz und in der Esslinger Innenstadt beginnt.

Viel getan. Viel zu tun. Nach Kriegsende wurden 400 Kriegsgräberstätten in der Bundesrepublik angelegt, und in Europa und Nordafrika betreut der Volksbund laut Georg Auffarth 832 Kriegsgräberstätten in 46 Staaten mit etwa 2,8 Millionen Kriegstoten. In der DDR verboten, machte sich die Organisation nach dem Zusammenbruch des Ostblocks in den ehemaligen Staaten des Warschauer Pakts auf die Suche nach drei Millionen gefallener Deutscher, und „seit 1991 wurden 331 Friedhöfe des Zweiten Weltkriegs und 188 Anlagen aus dem Ersten Weltkrieg in Ost-, Mittel- und Südosteuropa hergerichtet. 934. 411 Kriegstote wurden auf 83 Kriegsgräberstätten umgebettet.“ Viel zu tun. Jährlich erhält der Volksbund laut Georg Auffarth etwa 35. 000 Anfragen nach Vermissten, wobei auf etwa 4,7 Millionen Namen über Gräbern in einer Datenbank zurückgegriffen werden kann. Die umfangreichen Aufgaben werden von etwa 550 hauptamtlichen Mitarbeitern erledigt, insgesamt hatte der Volksbund im Vorjahr 85. 567 Mitglieder, 300. 000 aktive Förderer und über eine Million Gelegenheitsspender. Aber: „Die Zahl der Mitglieder schrumpft gewaltig.“

Vergangenheitsarbeit mit Zukunft? Georg Auffarth verweist auf „unser Menschenbild“, das eine würdige Bestattung von Gefallenen, die „Umbettung auf einen Hof des Friedens“ und die Beendigung der quälenden Ungewissheit vieler Angehöriger beinhalte. Und der 85-Jährige erklärt, dass die vier Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten des Volksbundes jährlich gut 20. 000 Teilnehmer verzeichnen würden, 2017 insgesamt 43 Jugendbegegnungen und Workcamps durchgeführt wurden, und Referenten in den Landesverbänden für Vorträge und Seminararbeit in Schulen und Hochschulen bereit stehen würden. Außerdem werden internationale Begegnungen junger Menschen an den Ruhestätten der Toten ermöglicht. Georg Auffarth: „Der Volksbund ist eine ausschließlich humanitäre Organisation, und er leistet weiterhin Friedensarbeit.“

Friedensarbeit im Zeichen des Krieges. Schließlich, so erklärt auch Georg Auffarth, wurde der Volksbund am 16. Dezember 1919 gegründet - von Offizieren mit nationaler Ausrichtung und dem Glauben an die verheerende Dolchstoßlegende vom militärisch-wirtschaftlich unbesiegten Deutschland, dessen Niederlage im Ersten Weltkrieg allein vermeintlichen inneren Feinden zugeschrieben wird. Und: „1933 unterwarf sich der Volksbund der NS-Regierung, der Trauertag wurde zum Heldengedenktag.“ Allerdings habe sich die Ausrichtung mit der Neugründung 1949 gewandelt: „1954 beauftragte uns die Bundesregierung, Soldatengräber im Ausland zu suchen, zu sichern und zu pflegen.“ Die Arbeit des Volksbunds und der Volkstrauertag gelten nicht nur „den Gefallenen, sondern schließt alle Toten von Gewaltherrschaft, Vertreibung und politischer Verfolgung, also auch Zivilpersonen, mit ein.“ Dazu zählen laut Georg Auffarth aktuell auch die auf ihren gefährlichen Wegen zu Tode gekommenen Flüchtlinge. Und Internationalität sei bei der Arbeit des Volksbundes auch durch die Begegnung vieler Nationen bei der Gräberarbeit gewährleistet. Das Fazit von Georg Auffarth: „Kriegsgräber sind Mahnmale für den Frieden, gegen Gleichgültigkeit und das Vergessen.“ Und er zitiert EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: „Wer an Europa zweifelt, wer an Europa verzweifelt, der sollte Soldatenfriedhöfe besuchen.“