Quelle: Unbekannt

Von Dagmar Weinberg

Exakt 8232 Kilometer liegen zwischen Esslingen und Sheboygan. Nicht gerade der nächste Weg, um partnerschaftliche Kontakte zu pflegen. Schon gar nicht vor einem halben Jahrhundert, als man noch Briefe statt E-Mails oder WhatsApps schrieb und es nicht selbstverständlich war, mal eben so über den großen Teich zu jetten. Die große Distanz schreckte aber weder die Bürgerinnen und Bürger der Neckarstadt noch die Einwohnerinnen und Einwohner in Sheboygan ab. Im May 1967 votierte der Esslinger Gemeinderat einstimmig dafür, sich mit der im amerikanischen Bundesstaat Wisconsin gelegenen Stadt partnerschaftlich zu verbandeln. Und die Partnerschaft entwickelte sich prächtig, nicht zuletzt dank des Engagements der Organisation People to People Sheboygan Chapter und des Vereins zur Förderung der partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Esslingen und Sheboygan (VES). Seit Anfang der 1970er-Jahre ist der Schüleraustausch ein fester Bestandteil des Städtebundes. Doch nicht nur Jugendliche knüpften freundschaftliche Banden. Zahlreiche Vereine und Organisationen pflegen ebenso regelmäßige Kontakte wie die Verwaltungschefs der Schwestergemeinden. So reist zur Jubiläumsfeier im Alten Rathaus natürlich auch Sheboygans Bürgermeister Mike Vandersteen mit einer Delegation an. Kaum war vor 50 Jahren in Esslingen der Beschluss zur Verschwisterung mit der amerikanischen Stadt gefasst, wurde im Juli 1967 in der Festhalle der John-F.-Kennedy-Schule der erste „Sheboygan Tag“ gefeiert. „Zu Anfang spielte die Stadtkapelle Esslingen, die sich offensichtlich Mühe gab, diese neue deutsch-amerikanische Städtefreundschaft auch musikalisch zu untermalen, indem sie nicht nur auf bewährte deutsche Musikstücke zurückgriff, sondern sich auch in amerikanischer Tonkunst mit Erfolg versuchte“, berichtete die Eßlinger Zeitung über den Festabend. Dann betrat „unter lebhaftem Beifall“ Mrs. Sylvia Weber das Podium. Die Vertreterin der Sheboyganer Organisation People to People, vom EZ-Reporter als „reizende Amerikanerin“ beschrieben, überreichte dem damaligen Oberbürgermeister Eberhard Klapproth neben der US-Fahne und einer Flagge des US-Staates Wisconsin den Stadtschlüssel von Sheboygan - „um das Vertrauen zu versiegeln“. Die Freundschaft zwischen den beiden Städten „hat offiziell begonnen und wartet jetzt nur noch auf die Menschen, die den gestern gesteckten Rahmen beleben“, resümierte der Berichterstatter.

„Gemuetlich Willkommen“

In Sheboygan musste man nicht lange auf sie warten. Im August 1968 machten sich, angeführt vom damaligen stellvertretenden Bürgermeister Hans Hummel, 72 Esslingerinnen und Esslinger auf den Weg, um die transatlantische Freundschaft zu festigen. „Gemuetlich Willkommen For Esslingen Visitors“ titelte die Sheboygan Press am 10. August und berichtete ausführlich über die Ankunft der „müden Reisenden“, die nach einer zehnstündigen Fahrt von Detroit nach Sheboygan in der Schwestergemeinde aus dem Bus stiegen. Ihre Beine seien zwar müde, die Hände aber ruhig gewesen, hieß es in der Zeitung. Und in denen hielten die Gäste aus Esslingen „dutzende Leica und Voigtländer Kameras, mit denen sie ihre ersten Eindrücke festhielten“.

Auch wenn die meisten Esslingerinnen und Esslinger damals kein flüssiges Englisch sprachen, klappte es mit der Verständigung. Schließlich haben viele Sheboyganer deutsche Wurzeln - wovon nicht zuletzt der weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Bratwursttag zeugt. So hatten die meisten Gastfamilien zumindest einige Redewendungen aufpoliert, „die sie von ihren Großvätern kannten“, berichtete die Sheboygan Press. Oder die Kinder, die in der Schule Deutsch lernten, halfen ihren Eltern beim Übersetzen.„Eben weil es persönliche Verbindungen in die Heimat ihrer Vorfahren gab, war in beiden Städten aus der Bürgerschaft heraus der Wunsch aufgekommen, diese Kontakte doch zum Aufbau einer Städtepartnerschaft zu nutzen“, erzählt Jutta Fahrion vom Referat für Städtepartnerschaften.

In der amerikanischen Schwestergemeinde begegnet man der deutschen Partnerstadt übrigens nicht nur im „Esslingen Park“. Seit dem vergangenen Jahr wird in Sheboygan das „Esslingen Fest“ gefeiert. Und da gibt es natürlich nicht nur Bier, sondern auch „Onion specialities“, also Zwiebelspezialitäten. Einen besonderen Schatz hütet die Organisation People to People: Sylvia Weber hatte viele Jahre lang alle Gäste aus Esslingen auf einer großen Tischdecke unterschreiben lassen und die Signaturen dann von Hand ausgestickt.

An das 50-jährige Bestehen der Städtepartnerschaft erinnert nun seit gestern ein Ahornbaum, den die Gäste im Merkelpark in die Erde gesetzt haben. Der Zuckerahorn ist offizieller Staatsbaum des Staates Wisconsin.

Das 50-jährige Bestehen der Städtepartnerschaft zwischen Esslingen und Sheboygan wird morgen groß gefeiert. Der Start ist um 18 Uhr im Bürgersaal des Alten Rathauses.

Seit dem vergangenen Jahr wird in Sheboygan ein „Esslingen Fest“ gefeiert, bei dem Zwiebelspezialitäten natürlich nicht fehlen dürfen. Herrliches Wetter hat derweil bei der gestrigen internationalen Pflanzung eines Ahornbaums im Merkelpark für gute Laune gesorgt (Foto rechts). Der Zuckerahorn ist offizieller Staatsbaum von Wisconsin.Fotos: oh/Bulgrin