Der israelische Psychoanalytiker Chezzi Cohen kommt am Sonntag ins Theodor-Rothschild-Haus. Foto: Dietmaier - Dietmaier

Gewalt, Missbrauch, Vernachlässigung oder Kriegserlebnisse haben ihre Seelen verwundet. Der Psychoanalytiker Chezzi Cohen behandelt schwer traumatisierte Kinder mit großem Erfolg.

EsslingenGewalt, Missbrauch, Vernachlässigung oder Kriegserlebnisse haben ihre Seelen schwer verwundet. Im Jerusalem Hills Therapeutic Center finden die schwer traumatisierten Kinder und Jugendlichen, die durch alle sozialen Hilfsnetze gefallen sind, eine neue Heimat. Der Psychoanalytiker Chezzi Cohen hat das Kinderheim, das heute weit über die Grenzen Israels hinaus bekannt ist, aufgebaut. Am Sonntag kommt der inzwischen 85-Jährige auf Einladung der Freunde jüdischer Kultur nach Esslingen.

Sibylle Hauser, die sich als Kinderärztin und Fachärztin für Psychotherapie um Kinder, Jugendliche und Erwachsene kümmert, kennt ihren israelischen Kollegen schon seit einigen Jahren von Fachkongressen. Da sie Mitglied im Esslinger Verein Freunde jüdischer Kultur ist, hatte sie vorgeschlagen, Chezzi Cohen zu einer Veranstaltung nach Esslingen einzuladen. „Denn die Therapie traumatisierter Kinder und Jugendlicher ist hoch aktuell“, sagt die promovierte Medizinerin. „Und Psychotherapie und -analyse gehören ja auch zu unseren Kulturgütern.“ Bevor Chezzi Cohen, der 1932 in Bernburg an der Saale geboren wurde und 1938 mit seinen Eltern nach Palästina emigrieren konnte, im Theodor-Rothschild-Haus über seine Arbeit berichtet, wird der Film „Die zweite Geburt“ gezeigt. „Das Institut, an dem ich damals meine psychotherapeutische Ausbildung gemacht habe, hat den Film initiiert“, erzählt Sibylle Hauser. „Und er ist sehr berührend.“

Durch O-Töne von Psychologen, Lehrern und Erziehern des Jerusalem Hills Therapeutic Centers werden in dem rund 40-minütigen Dokumentarfilm Chezzi Cohens Prinzipien deutlich, und es wird gezeigt, wie sie im Heimalltag umgesetzt werden. „Da er als Kind selbst Entwurzelung erlebt hat, hat er eine andere Sensibilisierung für Traumatisierungen“, sagt Sibylle Hauser.

Alltag als Bestandteil der Therapie

Am Konzept ihres israelischen Kollegen, dessen Großeltern in Theresienstadt ermordet wurden, beeindruckt die Esslinger Ärztin, „dass die Kinder so lange im Heim bleiben können, wie sie wollen und ihre Krankheit dort leben können“. Die Eigenarten der schwer traumatisierten Kinder würden weder bekämpft noch verteufelt. „Jeder, der im Heim arbeitet überlegt, warum das Kind bestimmte Dinge tut und was es damit sagen will.“ So werde der Alltag zum Bestandteil der Therapie. Ganz wichtig sei, dass die Kinder und Jugendlichen nicht unter Erfolgsdruck stehen. „Nicht der Erfolg ist das Ziel, sondern der Prozess der Genesung.“

Dass Chezzi Cohens Konzept greift, belegen die Zahlen. Rund 70 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die einen Teil ihres Lebens im Jerusalem Hills Therapeutic Center verbringen, finden hinterher ihren Platz in der Gemeinschaft. „Hätten sie nicht die Chance bekommen, dort zu leben, wären sie in irgendeiner Einrichtung geblieben oder sogar kriminell geworden“, erklärt Sibylle Hauser.

Der Verein Freunde Kultur Esslingen lädt am Sonntag, 22. April, gemeinsam mit fobi-aktiv, dem Weiterbildungsinstitut der Stiftung Jugendhilfe aktiv, zu einem Abend mit Chezzi Cohen ein. Zunächst wird der Film „Die zweite Geburt“ gezeigt. Anschließend moderiert ein Psychotherapeut, der im Theodor-Rothschild-Haus arbeitet und seine Arbeit kurz vorstellt, das Gespräch mit dem israelischen Psychoanalytiker. Die Veranstaltung beginnt um 18 Uhr im Theodor-Rothschild-Haus in der Mülbergerstraße 146.