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Das Klassenzimmer wird zur Bühne, wenn die WLB zu Besuch ist. In der Herderschule wurde jetzt das Stück „Dickhäuter“ aufgeführt.

EsslingenDas Nashorn ist ein massiges Tier mit riesigem Horn, das keine natürlichen Feinde hat, ein ziemlicher Tollpatsch ist, mit Genuss im Schlamm matscht und mit dem Kopf durch die Wand will. Lou ist ein kleiner Nashornjunge, der neu in die Schulklasse kommt. Seine Mitschüler beobachten ihn mitleidig, verwundert und misstrauisch, weil er so ganz anders ist als sie. Sie beginnen, ihn auszulachen und zu hänseln. „Dickhäuter“ heißt das aktuelle Klassenzimmerstück um Lou und seine Schulkameraden, das die Junge WLB jetzt an der Herderschule zum ersten Mal aufführte.

Fürs Klassenzimmerstück, das genau eine Schulstunde dauert, kommt das Theater an die Schule und besucht die Kinder vor Ort in ihrem Klassenzimmer. Sehr gespannt verfolgten die Herderschüler Lous Geschichte, die sich für Zweit- bis Viertklässler eignet: Anfangs will Lou sich anpassen. Lou möchte doch so gern dazugehören, akzeptiert sein und Teil der Klassengemeinschaft werden, stattdessen wird er in die Rolle des Außenseiters gedrängt. Lou ist unglücklich, nicht einmal sein Lieblingsessen Karotten-Gurken-Äste-Salat oder ein Schlammbad mit seinen Eltern können ihn trösten. Lou will sich ein dickes Fell zulegen gegen die Beleidigungen, Schmähungen und Gemeinheiten der Mitschüler. Als die Klasse ihn immer weiter ausgrenzt, stellt er sogar seine eigene Rolle in Frage und will kein Nashorn mehr sein. Dann rufen auch noch die Eltern in der Schule an, ein Stadtrat meldet sich, und die Schüler holen sich in einer Tiersendung Rat zum Umgang mit Nashörnern.

Viel Platz für die Fantasie

Der Experte freilich gibt fragwürdige Tipps: Ob sich das Nashorn, ein reiner Pflanzenfresser, tatsächlich über ein Leberwurstbrot freut? Und irgendwann beginnt Lou trotzig, sich zu wehren. Das Theaterstück „Dickhäuter“ von Tina Müller, das 2017 mit dem Mülheimer Kinderstücke-Preis ausgezeichnet wurde, zeigt sehr spielerisch das Nashorn als Metapher für das Anderssein in einer Gemeinschaft. „Das Thema ist immer wieder aktuell. Die Form des Andersseins wird offen gelassen, so dass man es auf unterschiedlichste Situationen übertragen kann. Die Geschichte wird aus unterschiedlichen Perspektiven gezeigt.

Und am Schluss gibt es mehrere Versionen, wie die Sache ausgehen könnte“, erläutert Regisseurin Heidrun Warmuth. „Dickhäuter“, das mit einer handfesten Überraschung endet, handelt auch von der Sehnsucht, dazu zu gehören und wie alle anderen einfach „normal“ zu sein. Angesicht all der Eigenarten und Eigenheiten, die jeder hat, können sich da bereits Schüler fragen, was „Normalität“ eigentlich ausmacht und ob es nicht vielmehr darum geht, man selbst zu sein. Egal ob dick, dünn, jung, alt, arm, reich, bekannt, fremd oder Nashorn. Für die Regisseurin ist so ein Klassenzimmerstück eine ganz besondere Herausforderung: „Wir haben kein Bühnenbild, wir können gerade mal das Lehrerpult mit einbeziehen. Man muss mit ganz wenigen Utensilien auskommen. Und wir versuchen, mit diesen ganz einfachen Dingen, die Kinder so zu verzaubern, dass sie für eine Schulstunde in einer anderen Welt sind. Gerade durch die minimale Ausstattung bleibt in diesem Stück viel Platz für die Fantasie der Kinder.“

Die beiden Schauspieler, Matthias Happach und Paulina Pawlik, schlüpfen sehr charmant und mit ganz viel Pep in viele verschiedene Rollen. Sie hüpfen, toben und trampeln durchs Klassenzimmer, sie albern herum, balgen sich auf dem Boden und zanken bis zur schallenden Ohrfeige, sie machen köstliche Geräusche und reden unterschiedlichste Dialekte. Sie singen und musizieren, zwischendrin schlagen sie einen Bogen über den Fortgang der Erzählung – und sie begeistern die Herderschüler bei der Premiere von der ersten Minute an für Lou und seine Geschichte.