Vorsicht, neu: In der Plochinger Straße müssen sich Autofahrer im Bereich von zwei Kindergärten montags bis freitags von 7 bis 18 Uhr an Tempo 30 halten. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Im November hatte die Stadt Esslingen vor vielen Schulen und Kitas Tempo 30 angeordnet. Doch Messungen haben jetzt ergeben, dass die Autofahrer das Limit eklatant überschreiten.

EsslingenSeit Ende November gilt vor vielen Schulen und Kitas in Esslingen auf einer Strecke von maximal 300 Metern Tempo 30. Das zwar nicht an jedem Tag, aber von Montag bis Freitag –
auch in den Ferien. Der Beginn des Tempolimits variiert zwischen 6.30 und 7 Uhr, das Ende ist um 18 Uhr. Diese Zeiten sind auf zusätzlichen Schildern angegeben, ebenso die Art der Einrichtung, die dem Autofahrer signalisiert, warum er abbremsen muss. Denn diese Maßnahmen sollen dem Schutz der schwächeren Verkehrsteilnehmer dienen. Doch die Schilder, die die Stadt angebracht hat, sind offenbar noch lange nicht bei jedem Autofahrer angekommen.

Mobile Messungen, mit denen die Stadt im Januar begonnen hatte, haben jedenfalls „extrem hohe Überschreitungsquoten“ ergeben, heißt es aus dem Esslinger Ordnungsamt. Mit 68 Stundenkilometern wurde der rasanteste Verkehrsteilnehmer vor der Kita in der Rotenackerstraße gemessen, berichtet Christian Völkel, Abteilungsleiter der Straßenverkehrsbehörde im Ordnungsamt. Vier Stunden lang war die Stadt dort vor Ort, von 1200 Fahrzeugen waren 467 zu schnell. Drei von ihnen waren mehr als 31 Stundenkilometer über dem erlaubten Limit unterwegs – und die Fahrer damit ihren Führerschein zumindest vorübergehend los. Zehn Fahrer kassierten Punkte in Flensburg, weil sie mit 51 und mehr Stundenkilometern erfasst wurden. „In der Weilstraße in der Pliensauvorstadt sah das Ergebnis ähnlich aus“, berichtet Völkel. Dort befinden sich die Waldorfschule und der Waldorfkindergarten. Völkel betont: „Es geht uns nicht darum, die Autofahrer abzukassieren. Aber mit dem Tempo-30-Limit soll ja die Verkehrssicherheit der Kinder erhöht werden.“

Im Ordnungsamt ist man angesichts dieser hohen Überschreitungszahlen umso mehr von dem Sinn der Tempo-30-Regelung überzeugt. Völkel weiß, dass neue Verkehrsschilder auf gewohnten Wegen manchmal nur schwer den Weg in den Wahrnehmungsbereich der Menschheit finden. So kann er sich sehr gut vorstellen, dass mancher Autofahrer völlig ruhigen Gewissens mit 51 Stundenkilometer an den neuen 30er-Schildern vorbeifährt –
und das böse Erwachen erst mit dem Bußgeldbescheid über 80 Euro plus Punkt in Flensburg kommt. Erst recht, wenn es sich um eine so gut ausgebaute Straße wie etwa die Rotenackerstraße handelt. Völkel: „Deshalb wollen wir noch einmal eindringlich auf diese Bereiche aufmerksam machen, zumal nun auch noch in der Plochinger Straße auf Höhe der Kindergärten der Stadt und der „Little Giants“ sowie in der Obertürkheimer Straße vor der Freien Evangelischen Schule zwei weitere 30er-Strecken dazugekommen sind.“

Die Stadt hatte im Herbst ein ganzes Paket mit mehreren Schulen und Kitas auf den Weg gebracht, in deren Umfeld auf einer Länge von maximal 300 Metern dieses „Streckengebot“ mit maximal 30 Stundenkilometern gelten soll. Hintergrund war die Änderung der Straßenverkehrsordnung und damit verbunden eine Verwaltungsvorschrift, derzufolge bei Schulen, Kindertageseinrichtungen, Alten- und Pflegeheimen sowie Krankenhäusern Tempo 30 eingeführt werden muss. Und das innerorts auch auf Landes- und Kreisstraßen, wenn im direkten Umfeld mit einem Gefährdungspotenzial zum Beispiel durch Parkplatzsucher, Elterntaxis oder unübersichtlichen Fußgängerpulks zu rechnen ist.

Deshalb hatte die städtische Verkehrsbehörde 32 Schulen, 86 Kitas sowie 13 Altenheime und Krankenhäuser überprüft. Da der überwiegende Teil dieser Einrichtungen schon in einer 30er-Zone oder in verkehrsberuhigten Bereichen, Grünanlagen oder Fußgängerzonen liegt, musste sie nur noch wenige Standorte genauer unter die Lupe nehmen. Die Verkehrskommission kam dann zu dem Entschluss, beim Georgii-Gymnasium in der Berliner Straße, dem Mörike -Gymnasium und der gegenüberliegenden Kita in der Neckarstraße, bei den Kitas in der Eberspächerstraße vor dem Parkplatz bei der Neckarinsel und in der Rotenackerstraße auf Höhe von Hausnummer 33 sowie vor der Adalbert-Stifter-Schule in der Eberhard-Bauer-Straße und dem Waldorfensemble in der Weilstraße Tempo 30 zu verhängen. In den vergangenen Tagen sind dann mit den Kindergärten in der Plochinger Straße 24 und 24/1 und vor der Freien Evangelischen Schule in Mettingen zwei weitere Streckenabschnitte dazugekommen.

Das städtische Ordnungsamt wird auch weiterhin kontrollieren. Nicht, weil man Kasse machen wolle, betont Völkel. Die bislang festgestellten hohen Überschreitungsquoten seien vor allem deshalb alarmierend, „da durch die Geschwindigkeitsregelungen ja die Verkehrssicherheit der Schul- und Kindergartenkinder erhöht werden soll“.

Tempo 30 braucht klare Kriterien

Nicht an allen Esslinger Schulen, Kindergärten oder Kitas hat die Stadt streckenweise Tempo 30 einführen müssen. Viele liegen bereits in einer 30-er Zone, in verkehrsberuhigten Bereichen, Fußgängerzonen oder Grünflächen. Wieder andere erfüllen die formalen Kriterien für eine solche Ausweisung nicht. So muss zum Beispiel der Eingang der betreffenden Einrichtung auch an dem Straßenzug liegen, der auf einer Länge von maximal 300 Meter mit so einem Streckengebot belegt werden kann, berichtet Christian Völkel vom Esslinger Ordnungsamt. Darüberhinaus gebe es noch viele andere Voraussetzungen.

Aufgrund all dieser Aspekte sieht die Stadt derzeit entweder keine Notwendigkeit oder aber keine rechtlich zulässige Möglichkeit, den Straßenraum vor den Kitas in der Entengrabenstraße 10, in der Mettinger Straße 123, der Hindenburgstraße 176, der Hirschlandstraße 90, der Liebersbronner Straße 53, der Römerstraße 3 und im Oberen Mönchelenweg 7 mit diesen speziellen Tempo- 30-Schildern zu bestücken. Das gleiche gilt für das Seniorenheim in der Plochinger Straße 21, die Oberesslinger Herderschule in der Hindenburgstraße 177 und für das Private Gymnasium in der Rotenackerstraße.