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Thilo Wagner und die 3 Tenors reißen das Publikum im Jazzkeller mit

EsslingenWenn einem Jazzer die Ehrenbürgerwürde von New Orleans, der „Wiege des Jazz“ am Mississippi-Delta verliehen wird, ist dies wie ein Ritterschlag. Dem in Stuttgart lebenden Thilo Wagner wurde diese Ehre vor Jahren zuteil. Bereits mehrfach gastierte der Pianist, der als König des Piano-Swing-Stils gilt, im Esslinger Jazzkeller. Diesmal hatte er neben einer illustren Rhythmusgruppe drei Größen der europäischen Jazzszene mitgebracht, die drei Tenöre.

Der Musikkenner denkt hierbei unwillkürlich an das legendäre Gesangstrio Luciano Pavarotti, Placido Domingo und José Carreras, doch im stilvollen Kellergewölbe in der Webergasse waren die Tenorsaxofonisten Tony Lakatos, Johannes Müller und Gilad Atzmon im Einsatz – jeder für sich ein Könner und gemeinsam eine musikalische Wucht. Mit John Coltranes 1956 geschriebener Ballade „Naima“ eröffnete das Bläsertrio in bester Cool-Jazz-Manier den Abend, sauber abgestimmt und mit dem nötigen Feeling. Im Unisono-Spiel prasselten vehemente Tongewitter auf die Zuhörer nieder, doch in den einzelnen Chorussen zeigten sich differenzierende Unterschiede.

Während Johannes Müller einen eher rauchigen Sound bevorzugte, unterlegte Tony Lakatos seine Töne immer wieder mit subtilem Vibrato, und Gilad Atzmon steuerte neben geschmeidigen Bindungen elegant gezogene Linien bei. Dass es für sie technisch kaum Grenzen gibt, stellten die drei Tenöre in Tadd Damerons Standard „Lady Bird“ aus dem Jahr 1939 unter Beweis. Swingend ging die Post ab, die Solisten feuerten sich gegenseitig an und der Bassist Yaron Stavi sorgte zusammen mit dem Drummer Enzo Zirilli dezent, jedoch äußerst zuverlässig für den rhythmischen Background. Während sich Thilo Wagner beim Comping, dem Begleiten der Bläsersoli, vornehm zurückhielt und gelegentlich nur zuhörte, drehte er bei seinen Klaviersoli richtig auf.

Auf kultivierter Spur

Doch in Carmichaels „Skylark“ donnerte er nicht auf dem Flügel. Er bewegte sich auf kultivierter Spur, sorgte für locker perlendes Laufwerk und bot mit fast zärtlich gestreichelten Tasten Anschlagskultur vom Feinsten: Hier entpuppte sich der klassisch ausgebildete Pianist. Kammermusikalisch feines Spiel prägte die Trio-Version des durch Frank Sinatra bekannt gewordenen „Secret Love“. Hier bewegte sich der solierende Thilo Wagner in austarierter Balance mit Bass und Schlagzeug - apart, durchsichtig und mit melodischer Spannung. Für jeden der Saxofonisten gab’s eine Einzelnummer, die ausreichend Gelegenheit zur freien Entfaltung und persönlichen Darstellung bot. Dabei spielten sich die Akteure in einen wahren Rausch, zeigten neben technischen Kabinettstücken tonliche Wandelbarkeit und artikulatorische Finessen. Als sich der Abend langsam dem Ende zuneigte, zog die Mannschaft um Thilo Wagner in Tony Lakatos‘ „Bebop Csardas“ nochmals alle Register: Mit brillanten Soli und rhythmischer Nuancierung riss das Sextett die Zuhörer zu stürmischer Begeisterung hin.