Vier dicke Aktenordner voller Unterschriften für ein Bürgerbegehren zur Stadtbücherei wurden gesammelt und vor dem Alten Rathaus an die Stadt übergeben. Foto: Rudel - Rudel

4900 gültige Unterschriften hätten sie gebraucht, auf etwa 7000 hatten sie gehofft – am Ende unterstützen 12485 Esslingerinnen und Esslinger die Initiatoren eines Bürgerbegehrens.

EsslingenDrei Monate hatten die Initiatoren eines Bürgerbegehrens zum künftigen Standort der Esslinger Stadtbücherei Zeit, um die nötigen 4900 Unterschriften für einen Bürgerentscheid über den künftigen Standort der Esslinger Stadtbücherei zu sammeln. Gestern überreichten sie vier dicke Aktenordner an OB Jürgen Zieger – und das Ergebnis hat alle Erwartungen weit übertroffen: 1432 Listen mit insgesamt 12 485 Unterschriften wurden gesammelt. Das Ziel der Initiative, an deren Spitze Wolfgang Drexler, Klaus Hummel und Ulrike Gräter stehen und die in weiten Teilen der Stadtgesellschaft großen Rückhalt gefunden hat, ist klar: Sie wollen, dass der knappe Gemeinderatsbeschluss für einen Bücherei-Neubau zwischen Küferstraße und Kupfergasse korrigiert wird und dass stattdessen der bisherige Standort im Bebenhäuser Pfleghof modernisiert und um das Nachbargebäude Heugasse 11 erweitert wird. Dafür hatten sich viele Bürger ausgesprochen.

Der Esslinger Landtagsabgeordnete Wolfgang Drexler ist ein alter Hase im politischen Geschäft, doch eine derart große Resonanz, wie sie das Bürgerbegehren zur Stadtbücherei gefunden hatte, dürfte er wohl so rasch kein zweites Mal erlebt haben: Schon die Gemeinderatsentscheidung für einen Bücherei-Neubau und gegen den angestammten und bei vielen Esslingern sehr beliebten Bebenhäuser Pfleghof hatten ungewöhnlich viele Bürger verfolgt – und mit unüberhörbarer Enttäuschung kommentiert. Und als Drexler, Gräter und Hummel am folgenden Tag das Bürgerbegehren auf den Weg brachten, gab’s zwar von der politischen Konkurrenz herbe Kritik, weil sich zwei Stadträte an die Spitze gestellt hatten – dafür war die Unterstützung, die die drei Initiatoren in der Öffentlichkeit fanden, umso größer. Das war auch nötig, schließlich bleiben nach den Buchstaben des Gesetzes vom Zeitpunkt der betreffenden Ratsentscheidung exakt drei Monate, um die erforderlichen Unterschriften zu sammeln. Dass diese Frist ausgerechnet in die Sommerferien fiel, hat der Initiative die Arbeit nicht erleichtert – zumal die Stadtverwaltung erst einmal zwei Wochen Zeit hatte, um den Text, der das Anliegen des Bürgerbegehrens auf den Unterschriftenlisten beschreibt, auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen.

Drexler bedankte sich ausdrücklich bei der Stadtverwaltung, die die Initiative wie in der Gemeindeordnung vorgesehen bei der Vorbereitung des Bürgerbegehrens mit den nötigen Auskünften zur Sach- und Rechtslage versorgt hatte: „Das war eine ganz wichtige Unterstützung, damit alles gesetzlich ordnungsgemäß abläuft.“ Vor allem aber unterstrich der Abgeordnete das Engagement zahlreicher Helferinnen und Helfer, die sich spontan der Initiative angeschlossen hatten: „Ohne ihren riesengroßen Einsatz wäre es nicht gegangen.“ Viele der aktiven Unterstützer, die während der vergangenen Wochen unermüdlich Unterschriften gesammelt hatten, waren gestern vors Alte Rathaus gekommen, um bei der Unterschriftenübergabe dabei zu sein. Und als Wolfgang Drexler verkündete, dass es statt der erhofften 7000 Unterschriften sogar 12 485 geworden waren, gab’s großen Applaus. Tatsächlich waren es sogar noch mehr, doch die offensichtlich ungültigen Stimmen hatte die Initiative vorsorglich schon mal ausgesondert. Gültig sind nur die Unterschriften derer, die in Esslingen kommunalwahlberechtigt sind.

OB Jürgen Zieger wollte die Unterschriften persönlich entgegennehmen – und er staunte nicht schlecht, als Drexler die offizielle Zahl verkündete. „Kompliment und Respekt“, lautete des Oberbürgermeisters erster Kommentar. Damit habe die Initiative „mutmaßlich die Voraussetzungen für einen Bürgerentscheid erfüllt“. Dass er weiterhin für einen Neubau plädiert, mochte Zieger ebensowenig verhehlen wie die grundsätzliche Einschätzung, dass er sich die Bibliothek der Zukunft trotzdem an beiden Standorten vorstellen könne. Als Zeitpunkt für einen Bürgerentscheid wird die Verwaltung dem Gemeinderat alternativ das letzte Februar-Wochenende oder eine Abstimmung am Tag der Europa- und Kommunalwahlen im Mai vorschlagen. Den Hinweis, dass er Bürgerentscheiden nur wenig abgewinnen könne, weil sie „häufig eine gespaltene Bürgerschaft hinterlassen“, konnte sich der OB nicht verkneifen.

Doch das sieht Initiatorin Ulrike Gräter ganz anders: „Wir waren beeindruckt, wie viele Menschen sich für das Bürgerbegehren engagiert haben. Das hatte nach unserem Eindruck eher etwas Verbindendes. Die große Resonanz war auch ein Kompliment für die tolle Arbeit unserer Stadtbücherei. Unsere Stadt sollte stolz darauf sein, dass sich so viele Menschen für deren Zukunft interessieren. Da steckt ein ungeheuer großes Potenzial drin, das man unbedingt nutzen sollte.“

So geht’s weiter mit dem Bürgerbegehren

Prüfung: Nachdem die Initiative nun die 12 485 Unterschriften an die Stadt übergeben hat, prüft die Verwaltung anhand des Melderegisters, ob das Quorum von 4900 gültigen Unterschriften erreicht wurde. Wegen der großen Zahl von Unterschriften, die zu prüfen sind, bleibt das städtische Bürgeramt in der Beblingerstraße 3 von Donnerstag bis Montag, 20. bis 24. September, geschlossen.

Gemeinderat: Spätestens zwei Monate nach Einreichen des Begehrens entscheidet der Gemeinderat über die Zulässigkeit. Das ist keine politische, sondern eine rein rechtliche Frage. Sind alle formalen Voraussetzungen erfüllt, muss ein Bürgerbegehren zugelassen werden.

Abstimmung: Spätestens vier Monate nach Feststellung der Zulässigkeit muss der Bürgerentscheid stattfinden. Ein späterer Abstimmungstermin, etwa um den Bürgerentscheid mit einem regulären Wahltermin zusammenzulegen, ist mit Einverständnis der Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens möglich. Damit der Bürgerentscheid rechtsgültig ist, reicht die Mehrheit der abgegebenen Stimmen allein nicht aus – die Mehrheit muss zusätzlich mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten entsprechen.