Seit Juli fahren die Busse der Firma Rexer in Esslingen. Fischle&Schlienz wirft dem Konkurrenten vor, sich beim Kampf um Buslinien Vorteile verschafft zu haben. Foto: Archivfoto: Bulgrin - Archivfoto: Bulgrin

Das Esslinger Busunternehmen Fischle&Schlienz prangert beim Konkurrenten Rexer Verstöße gegen den Tarifvertrag an. Die Stadt will das nun überprüfen.

EsslingenSchon wieder Stress beim Busverkehr: Nach massiven Anlaufschwierigkeiten und zahlreichen Beschwerden von Fahrgästen nach dem Betriebswechsel im Sommer des vergangenen Jahres war es zuletzt ruhig geworden um den neuen Busbetreiber Rexer. Doch nun wirft die Esslinger Busfirma Fischle&Schlienz dem Calwer Betrieb vor, den Tarifvertrag für Omnibusunternehmen zu unterlaufen. Rexer weist die Anschuldigungen allerdings entschieden zurück.

In einem Schreiben an Oberbürgermeister Jürgen Zieger kritisiert Fischle&Schlienz, dass die Firma Rexer ihren Beschäftigten zwar möglicherweise den tariflichen Ecklohn vergüte, aber viele andere Regelungen des Tarifvertrags nicht erfülle. Und das, obwohl bei dem Wettbewerb um ein Drittel der Esslinger Buslinien, bei dem Rexer den Zuschlag bekommen hatte, die Erfüllung des Tarifvertrags des Verbandes Baden-Württembergischer Omnibusunternehmen (WBO) verpflichtend vorgeschrieben gewesen sei. Auch Fischle&Schlienz hatte sich bei der Ausschreibung der Stadt um die Buslinien bemüht, war aber leer ausgegangen. Zuvor hatten die zwei alteingesessenen Firmen Fischle und Schlienz jahrzehntelang den privaten Anteil am Esslinger Busverkehr bestritten. Im vergangenen Juli übernahm Rexer dann die Linien.

Nach eigenen Angaben liegen Fischle&Schlienz mehrere Arbeitsverträge von Beschäftigten der Firma Rexer vor. Diese hat das Esslinger Unternehmen von Jan Weller, einem Fachanwalt für Arbeitsrecht, prüfen lassen. In seinem Gutachten, das unserer Zeitung vorliegt, kommt Weller zu dem Schluss, dass die untersuchten Arbeitsverträge der Firma Rexer für Arbeitnehmer erheblich schlechtere Regelungen enthalten als im Manteltarifvertrag Baden-Württemberg für die Branche vereinbart. Im Ergebnis führe das zu schlechteren Arbeitsbedingungen und signifikant niedrigerem Einkommen für die betroffenen Beschäftigten.

Konkret bemängelt Weller unter anderem, dass ungünstigere Urlaubsregelungen und Kündigungsfristen für die Beschäftigen vereinbart seien als vom Tarifvertrag vorgesehen, dass Überstundenzuschläge nicht gewährt und Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld als Freiwilligenleistungen deklariert würden, obwohl sie tariflich vorgeschrieben seien. Zudem würden die Regelungen zu Arbeitszeitkonten nur zugunsten des Arbeitgebers ausgelegt. Fischle&Schlienz kritisiert, dass sich Rexer durch das Unterlaufen der Tarifbestimmungen einen erheblichen Preisvorteil gegenüber den Mitbewerbern bei der Ausschreibung verschafft habe.

Bei der Firma Rexer zeigt man sich überrascht über die Anschuldigungen. „Aus unserer Sicht sind die Vorwürfe haltlos. Ein Fehlverhalten von unserer Seite ist nicht gegeben“, teilt das Unternehmen mit. Man sei stets für einen fairen Wettbewerb und wolle ordnungsgemäß seine Arbeit erbringen. Bei Rexer gehe man davon aus, dass nach entsprechender Prüfung seitens des Auftraggebers, also dem Städtischen Verkehrsbetrieb Esslingen (SVE), bestätigt werde, dass die Vorwürfe nicht gerechtfertigt sind.

Bürgermeister Ingo Rust, der für den Esslinger Nahverkehr zuständig ist, bestätigt, dass die Stadt nun die Tariftreue der Firma Rexer überprüfen werde. Das sei allerdings sehr aufwendig. Denn die Kontrolle von Arbeitsverträgen allein reiche dafür nicht aus. Vielmehr müssten vor allem die Entgeltabrechnungen von Rexer überprüft werden – und dafür benötige man einen spezialisierten Wirtschaftsprüfer. Ein solcher müsse aber erst noch gefunden und beauftragt werden. Das wolle die Stadt gemeinsam mit dem Landratsamt Heilbronn angehen. Dieses habe von den Vorwürfen erfahren und wolle nun ebenfalls Klarheit, weil Rexer auch Buslinien im Raum Heilbronn bedient. Wie lange die Untersuchungen dauern, sei noch völlig ungewiss. „Aber bis nicht das Gegenteil bewiesen ist, gilt die Unschuldsvermutung für die Firma Rexer“, stellt Rust klar.

Den Vorwurf von Fischle&Schlienz, die Stadt habe nicht überprüft, ob Rexer sich an die vorgeschriebenen Standards hält, lässt Rust nicht gelten: „Faktisch ist es nicht möglich, zum Zeitpunkt der Vergabe die Tariftreue zu überprüfen.“ Denn häufig seien die entsprechenden Mitarbeiter dann noch gar nicht eingestellt. Gesetzlich vorgeschrieben sei lediglich eine Verpflichtungserklärung, in der die Bieter bestätigen, sich an die Vorgaben der Ausschreibung zu halten. Eine solche habe man auch von Rexer bekommen.

Auch die Kritik der Esslinger Busfirma, für die Stadt sei bei der Vergabe einzig der Preis entscheidend gewesen, weist Bürgermeister Rust zurück: Man habe ökologische und soziale Standards in der Ausschreibung ganz klar vorgegeben, deshalb sei letztlich nur noch der Preis als Entscheidungsgrundlage in Frage gekommen. Im Übrigen sei die Stadt an strikte, formale Vergaberichtlinien gebunden und habe daher in diesem Fall auch keine andere Option gehabt, als Rexer den Zuschlag zu erteilen.

Tariftreue- und Mindestlohngesetz

Regelung: Das Tariftreue- und Mindestlohngesetz wurde 2013 vom Landtag Baden-Württemberg beschlossen. Es besagt, dass öffentliche Auftraggeber öffentliche Aufträge ab einem Wert von 20 000 Euro nur an Unternehmen vergeben dürfen, die den gesetzlichen Mindestlohn zahlen und sich tariftreu verhalten. Die Unternehmen müssen sich dazu verpflichten, dass diese Standards sowohl im eigenen Betrieb als auch gegebenenfalls bei Subunternehmen eingehalten werden. Zur Kontrolle darf der Auftraggeber die Entgeltabrechnungen des Auftragnehmers einsehen.

Sanktionen: Bei einem Verstoß gegen Vertragsvorgaben kann der öffentliche Auftraggeber eine Vertragsstrafe in Höhe von bis zu einem Prozent des Auftragswertes einfordern, bei mehreren Verstößen bis zu maximal fünf Prozent des Auftragswertes. Eine Vertragskündigung ist nur bei massiven Verstößen möglich.