Der Schriftsteller Gunter Haug fühlt sich seiner württembergischen Heimat eng verbunden. Foto: oh - oh

Der Autor Gunter Haug schildert in seinem Buch „Schwäbische Sternstunden“ den Aufstieg des einst bitterarmen Königreichs Württemberg. Am Sonntag liest er im Bürgerhaus RSKN.

EsslingenGunter Haug ist Schwabe – von Geburt und aus Überzeugung. Als studierter Historiker hat sich der Journalist und Buchautor intensiv mit dem Ländle und speziell mit seiner Wirtschaft beschäftigt. Und er hat seine Leser mit einer Reihe bedeutender Württemberger bekanntgemacht, die durch ihr innovatives und weitsichtiges Wirken halfen, jene Wirtschaftskraft zu begründen, von der wir bis heute alle zehren – der eine mehr, der andere weniger. In seinem Buch „Schwäbische Sternstunden“, das er auf Einladung des Schwäbischen Albvereins Sulzgries am Sonntag, 20. Januar, ab 11 Uhr im Bürgerhaus RSKN vorstellen wird, erzählt Gunter Haug kenntnisreich, anschaulich und unterhaltsam, wie das einst bitterarme Königreich Württemberg zu einem Motor der Weltwirtschaft wurde. Im Gespräch mit unserer Zeitung spannt Haug auch den Bogen in die Gegenwart.

In Ihren „Schwäbischen Sternstunden“ erzählen Sie auf rund 300 Seiten, wie un-ser Ländle Weltspitze geworden ist. Lässt sich das auch ganz kurz und knapp auf den Punkt bringen?
Mit Fleiß, Bescheidenheit und ordentlich Hirnschmalz. Das ist die klassische schwäbische DNA.

Sie haben über Daimler, Porsche, Zeppelin und Bosch geschrieben. Was reizt Sie an solchen Persönlichkeiten?
Mich bewegt die Frage, weshalb es gerade diese Leute waren, die solch fantastische Leistungen gebracht haben. Andere waren genauso schlau. Trotzdem muss da etwas gewesen sein, das sie zu diesen außergewöhnlichen Werken getrieben hat. Was war das? Das ist jedesmal hochinteressant – und es ist natürlich auch eine Geschichte von Glück und von vielen namenlosen Helfern, die sich uneigennützig in den Dienst der Sache gestellt haben, ohne selbst berühmt zu werden. Es ist aber auch die bewundernswerte Eigenschaft, selbst in Zeiten größten Ruhms auf dem Teppich zu bleiben und seine Leute mit Respekt zu behandeln. Zu wissen, woher man kommt und sich nicht als etwas Besseres zu fühlen. So wie Robert Bosch gesagt hat, dass auch die kleinste Arbeit wichtig sei, denn ohne die Sekretärin, den Fließbandarbeiter und die Putzfrau wären die großen Bosse aufgeschmissen. Von diesen ehrlichen Überzeugungen könnten sich heutzutage viele eine gewaltige Scheibe abschneiden.

Bislang haben Sie die Geschichten dieser bedeutenden Persönlichkeiten in Tatsa-chenromanen beschrieben. Warum sind die „Sternstunden“ ein Sachbuch?
Weil es häufig hieß: „Das sind ja schon schöne Geschichten, die Sie beschreiben. Leider ist es bloß ein Roman.“ Deshalb habe ich die Form des unterhaltsam geschriebenen Sachbuchs gewählt. Ich wollte sowieso einmal aufzeigen, wie das alles zusammenhing und wer mit wem wann weshalb verfeindet oder befreundet war.

Mit einem Vulkanausbruch in Indonesien, der auch hierzulande den Himmel für lange Zeit verdunkelt hat, fing 1815 alles an. Braucht es manchmal solche Krisen, aus denen man sich gemeinsam herausarbeitet, um gestärkt in die Zukunft zu gehen?
Anscheinend. Wir wollen zwar nicht hoffen, dass so etwas wie dieses Jahr ohne Sommer, das es damals gegeben hat, nochmal passiert. Aber die Menschen neigen eben dazu, ab einem gewissen Erfolg abzuheben und sich als wer-weiß-was aufzuspielen. Heraus kommt dann beispielsweise der Dieselskandal, weil manche Raffzähne in den Chefetagen den Hals nicht voll kriegen. Und dann muss offenbar erst alles wieder in die Binsen gehen. Nur dass so ein Neuanfang immer schwieriger wird, denn die internationale Konkurrenz schläft ja nicht.

Wäre dieses „Wunder von Württemberg“, von dem Sie in Ihrem Buch erzählen, unter den heutigen Gegebenheiten überhaupt noch möglich?
Theoretisch ja – denn die schwäbische DNA gibt’s ja schon noch: Denken Sie nur an unsere vielen, hochinnovativen Mittelständler und an all die „Hidden Champions“. Wenn, dann sind es genau diese Unternehmen, die den Karren ziehen – nicht die Großkonzerne, auf die alle starren wie das Kaninchen auf die Schlange.

Württemberg war technisch immer ganz weit vorn. Können wir uns darauf verlassen, dass es auch so bleibt?
Ja, wenn sich die Politik endlich mehr um den Mittelstand kümmern würde und sich nicht nur von den Lobbyisten der Großkonzerne einlullen ließe, dann ja. Der Mittelstand ist unser Motorle, das nach wie vor gewaltig brummt.

Die Stärke der württembergischen Wirtschaft waren neben klugen Köpfen und fleißigen Schaffern auch bedeutende Unternehmerpersönlichkeiten. Was hat Leute wie Daimler, Porsche, Bosch und viele andere so besonders gemacht?
Du hast bei denen immer gewusst, wo du dran bist. Da konnte es schon auch mal passieren, dass einem der Kragen geplatzt ist – aber hinterher hat man sich wieder zusammengerauft und gemeinsam weiter geschafft. Nix hintenrum, nix Mobbing, sondern klare Verhältnisse.

Was können wir von solchen Beispielen heute noch lernen?
Die aufrechte Haltung. Senkrecht stehen bleiben – auch wenn’s gewaltig stürmt. Was würde ein Autor und Historiker wie Gunter Haug in 50 oder 100 Jahren über die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen unserer Zeit schreiben?
Schlimm wäre, wenn er schreiben müsste: „Das war damals die Zeit, in der vor lauter Quartalsberichten, Aktienkursen und Gschäftlesmacherei der Blick aufs Wesentliche verloren gegangen ist. Statt in die Forschung zu investieren, haben sie ihr Geld den Hedgefonds-Haien in den Rachen geworfen. Dabei waren alle Chancen da, samt der Manpower – aber sie haben sie leider nicht genutzt. Ein Jammer.“ Aber ich mag eigentlich nicht gerne glauben, dass es am Ende wirklich dazu kommt. Vielleicht schaffen sie’s ja doch noch – dank unserer schwäbischen DNA.

Das Interview führte Alexander Maier.

Gunter Haug persönlich

Der Autor: Gunter Haug wurde 1955 in Stuttgart-Bad Cannstatt geboren und hat in Tübingen Landesgeschichte, Empirische Kulturwissenschaften und Neuere Geschichte studiert. Seit damals heißt sein Motto: „Niveau ist mehr als eine Hautcreme.“ Haug war lange Jahre Zeitungs-, Radio- und Fernsehredakteur, ab 1989 zunächst Leiter der SWF-Fernsehnachrichten, später Fernseh-Nachrichtenchef von SWF und SDR und dann Abteilungsleiter für landeskundliche Fernseh-Sendungen und Sondersendungen beim SWF, dem späteren SWR. Seit 2005 ist er freier Autor, Schriftsteller und Moderator. Und er ist ein mitreißender Redner: Wenn er sein Buch „Schwäbische Sternstunden“ vorstellt, ist das nicht nur eine trockene Lesung, sondern Kabarett pur.

Das Buch: In seinem Buch „Schwäbische Sternstunden. Wie wir Weltspitze geworden sind“ (Landhege-Verlag, 19.90 Euro) schildert Gunter Haug den Aufstieg des einst bitterarmen Königreichs Württemberg zu einem Motor der ganzen Welt. Und er zeigt, dass diese atemberaubende Geschichte einer Handvoll hochinteressanter Persönlichkeiten zu verdanken ist. Haug spannt einen faszinierenden Bogen von König Wilhelm I. über Robert Bosch, Gottlieb Daimler, Wilhelm Maybach, Emil Jellinek, Ferdinand Graf Zeppelin bis zu Ferdinand Porsche. Und er illustriert seine Darstellung mit zahlreichen Anekdoten aus den Anfängen des Fortschritts.