Esslingens OB Jürgen Zieger (rechts) im Gespräch mit den Schulleiterinnen Lidia Lopusiewicz (MItte) und Brigitte Krömer-Schmeisser. Fotos: E. Maier Quelle: Unbekannt

Gespannt fuhr eine Delegation der Stadt Esslingen zur 25-Jahr-Feier mit der Partnerstadt Piotrkow Trybunalski in Zentralpolen. Denn die politische Lage hat sich durch den antieuropäischen Kurs der Regierungspartei PiS deutlich verschlechtert. Oberbürgermeister Jürgen Zieger und seine Begleiter erlebten ein freundschaftliches Miteinander, das lange gewachsen ist. Und die junge Generation will sich noch stärker an der Partnerschaft beteiligen. Der Esslinger Stadtjugendring und die Zollberg-Realschule denken über weitere Begegnungen nach.

Von Elisabeth Maier

Mit selbst gedrehten Filmen stellen die Schüler des Oberschulzentrums Nummer 2 in Piotrkow Trybunalski ihre Arbeit vor. Junge Menschen mit und ohne Behinderungen tanzen da gemeinsam durch eine Halle, jeder hilft dem anderen. Dann präsentieren vier junge Leute in gutem Deutsch die Schultypen der technisch orientierten Einrichtung. Unter einem Dach sind in dem in die Jahre gekommenen Bau ein allgemeinbildendes Gymnasium, ein Technikum für Maschinenbau und eine Berufsschule untergebracht. Oberbürgermeister Jürgen Zieger und seine Delegation aus der Partnerstadt Esslingen sind sehr angetan. Zum 25-jährigen Bestehen der Partnerschaft mit der polnischen Stadt denken beide Seiten über einen weiteren Schüleraustausch nach.

Hoch moderne Computerräume, Sprachlabore und das breit gefächerte Unterrichtsangebot zeigen den hohen Standard, den die Bildung in der polnischen Partnerstadt Esslingens hat. Nun wünscht sich das Kollegium des Schulzentrums Nummer 2 einen Austausch mit Deutschland. Dafür ist die Zollberg-Realschule im Gespräch. Eine solche Partnerschaft mit Polen pflegt die Kennedy-Schule in Esslingen-Zell bereits seit 15 Jahren - mit dem Oberschulzentrum Nummer 5 in der Partnerstadt, die im Bezirk Lodz liegt.

Vor 15 Jahren hat die Lehrerin Beate Thalmann den Austausch mit der polnischen Schule auf den Weg gebracht. „Damals waren alle sehr offen, es haben sich schöne Kontakte ergeben.“ Ihr Schwerpunkt lag damals auf der Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen. „Es galt, die gemeinsame Geschichte aufzuarbeiten.“ Das sei für ihre Schülergruppen ganz wichtig gewesen.

Heute betreut Heidi Mössner das Programm, das deutschen und polnischen Schülern im jährlichen Wechsel Besuche ermöglicht. Die beiden Pädagoginnen waren Teil der Delegation aus Esslingen, die zum 25-jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft nach Piotrkow Trybunalski reiste. „Die Schüler kommunizieren in Deutsch und Englisch, Sprachbarrieren sind kein Problem“, berichtet Mössner. Sie erlebt es als „große Chance“, dass die jungen Menschen sich persönlich begegnen und über das sprechen, was sie bewegt. Selbst beim gemeinsamen Shopping komme man sich näher. „Die jeweilige Politik ist da zweitrangig“, erinnert Thalmann an ihre Anfänge. Sie ist inzwischen pensioniert, kümmert sich in der West-Ost-Gesellschaft in Esslingen voller Elan um die Freundschaft zwischen Deutschen und Polen.

„Den europäischen Gedanken stärken“ will Katharina Melke-Lingnau, die Direktorin der Kennedy-Schule, mit dem Austausch. Internationale Kontakte würden auch im Berufsleben immer wichtiger, findet die promovierte Wirtschaftspädagogin. Beim Schüleraustausch lassen sich aus ihrer Sicht nicht nur Fremdsprachen, sondern auch interkulturelle Kompetenz lernen. Das ist aus ihrer Sicht heute gerade in den kaufmännischen Berufen wichtiger denn je. Deshalb passt der Austausch für sie und ihr Team bestens zur Vorbereitung auf die spätere Praxis im global orientierten Wirtschaftsleben.

Gespannt ist Brigitte Krömer-Schmeisser, die Rektorin der Zollberg-Realschule, wie sich die Kontakte mit dem polnischen Oberschulzentrum 2 entwickeln. Sie wünscht sich, dass junge Menschen aus beiden Ländern gemeinsam die Geschichte aufarbeiten. Dazu gehören für die Pädagogin auch Besuche in den Konzentrationslagern oder im ehemaligen Ghetto in Lodz, das etwa 40 Kilometer von der Esslinger Partnerstadt entfernt liegt. „Bei jeder Reise geht es natürlich auch darum, sich auf das Fremde einzulassen.“

Weil die Jungen und Mädchen aus dem Nachbarland, die die Schule Nummer 2 besuchen, älter sind als die Esslinger Kinder, sieht die erfahrene Lehrerin allerdings Probleme. „Zwei Jahre sind in diesem Alter viel“, findet Krömer-Schmeisser, die bereits einen sehr erfolgreichen Schüleraustausch mit einer Partnerschule im südindischen Coimbatore etabliert hat. Trotz vieler inhaltlicher Gemeinsamkeiten, die sie nun beim Schulbesuch in der polnischen Partnerstadt entdeckte, will sie mit ihrem Kollegium und mit Eltern diskutieren, ob der Austausch mit Polen Sinn macht.

Der Nutzen des Austauschs steht für die polnische Schulleiterin Lidia Lopusiewicz außer Frage. „Durch Aufenthalte im Ausland erweitern die Schüler ihren Horizont“, ist die Pädagogin überzeugt. Einen Austausch mit Spanien und Italien mit berufspraktischem Schwerpunkt ermöglicht die Schule den jungen Menschen bereits; das europaweite Erasmus-Programm ermöglicht die Auslandserfahrung. Zur Partnerstadt habe die Stadt bereits intensive Kontakte. Deshalb wünscht sich die Direktorin, dass Schüler beider Länder einander im Austausch begegnen. Da die Zollberg-Realschule ein sogenanntes MINT-Profil (Mathematik, Naturwissenschaft, Informatik, Technik) hat, sieht sie beste Voraussetzungen für die Zusammenarbeit.

„Wir möchten den Kindern Sprache lebendig vermitteln“, sagt die Schulleiterin. Hautnahen Austausch will sie ihren Schülern ermöglichen. „In der persönlichen Begegnung lassen sich viele Vorurteile abbauen.“ Die Schule lege Wert auf Kontakte vor allem in Europa, weil der Blick über den nationalen Tellerrand heute wichtiger sei denn je.

Wie neugierig die Kinder auf den Austausch mit der Partnerstadt Esslingen sind, ließen sie die Gäste der Esslinger Delegation spüren. Sie hatten für Ihre Gäste ein Buffet mit polnischen Spezialitäten wie Piroggen, der Sauerkrautspezialität Bigos und polnischen Pilzen vorbereitet. Dabei entspann sich so manches gute Gespräch über das Leben in Ost und West. Ehrengast war Esslingens Oberbürgermeister Jürgen Zieger. Sprachbarrieren überwand er spielend, indem er spontan bei einem Fußballmatch mitmachte und die verdutzten Jungs in Hemd und Krawatte mit seinen Vorlagen überzeugte.