In ein paar Minuten ist alles erledigt: Die Wattestäbchen, mit denen Fabienne Wagner (rechts) den Wangenabstrich macht, wird Franziska Commans ins Labor schicken. Der Esslinger Thomas Braun hat im vergangenen Jahr Knochenmark gespendet. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Etwa 100 Schüler haben sich im THG als potenzielle Stammzellenspender registrieren lassen. Schülerin Fabienne Wagner hatte die Aktion mit der DKMS organisiert.

EsslingenUm kurz vor elf Uhr macht sich bei Fabienne Wagner dann doch ein wenig Nervosität breit. Obwohl die Schülerin des Theodor-Heuss-Gymnasiums in den Abi-Vorbereitungen steckt, hat sie in den vergangenen Wochen viel Zeit damit verbracht, an ihrer Schule eine Registrierungsaktion der DKMS (ehemals Deutsche Knochenspenderdatei) für Stammzellenspender zu organisieren. „Ich hoffe, dass ich auch wirklich an alles gedacht habe.“ Einen konkreten Anlass – etwa, dass an der Schule jemand an Leukämie erkrankt ist – gebe es zum Glück nicht. „Aber ich finde es einfach wichtig, dass sich möglichst viele registrieren lassen“, sagt die 18-Jährige, die in der Sanitäts-AG der Schule aktiv ist, und ergänzt: „Denn Blutkrebs kann jeden treffen, und da ist man dann froh, wenn ein Spender gefunden werden kann.“

Das sieht auch THG-Lehrerin Clara Flörchinger so, die die Schülerin bei der Organisation unterstützt hat. „Aber nur ein bisschen, das meiste hat Fabienne selbst gemacht.“ Mit der Aktion am Freitagvormittag verbindet die Lehrerin die Hoffnung, „dass die Registrierung an unserer Schule zur Tradition wird und alle Schüler, die bei uns Abi machen, die Möglichkeit bekommen, sich registrieren zu lassen“. Die Schulleitung sowie die Kolleginnen und Kollegen von Clara Flörchinger haben schon mal den Weg geebnet. „Wir sind ihnen sehr dankbar, dass sie diese Aktion, die ja während der Unterrichtszeit stattfindet, ermöglicht haben.“

Kaum hat der Schulgong geschlagen, füllen sich die Reihen in der Aula des THG. Dort hat Franziska Commans von der DKMS schon den Beamer angeworfen. Bevor die etwa 200 Schülerinnen und Schüler der Kurstufen eins und zwei die Möglichkeit bekommen, sich als Stammzellenspender registrieren zu lassen und zum Lebensretter zu werden, erfahren sie, dass in Deutschland alle 15 Minuten ein Mensch an Blutkrebs erkrankt. „Keine andere Krebsart tötet mehr Kinder.“ Was es heißt, seine kleine Tochter durch Leukämie zu verlieren, zeigt ein emotionales Video der DKMS. Die Gymnasiasten sehen aber auch, dass es möglich ist, Blutkrebs zu besiegen – wenn sich denn ein geeigneter Spender findet.

Doch das ist nicht so einfach. „Denn es müssen zehn Gewebemerkmale übereinstimmen“, erklärt Franziska Commans. „Obwohl jeder von uns fünf Gewebemerkmale der Mutter und fünf des Vaters in sich trägt, gibt es für zwei Drittel der Patienten in der eigenen Familie keinen Spender.“ So ruht die Hoffnung der kleinen und großen Patienten auf der DKMS, die täglich viele Stammzellenspenden in die ganze Welt verschickt – so auch die des Esslingers Thomas Braun. Der ist extra ins THG gekommen, um von seiner Spende zu berichten. Registriert ist er bei der DKMS bereits seit 2012. Im vergangenen Sommer bekam er einen Brief , dass seine Gewebemerkmale mit denen eines kleinen, krebskranken Mädchens in Neuseeland zusammenpassen. Thomas Braun zögerte nicht. Nachdem die Ärzte an der Tübinger Uniklinik ihn von Kopf bis Fuß durchgecheckt hatten, wurde ihm unter Vollnarkose aus dem Becken Knochenmark entnommen. „Das war zwar schmerzhaft, aber nach ein zwei Wochen war alles wieder okay.“ Jetzt wartet er auf Nachricht, ob er mit seiner Spende das Leben des Mädchens hat retten können. „Es gibt zwar keine Garantie, dass es klappt. Aber es ist ein gutes Gefühl, dass man selbst sein Möglichstes getan hat.“

Für diese Option haben sich am Freitag auch viele Schülerinnen und Schüler des Theodor-Heuss-Gymnasiums entschlossen. Kaum hat Franziska Commans alle Fragen beantwortet, bildet sich vor dem Physikraum im Erdgeschoss eine lange Schlange. Dort heißt es dann: „Mund auf, Stäbchen rein.“ Mitschüler von Fabienne Wagner notieren an den Tischen die Daten der potenziellen Spender und wachen darüber, dass diese mit jedem der drei Stäbchen mindestens ein Minute lang einen Wangenabstrich machen. Damit es nicht zu unnötigen Wartezeiten kommt, hat Selin Amman an der Tür des Physiksaals Position bezogen und spielt Einweiserin. Nach getaner Arbeit greift auch sie zu den Wattestäbchen. „Dass man, wenn’s gut läuft, so einfach ein Menschenleben retten kann, ist für mich Motivation. Und weh tut es ja auch nicht.“

DIE DKMS

Das Schicksal seiner leukämiekranken Ehefrau Mechthild war für Peter Harf 1991 Anstoß, die DKMS in Tübingen als gemeinnützige GmbH zu gründen. Mithilfe privater Initiativen und Unternehmen organisiert die DKMS Registrierungsaktionen. 1991 waren in Deutschland etwa 3000 Stammzellenspender registriert, im August vergangenen Jahres waren es mehr als 5,7 Millionen. 80 Prozent der von der DKMS vermittelten Spenden sind Blutspenden, 20 Prozent Knochenmarkspenden. Als potenzieller Spender kann sich jeder im Alter zwischen 17 und 55 Jahren registrieren lassen, der in guter körperlicher Verfassung ist. Infos, auch zur Online-Registrierung, findet man unter www.dkms.de