Trübe Stimmung bei Bewohnern von Vonovia-Immobilien, nachdem die Mieten drastisch erhöht wurden. Die Linken hatten – am Mikrophon Foto: Bail - Bail

"Wer kann sich das leisten?", fragen sich viele verzweifelte Mieter von Vonovia. 50 bis 80 Prozent teurer werden ihre Wohnungen. Dagegen haben sie in Esslingen demonstriert.

EsslingenDas Wetter war denkbar ungünstig, passte aber zur Situation der Mieter in der Schorndorfer Straße und Eisenbahnstraße. Nachdem Vonovia, Deutschlands größtes Wohnungsunternehmen mit 390 000 Wohnungen, die drei Häuser gekauft hat, fühlen sich die Bewohner im Regen stehen gelassen. Nach Modernisierungsmaßnahmen durch den Konzern kommen 50 bis 80 Prozent Mieterhöhung auf die Menschen zu, sagt ein Betroffener. „Unmoralisch“ finden die Linken und veranstalteten am vergangenen Samstag eine Kundgebung in der Ritterstraße, Ecke Küferstraße und fordern „Recht auf Wohnen“.

„Wer kann sich das leisten?“

40 Familien sind betroffen. Sie alle haben Angst, ausziehen zu müssen, weil sie sich die Wohnungen, die etwa 280 Euro pro Monat teurer werden, nicht mehr leisten können. „Wir wollen bleiben. Wir fühlen uns sehr wohl, sagt eine Bewohnerin, die vor allem auch die gute Nachbarschaft schätzt. Ein betroffener Vonovia-Mieter von der Nachbarschaftsinitiative Schorndorfer Straße spricht denn auch von „Spekulationen mit Menschenleben im Wohnraum“ und fragt in Anbetracht von bis zu 1500 Euro Miete für eine Drei-Zimmerwohnung: „Wer kann sich das leisten?“ Die meisten Menschen dort nicht, wie die alleinerziehende Mutter zweier Söhne, die dort seit fünf Jahren wohnt. Die Linke-Stadtrat Martin Auerbach sieht die Stadt in der Pflicht, da in Esslingen Hunderte von bezahlbaren Wohnungen fehlen. Seine Partei hat einen Vier-Punkte-Katalog mit Anträgen aufgestellt, den sie am heutigen Montag im Gemeinderat einbringen möchte. Die Stadt soll Vonovia auf das unmoralische Handeln hinweisen. Sie fordern Milieuschutz für die Schorndorfer Straße und die Eisenbahnstraße. Das Hauptanliegen aber ist die Aufnahme der Verhandlungen mit Vonovia, um die Wohnungen zurückzukaufen. „Je mehr Wohnungen die Stadt besitzt, umso mehr Einfluss hat sie auf den Mietspiegel“, so Auerbach. Als letzten Punkt ist eine deutlichere Verbindlichkeit bezüglich des Zweckentfremdungsverbots gewünscht. Bund und Länder haben über viele Jahre den sozialen Wohnungsbau vernachlässigt. Das Recht auf Wohnen wurde dem freien Markt überlassen. „Mit katastrophalen Folgen“, wie es die Linken formulieren.

Nach Streitigkeiten um drastische Mieterhöhungen in anderen Städten wie Stuttgart und Konstanz lenkte der Konzernvorstand offenbar ein. Durch hohe Mietpreissteigerungen werde kein Mieter verdrängt, heißt es seitens Vonovia, man wolle Ersatzwohnungen anbieten Aber genau das ist für Udo Casper, Kreisvorsitzender Deutscher Mieterbund Esslingen-Göppingen, bereits Verdrängung. Es betreffe Wohnungen, die bisher preisgünstig waren und Menschen, die darauf angewiesen sind. Eine Lösung sieht für ihn so aus, dass der Bund das Mietrecht grundsätzlich ändert. Außerdem ist es in seinen Augen notwendig, dass die Stadt, etwa wie in Konstanz geschehen, klare Position beziehe und dem Konzern unmissverständlich zu verstehen gebe, dass das Verhalten unanständig sei. „Es geht um Recht und nicht um Gnade.“ Den Rückkauf der Wohnungen, wie es die Linken fordern, sieht er hingegen als wenig aussichtsreich.

Rechtlich wenig Handhabe

Rein rechtlich sei es derzeit schwierig etwas zu unternehmen, da Modernisierungskosten nach geltendem Recht zu elf Prozent auf die Jahresmiete umgelegt werden dürfen. Es müsse dennoch Rücksicht genommen werden auf Bürger, die sich teuren Wohnraum nicht leisten können, so der Vertreter des Mieterbunds. Es sei ein Skandal, wenn Menschen, die eine Stadt lebendig machen, in ihrem Quartier nicht mehr bleiben können. Musikalischen Nachdruck wurde durch politische Lieder der Band Realitätsverweigerer verliehen. So heißt es in einem von Hanns Eisler vertonten Gedicht von Bertolt Brecht: „In Erwägung, dass da Häuser stehen, während ihr uns ohne Bleibe lasst, haben wir beschlossen, jetzt dort einzuziehen, weil es uns in unsern Löchern nicht mehr passt.“