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Ab sofort müssen Personen, die sich gegenüber Polizisten aggressiv oder gewalttätig verhalten, damit rechnen, gefilmt zu werden. Streifenbeamte sind nun mit einer Bodycam ausgerüstet.

Kreis EsslingenSeit gestern müssen die Beamtinnen und Beamten in den Streifendiensten der Polizeireviere ein zusätzliches technisches Gerät am Körper tragen: Eine Bodycam, die im Konfliktfall einen Einsatz aufzeichnet. Die Aufnahme kann sodann als Beweismittel in ein Strafverfahren eingebracht werden. Hintergrund ist vor allem die zunehmende Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeibeamten. Erste Erfahrungen in der Erprobungsphase im Jahr 2017 haben nach Angaben der Polizei gezeigt, dass Bodycams grundsätzlich dazu geeignet sind, Konfliktsituationen zu entschärfen und aggressives Verhalten gegenüber Einsatzkräften zu reduzieren.

"Wir sind dankbar"

Wer sich gegenüber Streifenbeamten aggressiv verhält oder gar handgreiflich wird, muss also künftig damit rechnen, gefilmt zu werden. „Wir sind dankbar, dass wir die Bodycams jetzt einführen können“, sagte Michael Simmendinger, Leiter des Polizeireviers Reutlingen, gestern während einer Pressekonferenz. 138 dieser Kameras aus US-amerikanischer Produktion sind seit gestern im Bereich des Polizeipräsidiums Reutlingen im Einsatz, zu dem auch der Landkreis Esslingen zählt. Über 22 solcher Geräte verfügt das Polizeirevier Esslingen – eine Person einer Zweier-Streife muss die Bodycam auf Schulterhöhe tragen.

Simmendinger betonte den präventiven Charakter der Bodycam als wesentlichen Baustein einer landesweiten Strategie, um Angriffe und Gewalttätigkeiten gegenüber Polizeibeamten zu reduzieren. Diese Strategie beruhe auf den drei Säulen „Anerkennung und Respekt“, „Prävention und Handlungssicherheit“ und „konsequente Strafverfolgung“. Tatsächlich bewegt die die Gewalt gegenüber Polizeibeamten schon seit Jahren auf hohem Niveau. Auch im vergangenen Jahr gab es im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Reutlingen mit den Landkreisen Esslingen, Reutlingen und Tübingen einen Anstieg der Fallzahlen um fast zehn Prozent auf 376 Straftaten. Insgesamt wurden 195 Polizistinnen und Polizisten verletzt, was einer Zunahme um 25 Prozent und damit einem neuen Höchststand entspricht. Vor allem die Beamtinnen und Beamten in den Streifendiensten sehen sich immer häufiger Aggressionen und zunehmender Gewaltbereitschaft ausgesetzt.

Bodycams nur im öffentlichen Raum

Zugelassen sind die Bodycams nur im öffentlichen Raum, also nicht in Gaststätten, Geschäften oder in Wohnungen, wo es bekanntlich recht häufig zu Konfliktsituationen kommt. Eine rechtliche Vorgabe, über die nach Ansicht von Michael Simmendinger in der Zukunft durchaus diskutiert werden müsse. Im Polizeigesetz geregelt ist auch, dass Aufnahmen über die Dauer von 60 Sekunden hinaus nur dann zulässig sind, wenn dies zum Schutz von Polizeibeamten oder Dritten gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

Läuft die Aufnahme länger als eine Minute, muss dies von den Einsatzkräften angekündigt werden und wird durch einen rot blinkenden Kreis auf dem Gerät signalisiert. Die Aufnahmen werden direkt im Gerät gespeichert und können nicht nachträglich am PC bearbeitet werden, um Manipulationen auszuschließen. Geht ein Gerät verloren, hat der Finder keinen Zugriff auf die Daten, die in Baden-Württemberg übrigens nicht, wie zunächst verbreitet wurde, auf Servern des Online-Händlers Amazon, sondern auf Servern in den Polizeirevieren landen. „Ein Zugriff auf die Daten von außerhalb des Polizeinetzes ist nicht möglich“, heißt es im Innenministerium. 28 Tage lang werden die Aufnahmen gespeichert.

Natürlich können die Bodycams auch einem anderen Zweck dienen. Nämlich dem, das Verhalten der Polizeibeamten in Bild, Ton und zeitgenau zu dokumentieren. Halten sich die Polizisten nicht an die Regeln, stehen auch solche Aufnahmen der Staatsanwaltschaft als Beweismittel zur Verfügung.

Im Februar 2020 soll Bilanz gezogen werden, ob und wie sich die Bodycams im Einsatz bewährt haben. Die bisherigen Erfahrungen stimmen zuversichtlich, wie Michael Simmendinger berichtet: „Die Leute halten sich eher zurück, wenn sie wissen, dass ihr Verhalten aufgezeichnet wird.“ Bei stark alkoholisierten Personen würde aber auch die Bodycam oft nicht viel nützen.