Pflegefamilien sollen Kindern, die sonst in Kinderheimen untergebracht würden, ein sicheres Umfeld bieten. Foto: dpa - dpa

„Das passt. Kindern Familie ermöglichen“ heißt eine Kampagne, mit der Pflegefamilien gesucht werden.

EsslingenPassen muss es, wenn eine Pflegefamilie für ein Kind gefunden werden soll, das aus irgendeinem Grund kurz- oder längerfristig nicht bei seinen leiblichen Eltern bleiben kann. Doch auch wenn die Chemie nicht stimmt, kann darauf nicht immer Rücksicht genommen werden. Der Grund: Nicht genug Familien sind derzeit dazu bereit, sich um ein fremdes Kind zu kümmern.

Unter dem Titel „Das passt. Kindern Familie ermöglichen“ haben der Paritätische Landesverband Baden-Württemberg und der Verein Arkade mit Unterstützung des Ministeriums für Soziales und Integration eine Kampagne angestoßen, dem Konzept „Pflegefamilie“ ein Gesicht geben soll. „Der Laie weiß sich unter dem Konzept der Pflegefamilie nicht so recht etwas vorzustellen“, erklärte Christine Jacobi, Abteilungsleiterin beim Sozialministerium zum Auftakt der Kampagne. „Viele haben auch Angst, dass das Kind eine Überforderung darstellen könnte, mit der sie dann alleine dastehen.“

Geplant sind im Rahmen der Kampagne drei Pflegefamilien-Aktionstage – am Samstag, 29. Juni, auf der Remstal-Gartenschau in Waiblingen, am Samstag, 3. August, auf der Remstal-Gartenschau in Fellbach und am Samstag, 14. September, auf der Bundesgartenschau in Heilbronn. Zusätzlich gibt es eine Wanderausstellung, die zwölf Porträts von Kindern und Jugendlichen zeigen, die in Pflegefamilien leben.

Arkade ist ein Verein, der unter dem Dach des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes seit 1997 Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien vermittelt. In seiner Trägerschaft befinden sich Jugendhilfe- und sozialpsychiatrische Dienste. Bei der Vermittlung von Pflegekindern setzt der Verein auf engen Kontakt sowohl zur Pflege- als auch zur Herkunftsfamilie der Kinder. „Aktuell begleiten wir 180 junge Menschen in Esslingen, Ulm, Tuttlingen und Ravensburg“, berichtet Arkaden-Bereichsleiter Werner Nuber.

Schirmherr der Kampagne ist der Radiomoderator Oliver Ostermann. „Ich bin selbst im Alter von einem Jahr ins Kinderheim gekommen und war dort achteinhalb Jahre“, erklärt Ostermann sein Engagement. „Ich hätte mir damals einfach jemanden gewünscht, der immer da ist – im Gegensatz zu ständig wechselndem Personal, auf das man sich einstellen muss.“

Was die Entscheidung bedeuten kann, sich als Pflegefamilie zu melden, das wissen Herr und Frau Müller – die Namen wurden zum Schutz eines ihrer Pflegekinder geändert – aus Erfahrung. Vor 19 Jahren haben sie sich als Pflegefamilie beim Jugendamt gemeldet. Zusätzlich zu den eigenen drei Kindern haben die Müllers über die Jahre insgesamt 38 Kinder und Jugendliche in Kurzzeitpflege aufgenommen. „Wie lange die Kinder bei uns bleiben, ist unterschiedlich“, sagt sie. „Von einer einzigen Übernachtung bis zu einem Jahr haben wir schon alles gehabt.“ Das Abschiednehmen sei nicht immer leicht, „aber wir wissen ja, dass der Aufenthalt nur auf Zeit ist“, so Müller.

Aktuell leben drei Pflegekinder, 18, 15 und zwölf Jahre alt, bei den Müllers. Für vier Kinder hat die Familie theoretisch Platz. „Pflegekinder sind eine absolute Bereicherung“, wirbt Herr Müller für das Konzept. „Jedes Kind bringt seine eigenen Begabungen mit. Wir hatten ein Kind, das ließ die Herzen aufgehen, wohin wir auch mit ihm kamen.“ Für den 53-Jährigen ist besonders das Gefühl wichtig, Kindern, die eine schwierige Vorgeschichte oder psychische Belastungen haben, ein sicheres Umfeld zu bieten. Die drei leiblichen Kinder sind inzwischen erwachsen und ausgezogen. „Wir haben sie aber nie mit der Entscheidung überfahren, ein neues Pflegekind aufzunehmen“, erklärt Herr Müller.

Der Bedarf an Pflegefamilien sei hoch, erklärte Christine Jacobi. 8473 Kinder sowie 1084 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wurden 2017 in Baden-Württemberg in Familien untergebracht. „Aber das sind nur 46 Prozent der Kinder, die eine Pflegefamilie gebraucht hätten“, sagt Jacobi. Durch die Kampagne hoffen die Beteiligten, mehr Menschen als Pflegeeltern zu gewinnen. „Dabei definieren wir Familie sehr breit“, sagt Nuber. „Neben erprobten Familien können auch Alleinstehende, Paare oder andere Zusammenlebgemeinschaften sich als Pflegefamilien melden.“

Weitere Informationen über „Das passt.“ gibt es auch unter www.das-passt.org.