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Um das Jahr 1917 geht es in diesem Teil der EZ-Jubiläumsserie Zeit in der Zeitung. In Russland beginnt die Oktoberrevolution. Der vereinbarte Waffenstillstand verschafft Deutschland aber nicht die erhoffte Stärkung.

EsslingenDas Jahr 1917 bringt Entwicklungen mit sich, die die Welt nachhaltig verändern werden. In Russland wächst der Widerstand gegen die Regierung des Zaren, die Bevölkerung ist kriegsmüde und leidet Not. In Petrograd kommt es zum Generalstreik, Soldaten solidarisieren sich, die Februarrevolution beginnt. In den russischen Städten bilden sich Arbeiter- und Soldatenräte. Deutschland erlaubt Lenin die Durchreise aus seinem Exil in der Schweiz nach Russland. Nach der Absetzung des Zaren und der Proklamation einer Republik beginnt die Oktoberrevolution. Im Dezember vereinbart die russische Räteregierung in Brest-Litowsk mit Deutschland und Österreich-Ungarn einen Waffenstillstand.

Die von Deutschland dadurch erhoffte Stärkung seiner militärischen Kraft im Westen tritt nicht ein. Vielmehr verschärfen Provokationen Deutschlands gegenüber den USA die Lage. So weist Deutschland eine Friedensbotschaft des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson zurück und verkündet einen uneingeschränkten U-Boot-Krieg. Die USA brechen daraufhin die diplomatischen Beziehungen ab und erklären schließlich Deutschland den Krieg. Im Juni landen die ersten amerikanischen Truppen in Frankreich. Ungeachtet der Tatsache, dass mit der Besetzung Deutsch-Ostafrikas durch britische Truppen die deutschen Kolonialträume dahin sind, fordern die Großindustrie und nationalistische Verbände, große Gebiete im Baltikum, in Frankreich und Belgien zu annektieren. In der Realität hat der Krieg Deutschland erreicht. Die Eßlinger Zeitung meldet im Oktober Luftangriffe auf Stuttgart und veröffentlicht Verhaltensmaßregeln bei Fliegerangriffen. Die Spannung in Deutschland steigt. Da die Mehrheitsfraktion der SPD im Reichstag neuen Kriegskrediten zustimmt, spaltet sich die Partei, die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) wird gegründet. In den großen Rüstungsbetrieben kommt es zu Streiks, in den Nordseehäfen meutern Matrosen der Hochseeflotte.

Die Ernährungslage nimmt katastrophale Ausmaße an. Die Brotrationen werden auf 170 Gramm pro Kopf und Tag, die Kartoffelrationen auf 2,5 Kilo pro Woche gekürzt. Ein neues Ministerium für Lebensmittelversorgung soll den Umgang mit der Hungersnot steuern.

Auch bei Gütern des täglichen Bedarfs herrscht Not. Die behördlichen Anordnungen werden dabei für Durchhaltepropaganda genutzt. So meldet die Eßlinger Zeitung, dass sich die Einwohnerschaft bei der gerechten Versorgung mit Heizmaterial „darin zu betätigen hat, bei der Bestandsaufnahme der vorhandenen Brennstoffe in Privathaushaltungen willig und ehrlich mitzuwirken“. Wohl müsse „auf manche Bequemlichkeit verzichtet werden“, doch dies sei unbedeutend gemessen an den Leistungen derer, „die unser Haus und Herd vor feindlichem Angriff geschützt haben“.

Auch die Trauer um die gefallenen Angehörigen wird instrumentalisiert. Die Eßlinger Zeitung schreibt, „daß die behördlichen Streckungsmaßnahmen auf dem Gebiet der Web-, Wirk- und Strickwaren eine wesentliche Unterstützung erfahren würden,wenn die einzelnen bei Todesfällen in ihrer Umgebung auf eine besondere Trauerkleidung verzichten würden“. Überdies sei es gewiss „nicht im Sinne unserer Gefallenen, wenn wir die Trauer um sie durch Aeußerlichkeiten betonen zu müssen glauben, die geeignet sind, unsere Kriegswirtschaft zu schädigen“.