Ulrich Fehrlen (FDP) Quelle: Unbekannt

(eli/pih/rok) - „Das ist nicht unsere Wunschkoalition“, das geben die befragten Kommunalpolitiker unumwunden zu. Aber die Vertreter von CDU, Grünen und FDP aus dem Landkreis sind ziemlich zuversichtlich, dass das Experiment „Jamaika-Regierung“ funktionieren wird. Dass Kompromisse gefunden werden und man sich dann am Riemen reißt, das erwartet man an der Basis der Parteien - und das Ganze soll funktionieren, ohne dass die Grundwerte der eigenen Partei verleugnet werden.

Offen steht der Esslinger CDU-Stadtrat und stellvertretende Fraktionschef Edward-Errol Jaffke der Koalition mit FDP und Grünen gegenüber. Vor Jahren habe er sich als CDU-Kreisvorsitzender für eine Koalition mit den Grünen stark gemacht, „aber damals wurde man dafür in der Partei noch gehauen.“ Jaffke glaubt, dass die Verhandlungen nicht einfach werden. Aber er ist überzeugt, dass das Experiment Jamaika klappen wird, „denn wir haben einen klaren Wählerauftrag“. Daher sieht er den Koalitionsverhandlungen gelassen entgegen. Wichtig ist Jaffke, dass die Positionen der CDU zum Thema Sicherheit im Koalitionsvertrag klar zum Tragen kommen. Da geht es dem Kommunalpolitiker nicht nur um allgemeine Sicherheitsfragen, sondern auch um Rechtssicherheit. Ebenso zentral sind für ihn sichere Arbeitsplätze. Wirtschaftsfragen aus ökologischer Sicht zu denken, ist für ihn zukunftsweisend.

„Jamaika ist nicht unsere Wunschkoalition“, sagt Carmen Tittel, Stadträtin und Fraktionschefin der Grünen im Esslinger Gemeinderat. „Die Wählerinnen und Wähler erwarten, dass wir Grüne Verantwortung in einer Jamaika-Koalition übernehmen“. Man könne die Bürgerschaft nicht so lange wählen lassen, bis die Wunschkoalition herauskommt. Ganz klar ist für die Büroleiterin des Vorsitzenden der Landtagsfraktion der Grünen, Andreas Schwarz, „dass unsere grüne DNA in einer möglichen Regierung sichtbar werden muss“. Was bedeutet das für sie? „Unsere ökologische Politik muss sich in der Koalitionsvereinbarung deutlich wiederfinden.“ Sie wünscht sich, dass die Grünen nicht nur das Verkehrs- und das Umwelt-, sondern auch das Finanzministerium bekommen. Kernthemen wie neue Mobilität und Strategien gegen den Klimawandel sind ihr wichtig. Was liberale Werte angeht, sieht Tittel eine Nähe zur FDP. Schwieriger werde es da mit der CSU.

„Ich wünsche mir eine Koalition der Vernunft“, sagt Wolfgang Haug, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion im Gemeinderat von Leinfelden-Echterdingen. 1971 trat der Kommunalpolitiker in die FDP ein, seit 1973 sitzt er im Gemeinderat. 1982, als die FDP die sozialiberale Koalition mit der SPD beendete, habe sie als „Umfaller-Partei“ gegolten. Haug sieht die Chance, dieses Image nun loszuwerden, wenn die Jamaika-Koalition zustande kommt. Er ist überzeugt, dass das Experiment klappt. Dass die FDP nun wieder in den Bundestag einzieht, freut ihn nicht zuletzt für seine Fraktionskollegin im Gemeinderat, Judith Skudelny, die nun wieder in Berlin ist. Haug ist offen für die Grünen als neuen Koalitionspartner. Über Klimawandel müsse man nachdenken, findet er. Obwohl er sich eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht vorstellen könnte, ist es ihm wichtig, „dass wir auch klar Position zu den Themen beziehen, die sie besetzen“. Die dürfe man nicht den Rechtspopulisten überlassen.

Für den FDP-Kreisvorsitzenden Ulrich Fehrlen, Stadt- und Kreisrat aus Esslingen, müssen drei Dinge in der Koalitionsvereinbarung stehen: „Zunächst eine Regelung für eine geordnete Zuwanderung. Die Wirtschaft braucht dringend ein Einwanderungsgesetz. Da muss sich vermutlich die CSU noch bewegen.“ Bei der Energiepolitik müssten sich die Grünen bewegen, ein Verbot von Verbrennungsmotoren ab 2030 sei jedenfalls abzulehnen. Zum dritten gelte es, eine Steuerentlastung durchzubringen. Das sollte man in Zeiten sprudelnder Steuerquellen schon schaffen. „Ich denke schon, dass man in den Verhandlungen eine Basis bekommt, auf der die Koalition vier Jahr durchhält“, sagt Fehrlen. In Stein gemeißelt seit aber nichts und es komme immer darauf an, wie man miteinander umgehe. „Da müssen sich eben alle am Riemen reißen.“

Gerlinde Ziegler, CDU-Stadt- und Kreisrätin aus Plochingen, sagt: „Mir ist wichtig, dass die CDU in der angestrebten Koalition nicht ihre Prinzipien über Bord wirft, das C muss erkennbar bleiben. Das gilt auch für die Flüchtlingsproblematik.“ Sie halte nach wie vor für richtig, was Kanzlerin Merkel 2015 gemacht habe. Künftig sei aber wichtiger, dass man die Flüchtlinge in ihrer Heimat unterstütze. Als heikle Punkte bei den Koalitionsgesprächen sehe sie im Hinblick auf die FDP die Fragen zur Sicherheit. Angesichts der realen Gefahrenlage müsse der Staat Vorsorge treffen. Bei den Grünen fürchte sie, dass zu viel Ideologie hineinspiele. Eine Festlegung, dass es ab 2030 keine Benziner mehr auf der Straße geben darf, lehne sie ab. „Zu dieser neuen Koalition sehe ich aber keine Alternative. Vertrauensbildung statt Sturheit ist jetzt notwendig“, sagt Ziegler.

Für Margarete Schick-Häberle (Grüne), Stadt- und Kreisrätin aus Ostfildern, ist zunächst wichtig, dass es zu einer guten Regierungsvereinbarung kommt. „Ich möchte nicht, dass es gleich wieder Neuwahlen gibt.“ Bei den Verhandlungen liegt ihr eine gute Regelung für den Familiennachzug der Flüchtlinge am Herzen. „Integration funktioniert nur mit Familie.“ Die Sozialarbeiterin ist zuversichtlich, dass sich alle vier Parteien auf einen Grundkonsens einigen können, bei dem dennoch die Handschrift jeder Partei erkennbar ist. „In einer Demokratie muss man einander zuhören und bereit sein, die Gemeinsamkeiten zu suchen.“ Als schwierig schätzt Schick-Häberle die Gespräche über Wirtschaftsthemen ein. „Die Ökologie muss da einen Platz haben, das muss auch eine Partei wie die FDP erkennen, dass Wirtschaft und Leben nur mit Ökologie funktioniert.“

Norbert Simianer, CDU-Fraktionsvorsitzender in Ostfildern, sieht viele Chancen in der Jamaika-Koalition. CDU, FDP und Grüne müssten zusammenarbeiten und Kompromisse eingehen - und dabei auch auf vieles verzichten. „Ich sehe in der Koalition die Chance, dass das Unverständnis unter den Parteien abgebaut wird und eigene Einstellungen nochmal überdacht werden“, sagt Simianer. Er hoffe, dass nach vier Jahren Jamaika-Koalition das Interesse an der Politik steige und die Leute wieder gern ihre Stimme abgeben, weil sie merkten, dass sich was getan habe. „Ich wünsche mir, dass sich die neue Regierung auf ein Einwanderungsgesetz einigt, bei dem die Einwanderung ordentlich geregelt wird. Sie soll außerdem Menschen im Blick haben, die nicht viel Geld verdienen.“ Die Bürger hätten zudem immer mehr Angst vor Kriminalität und vor Einbrüchen. Um etwas dagegen zu tun, müssten keine neuen Gesetze schaffen werden: Es würde reichen, wenn die Bestehenden eingehalten würden. Dafür solle die CDU Sorge tragen.

Für Ursula Merkle, Stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion im Kreistag, ist die Jamaika-Koalition keine Wunschkoalition. Sie hätte sich eine Koalition von FDP und CDU gewünscht. „Ich möchte, dass die Handschrift der CDU erkennbar sein wird, wir sind auch die größte Fraktion im Bundestag. Ich finde es schade, dass die FDP und die Grünen ihre Positionen lauthals bekannt geben, während sich die CDU zurückhält.“ Ihre Partei solle sich eindeutig positionieren und sich einig darüber sein, was die CDU ausmache und was nicht verhandelbar sei. Durch die Jamaika-Koalition werde die CDU gewissermaßen dazu gezwungen, dies zu tun. Klar sei aber auch, dass nicht jede Partei sich durchsetzen könne und man Kompromisse eingehen müsse. „Es wird schwierig werden, über eine Einführung der Obergrenze und den Grenzschutz zu debattieren oder mit den Grünen über über die Abschaffung der Verbrennungsmotoren zu verhandeln, der wir entgegenstehen“, sagt Merkle. „Wenn die CDU aber ihren Kern aufgeben müsste, um in der Koalition arbeiten zu können, dann sollte man Jamaika platzen lassen.“