ExVocal präsentierte Lieder und Gedichte zur kalten Jahreszeit. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Mit Liedern und Gedichten widmete der Kammerchor ExVocal sein Neujahrskonzert der Kälte.

EsslingenIst Weihnachten nicht vorbei? Aber „Jingle Bells“ ist eigentlich kein Weihnachtslied. Es besingt eine Fahrt mit dem Pferdeschlitten, wie sie James Feminore Cooper zu Beginn seines ersten Lederstrumpf-Romans beschreibt, den die Wenigsten ganz gelesen haben, weil für gewöhnlich nur stark gekürzte Jugendbuch-Versionen in den Bücherregalen stehen. 1823 veröffentlicht, blickte Cooper in dem historischen Roman damals schon in frühere Zeiten zurück. „Jingle Bells“ entstand rund 30 Jahre später. Schnee wird infolge des Klimawandels in unseren Breiten immer seltener, und die Kälte und Dunkelheit der Winternächte, wie sie der Kammerchor ExVocal in seinem Konzert in der evangelischen Kirche Sulzgries besang, treffen uns heute in unseren zentralbeheizten Wohnungen und Arbeitsplätzen längst nicht mehr so hart wie zu den Zeiten, als die Mehrzahl der vorgetragenen Lieder und Liedtexte entstand. Immerhin herrschte draußen an jenem Abend klirrende Kälte: eine gute Einstimmung zu einem Programm, das mit einem Lied des populären John Rutter über einem Text von William Shakespeare begann: „Blow, blow, thou winter wind“.

Von Sebastian Neumann am Keyboard schwungvoll begleitet, begannen zunächst die Sopranstimmen, bevor sich auf der Grundlage eingängiger Melodien ein dichtes polyphones Werk entfaltete. Zwischen den einzelnen Liedern trugen Sängerinnen und Sänger des Chors immer wieder auch winterliche Gedichte vor. „Verschneit liegt rings die ganze Welt/ Ich hab’ nichts, was mich freuet“, so beginnt Joseph von Eichendorffs „Winternacht“, und wieder folgte eine alte Melodie in einem modernen Arrangement von Wolfram Buchenberg: „Ach bittrer Winter“, in Moll homophon eine Zeit evozierend, in der sich kein Leben mehr rührt. Winter ist aber nicht nur trostlos und öd. Auf Christian Morgensterns „Neuschnee“ folgte nun das erwähnte „Jingle Bells“, auch dieses in einer modernen Version von Bob Chilcott: einerseits im geraden, munteren Rhythmus des bekannten Dauerbrenners, dann aber doch mit erweiterten Harmonien. „Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege“, heißt es in Erich Kästners „Der Januar“, und allerlei Betrachtungen über die liebe Not des Menschen schließen sich an. Damit begann der zweite Teil des Programms, überschrieben „Zwischen Angst und Zuversicht“ und musikalisch eingeleitet von einem romantischen „Neujahrslied“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy, von dem insgesamt drei Werke zu hören waren. „Herr schicke was du willst“, beginnt fatalistisch Max Bruchs gleichnamiges Lied über einen Text von Eduard Mörike: „ein Liebes oder Leides“. Auf der Suche nach Zuversicht war das Programm unversehens bei geistlichen Werken angelangt, die nun nicht unbedingt alle auf den Winter geschrieben waren. „Ein bisschen mehr Friede und weniger Streit …“ wünscht sich Peter Rosegger in seinem bekannten Gedicht „Wünsche zum Neuen Jahr“. Und darauf folgte Aaron Coplands Motette „Help Us Oh Lord. „Es ist ein Ros‘ entsprungen“ ist nun tatsächlich ein Weihnachtslied, dessen Metaphorik allerdings auf die winterliche Jahreszeit verweist: „Mitten im kalten Winter“ entspringt die Rose Jesus Christus. Die Dirigentin Karin Kröper und der Chor haben auch hier eine moderne Version gewählt, nämlich von Hugo Distler, von dem später noch eine Bearbeitung des Kirchenliedes „Lobe den Herren“ erklang, im Wechsel mit Johann Sebastian Bach, von dem zuvor bereits „Jesu meine Freude“ zu hören war. „Lob und Dank“ stand über dem dritten Teil des Programms, angefangen mit August Heinrich Hoffmann von Fallerslebens Gedicht „Neujahrslied“ und musikalisch mit Mendelssohn-Bartholdys „Jauchzet dem Herrn, alle Welt“ über Psalm 100, vielleicht für eine liberale Synagoge in Hamburg geschrieben. Das „Cantate Domini“ wiederum von Vytautas Miškinis, der in seinem Chorwerk auf die reiche litauische Gesangstradition zurückgreift, beruht auf Psalm 98, in der Luther-Übersetzung „Singet dem Herrn ein neues Lied“. Das Programm endete wie es begann mit John Rutters. Da aber das Publikum nicht aufhören wollte zu applaudieren, entschied Katrin Kröper, „Jingle Bells“ zu wiederholen, nun noch gelöster und schwungvoller als beim ersten Mal.