Aktuell steht der neue Blitzeranhänger in der Urbanstraße. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Das neue Radargerät hält in wenigen Tagen 5000 Tempoverstöße fest. Die Blitzer gelten vor allem der Sicherheit.

EsslingenAnfang Oktober sorgte ein neuartiger mobiler Blitzer an der Bundesstraße 10 für Aufsehen. Auf Höhe der Ausfahrt Oberesslingen in Fahrtrichtung Stuttgart hatte das Ordnungsamt Esslingen über mehrere Tage einen sogenannten „Enforcement Trailer“ aufgebaut, um zu überprüfen, wie es die Verkehrsteilnehmer mit den vorgeschriebenen 80 Kilometern pro Stunde halten. Was eigentlich nur als Probelauf für die erst kürzlich gelieferte, anhängerähnliche Überwachungsanlage vorgesehen war, entpuppte sich aber schnell als Erfolg. Innerhalb von fünf Tagen blitzte es aus dem weißen Kasten mit Nummernschild stolze 4936 Mal, also knapp 1000 Mal täglich.

„Die ersten Eindrücke waren fantastisch“, berichtet Christian Völkel, der Leiter der Verkehrsabteilung des Ordnungsamtes, über die Feuertaufe des schusssicheren und mit einer Alarmanlage gesicherten Anhängers: „Wir haben viele brauchbare Bilder bekommen.“ Die genaue Anzahl der Verkehrssünder, die letztlich durch Bußgeld, Punkte oder Führerscheinentzug zur Verantwortung gezogen werden können, müsse sich allerdings erst noch zeigen. „Da warten wir noch die Auswertung ab, ich gehe aber schon davon aus, dass wir ein paar Führerscheine einziehen werden“, ist Völkel zuversichtlich.

Die Stelle auf Höhe des Eisstadions gilt seit Längerem als Unfallschwerpunkt, dies gehe aus Daten der Polizei hervor, die dem Ordnungsamt einmal jährlich zugespielt würden. „Sobald eine festgelegte Anzahl an Unfällen in einem Zeitraum überschritten wird, gibt die Polizei diese Informationen an die Verkehrsabteilung des Ordnungsamtes weiter“, sagt Rathaussprecher Roland Karpentier.

Neben Unfallskizzen, Fahrzeuganzahl und Geschlecht der beteiligten Personen seien dort auch Angaben zur Geschwindigkeit zu finden. „Wir bereiten die Daten anschließend auf, schauen uns die Unfallstellen vor Ort an und versuchen dann zu ergründen, wie die Unfälle zustande kommen konnten“, erläutert Völkel das weitere Vorgehen. Vor allem die Geschwindigkeitsangaben würden dabei eine wichtige Rolle spielen: Schließlich sei ein Großteil aller Unfälle auf eine unangebrachte Geschwindigkeit zurückzuführen.

Bewusstsein bei Fahrern schaffen

Der Blitzereinsatz an der B 10 hat die Daten nun indirekt verifiziert. Von Göppingen kommend in Richtung Stuttgart sind bis zu den Blitzersäulen auf Höhe der Pliensaubrücke und einige Kilometer weiter am Neckarcenter in Mettingen keinerlei stationäre Blitzer installiert. „Viele Fahrer wissen das und nutzen es aus, indem sie unnötig Gas geben“, sagt Völkel. Zwischen Eislingen und Esslingen würde deshalb häufig deutlich schneller gefahren als erwünscht. Mit dem neuen Blitzeranhänger, der die Stadt 70 000 Euro gekostet hat und zukünftig auch an anderen Brennpunkten im Stadtgebiet zum Einsatz kommen wird, wolle man dem entgegenwirken und wieder für deutlich mehr Verkehrssicherheit sorgen.

Die Vorteile des Anhängers der Firma Vitronic liegen dabei auf der Hand. Dank unabhängiger Stromversorgung ist laut Hersteller ein ununterbrochener Messbetrieb von bis zu zehn Tagen realistisch. Dies wiederum ermöglicht es, nicht nur in auffälligen Spitzenstunden zu messen, sondern auch mehrere Tage am Stück und vor allem dann, wenn kein Fahrer damit rechnet. „Gerade nachts oder am Wochenende fühlen sich viele sicher und fahren unnötig schnell“, sagt Völkel. Genau dem soll mit der neuen Technologie entgegengewirkt werden. „Wir müssen es in die Köpfe der Verkehrsteilnehmer hineinbekommen, dass sie auf jeder Straße zu jeder erdenklichen Uhrzeit damit rechnen müssen, geblitzt zu werden.“ Darüber hinaus baut die Stadt auf insgesamt vier mit mobilen Blitzern (Laser oder Lichtschranke) besetzte Pkw und mehrere stationäre Blitzanlagen.

Dass viele Fahrer dabei Abzocke vermuten, kann Völkel einerseits verstehen („Ich bin ja selbst Verkehrsteilnehmer“), andererseits führe kein Weg daran vorbei. Das Verkehrsverhalten in den vergangenen Jahrzehnten habe sich eindeutig verschlechtert. „Der Egoismus im Straßenverkehr wird immer größer, es herrscht regelrecht eine Ellenbogenmentalität“, findet Völkel und schließt Fahrradfahrer und Fußgänger dabei nicht aus. Ein Miteinander im Straßenverkehr, wie es in den 50er und 60er Jahren noch geherrscht habe, sei in weite Ferne gerückt.

Das Ziel von Gemeinderat und Stadtverwaltung, das Fahrverhalten der Menschen an die jeweils geltenden Regelungen anzupassen und somit mittel- bis langfristig die Verkehrssicherheit im Stadtgebiet zu stärken, erscheint daher umso wichtiger. „Und das Erreichen dieses Ziels erfordert nun mal ständige Kontrollen“, sagt Völkel. Die Vorwürfe, man würde nur dort messen, wo sich viel Geld verdienen lasse, kann der Abteilungsleiter nicht nachvollziehen. „Die Einnahmen sind ja nur so hoch, weil an den jeweiligen Stellen die Zahl der Geschwindigkeitsüberschreitungen so hoch ist.“

Einnahmen von 2,2 Millionen Euro

Schätzungsweise 2,2 Millionen Euro dürften Verstöße aller Art der Stadt allein im Jahr 2018 in die Kassen spülen. Neben den Bußgeldern der städtischen Geschwindigkeitsüberwachung sind in dem geschätzten Betrag aber auch Rotlichtüberwachung, polizeiliche Geschwindigkeitsüberwachungen, Alkohol- und Gurtverstöße, Bußgelder aufgrund von Unfällen, Durchfahrtskontrollen und Handyverstöße am Steuer enthalten. Ein durchaus positiver Nebeneffekt der zunehmenden Verkehrssicherheit, wie Völkel findet. „Das Geld ist natürlich willkommen, weil es nicht zweckgebunden ist, sondern direkt in den Haushalt der Stadt fließt.“ Ein Teil des Geldes ist zudem für Personal- und Sachkosten vorgesehen.

Der Ankündigung, dass die neu angeschaffte Überwachungsanlage künftig im gesamten Stadtgebiet zum Einsatz kommen wird, lässt das Ordnungsamt bereits Taten folgen: Nach dem Einsatz an der B 10 tauchte der Blitzeranhänger zuletzt für einige Tage in der Mühlbergerstraße (159 Auslöser) sowie der Hauptstraße in Zell auf. Aktuell wird in der Urbanstraße geblitzt. In der dortigen 30er-Zone wurden zum Unmut einiger Anwohner zwei Zebrastreifen entfernt, was wiederum dazu führte, dass vermehrt zu schnell gefahren wird. „Ich finde es wirklich traurig, dass hier auf dem Rücken der schwächsten Verkehrsteilnehmer Einsparungsmaßnahmen stattfinden“, schrieb unter anderem eine besorgte Anwohnerin in einem Beschwerdebrief an Völkel. Die Stadt versucht den Rasern nun scheinbar per Blitzer auf die Schliche zu kommen.

Die Blitzer-Flotte der Stadt Esslingen

Mobil

Zwei Pkw mit Vitronic Poliscan FM1 Laserscanner für den mobilen sowie stationären Einsatz.

Ein Pkw mit Leivtec XV 3 Laserscanner für den mobilen Einsatz.

Ein Pkw mit einer ESO Lichtschrankenanlage.

Ein Vitronic Enforcement Trailer.

Stationär

Zwei Blitzersäulen an der B 10 auf Höhe der Pliensaubrücke (Geschwindigkeitsüberwachung).

Zwei Blitzersäulen an der B 10 auf Höhe des Neckarcenters in Mettingen (Geschwindigkeitsüberwachung).

Eine Blitzersäule in der Schorndorfer Straße (Geschwindigkeitsüberwachung).

Zwei Blitzer auf der Adenauer Brücke (Geschwindigkeits- und Rotlichtüberwachung).

Zwei Blitzer auf der Vogelsangbrücke (Rotlichtüberwachung).

Ein Blitzer an der Ecke Schorndorfer Straße/Plochinger Straße (Rotlichtüberwachung)

Personal: Vier Mitarbeiter des Ordnungsamtes sind hauptberuflich für die mobilen Blitzeranlagen zuständig.