Jürgen Bernhardt, Geschäftsführer von BioTeSys, - hier mit der Technischen Assistentin Gabi Daniel - sieht große Chancen für Esslingen. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Melanie Braun

Vor etwa einem Jahr gab es große Diskussionen um die Zukunft des Life Science Centers in der Schelztorstraße. Denn der Gemeinderat ist schon länger unzufrieden mit der Entwicklung des Gründerzentrums und fordert Veränderungen. Inzwischen arbeitet die Stadt an einem Konzept für eine Neuausrichtung der Zukunftswerkstatt. Und auch bei den Firmen im Life Science Center gibt es einige Ideen, wie man sich für die Zukunft aufstellen könnte.

Bei der Stadtverwaltung ist der Wirtschaftsförderer Marc Grün federführend für das Life Science Center (LSC) zuständig. „Wir befassen uns jetzt im Januar und Februar intensiver mit dem Thema“, sagt Grün. Ziel sei es, bis zum Sommer oder spätestens bis zum Herbst ein Konzept zu erarbeiten, das dem Gemeinderat dann vorgestellt werden soll. In welche Richtung dieses gehen wird, könne er aber noch nicht sagen.

Laut dem städtischen Pressesprecher Roland Karpentier hat die Stadtverwaltung noch keine abgeschlossene Meinung zur Zukunft des LSC - und im Gemeinderat gingen die Ansichten dazu ebenfalls auseinander. Wirtschaftsförderer Grün sagt nur so viel: „Aus meiner Sicht ist ein Gründerzentrum durchaus sinnvoll, weil es einen Wirtschaftsraum beleben kann.“ Man müsse sich aber überlegen, ob eine solche Zukunftswerkstatt in städtischer Hand liegen muss - schließlich gebe es durchaus auch private Innovationszentren.

Life Science Fonds läuft aus

In finanzieller Hinsicht hat man sich schon auf eine Neuerung festgelegt. Bereits vor mehr als einem Jahr haben die Gesellschafter des LSC beschlossen, vorzeitig den Fonds auslaufen zu lassen, mit dem bis dahin neue Firmen im Gründerzentrum während der ersten fünf Jahre nach ihrem Start finanziell unterstützt wurden. Das Instrument habe sich überlebt, weil es inzwischen viel mehr Möglichkeiten gebe, an Risikokapital zu kommen, so die Argumentation. Allerdings würden die bereits abgeschlossenen Verträge natürlich eingehalten, betont Karpentier.

Während die Stadt noch überlegt, gibt es bei den Firmen im Life Science Center schon einige Vorstellungen davon, wie es künftig weitergehen könnte. Jürgen Bernhardt, Geschäftsführer der Firma BioTeSys, ist überzeugt davon, dass in Esslingen Riesenpotenzial schlummert - man müsse nur die vorhandenen Kompetenzen zusammen führen. Denn die Branche habe sich verändert, seit vor 18 Jahren das Life Science Center als Brutstätte für Biotechnologie-Firmen eingerichtet wurde. „Heute ist Biotechnologie eine Querschnittstechnik“, betont Bernhardt. Sie spiele in die Medizintechnik mit rein, in die Verfahrenstechnik, aber auch in Automobil- oder Lebensmitteltechnik. Und genau das sei die Chance für Esslingen.

Denn die Biotechnologie sei jetzt so weit, dass sie in die Automatisierung einsteigen könne. Das biete ganz neue Möglichkeiten für Kooperationen mit Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Für Esslingen seien da etwa Vernetzungen mit der Automobilindustrie denkbar. Oder aber ein Schwerpunkt in der Lebensmittelindustrie: Gleich mehrere der Firmen im LSC beschäftigen sich mit diesem Bereich. Bernhardt findet: „Die Zeit ist total reif, ein Konzept zu entwickeln.“ Das A und O sei, die Kompetenzen vor Ort zu vernetzen: „Die Themen liegen alle auf dem Tisch.“ Geradezu ideal wäre aus seiner Sicht eine Art Campus, der entstehen könnte, wenn die Hochschule ins Zentrum zieht und man ein sinnvolles Netzwerk knüpft. Davon könnten sowohl Studenten und Forscher als auch die jungen Firmen im LSC und etablierte Unternehmen profitieren.

Schwierig seien gerade für Biotechnologie-Firmen allerdings Umzüge. Denn es dauere ewig, bis neue Räume auf die hohen Qualitätsansprüche in der Branche ausgerichtet sind. Zudem sei es schwierig, laufende Projekte - die eventuell unter sterilen Bedingungen gehalten werden müssen - zu transferieren, erklärt Bernhardt. Das könnte ein Grund dafür sein, dass in dem Gründerzentrum nicht die Fluktuation herrscht, die man sich im Gemeinderat wünscht. Auch Barbara Kniel, Vorstand der Biotask AG im LSC, sagt: „Einen Umzug versucht man in unserer Branche zu vermeiden.“ Einen solchen strebe ihre Firma derzeit ohnehin nicht an, denn man fühle sich im Life Science Center eigentlich gut aufgehoben. Die Biotask AG ist seit Beginn im Jahr 2000 im LSC und sei seither stark gewachsen, so Kniel. Daher sei sie zufrieden: „Man kann hier gut arbeiten, das ist das Wichtigste.“

Auch bei der Anoxymer GmbH, die sich seit mehr als zehn Jahren im LSC befindet, ist man zufrieden. „Das Netzwerk unter den Firmen hier ist sehr gut“, lobt der Geschäftsführer Wolfgang Neldner. Vom Life Science Fonds habe man ebenfalls sehr profitiert. Doch nun habe sich seine Firma so weit entwickelt, dass man in die Produktion von neuen Superfoods einsteigen wolle und deshalb aus dem Gründerzentrum ausziehe. Allerdings bleibe die Firma namentlich erhalten: Ein sogenannter Mantelkäufer aus Berlin nutze den Namen, um unter diesem mit anderer Gesellschafterstruktur künftig biologischen Dünger und Futtermittel für die moderne Landwirtschaft zu entwickeln. Dem LSC rät auch Neldner, sich künftig auf einen Bereich zu spezialisieren: Die Lebensmitteltechnologie liege angesichts der Firmen im LSC nahe.

Serie

In unserer Serie „Was wurde eigentlich aus...?“ beleuchten wir Themen, die vor einiger Zeit in Stadt und Kreis intensiv diskutiert wurden, inzwischen aber etwas aus dem Fokus gerückt sind. Wir fragen nach, was der Stand der Dinge ist und wie sich die Sache in der Zwischenzeit weiterentwickelt hat. Die Serienteile erscheinen in den kommenden Wochen in loser Folge.

Das life Science center

Gründerzentrum: Das Life Science Center Esslingen (LSC) wurde im April 2000 in Betrieb genommen. Die Idee war, dass hier junge Firmen Räume zu günstigen Konditionen mieten und mit finanzieller Unterstützung aus dem Life Science Fonds ihre Startphase meistern können. So sind nach Angaben des städtischen Wirtschaftsförderers Marc Grün die Mieten im LSC für Neufirmen in den ersten zwei Jahren zunächst reduziert und werden dann erhöht - liegen laut Grün aber auch nach diesen zwei Jahren noch deutlich unter dem in Esslingen üblichen Mietspiegel. Allerdings könnten die Preise der Laborflächen mit marktüblichen Mietpreisen nur schwer verglichen werden, da diese je nach Laborausstattung abweichen könnten.

Entwicklung: Eigentlich sollten die Firmen das LSC nach der subventionierten Startphase verlassen und auf dem freien Markt Fuß fassen. Das hat in Esslingen allerdings bislang nicht so geklappt, wie man es sich im Gemeinderat vorgestellt hatte. Zum einen fehlen laut den Firmen in der Stadt oft adäquate Flächen, zum anderen sei ein Umzug in der Branche so aufwendig, dass er schnell existenzbedrohend werden könne, heißt es von Seiten der Firmen. Im Gemeinderat ist man mit dieser Entwicklung allerdings nicht zufrieden. Deshalb soll von der Wirtschaftsförderung der Stadtverwaltung nun ein neues Konzept für die Zukunft des Life Science Centers entwickelt werden.