Ulrich Stoll vom Aufsichtsrat der Firma Festo lässt sich im „Cyber-Planet“ von den Schülern ihre Projekte erklären. Foto: Dietrich Quelle: Unbekannt

Von Peter Dietrich

Auch das Schelztor-Gymnasium will Tablet und Smartphone sinnvoll in allen Fächern einsetzen. Aber Digitalisierung sei viel mehr, betont Schulleiter Jörg Leihenseder. Die Schüler sollten unter anderem „selbst machen, verstehen, programmieren, Roboter steuern, Geräte im Umweltmessbereich konstruieren“. Ach man, warum nur muss ich diese menschlichen Knochen und Gelenke lernen? So mag mancher Schüler denken. Doch plötzlich will dieser Schüler den kleinen blauen Roboter Marty mit Hilfe seiner drei Servoantriebe pro Bein zum Laufen bringen. Für die Programmierung sollte er zuerst einmal verstehen, wie die Abläufe beim menschlichen Gehen sind. Und schon ist das Fach Biologie viel spannender als vorher.

Blinkende Kugel

Auf solche Effekte quer durch die Fächer hofft Leihenseder. Bei der Eröffnung des „Cyber-Planet“, einem neuen Computerraum, kritisierte er die unpräzise Verwendung des Begriffs „Digitalisierung“. Konkret sind die Vorstellungen und Projekte des Gymnasiums. Im „IT-Projekthaus“ kooperiert es mit der Hochschule Esslingen. Unter Anleitung von Studenten erstellen Mittel- und Oberstufenschüler eigene Computerprogramme und testen sie. Die durchsichtige Kugel, die da so flink und blinkend über den Boden saust, heißt Sphero und ist ein kleiner Computer. Er darf auch mal herunterfallen, ohne deshalb gleich kaputtzugehen, wird über Induktion ohne Stecker und Kabel aufgeladen und lässt sich mit einer App steuern. Ziel ist, dass die Neunt- und Zehntklässler eine eigene App fürs Smartphone programmieren lernen.

Nun ist auch die Unterstufe an der Reihe. Aus dem „Deffner-Zimmer“ der Schule ist der „Cyber-Planet“ geworden. In diesem Raum arbeiten die Schüler in der Coding AG mit dem Raspberry Pi, dieser Computer ist etwa so klein wie ein Päckchen Butter. Allerdings ein wenig teurer, das Komplettpaket mit Zehn-Zoll-Bildschirm, Tastatur, Maus und Kabeln kostet je nach Stückzahl etwa 400 bis 500 Euro. Das Ganze läuft unter Linux. Marty ist in diesem Preis noch nicht mit drin, für den Bausatz sind etwa 120 bis 140 Euro extra fällig. Alles ist in stapelbaren Kisten verpackt und lässt sich auch draußen einsetzen. Etwa dann, wenn sich die Schüler mit Umweltmesstechnik beschäftigen und selbst Feinstaub messen.

Für die Unterstufe hat das Gymnasium zwei verlässliche Partner gefunden, alle drei Beteiligten haben vergangene Woche eine Absichtserklärung unterzeichnet. Einer der Partner ist die Firma Festo. Wie wichtig das Unternehmen das Projekt nimmt, zeigte sich daran, dass zur Eröffnung des „Cyber-Planet“ der stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender Ulrich Stoll kam. „Nicht die Pause sollte das Digitalste der Schule sein“, betonte er und ließ sich von den Schülern ihre bisherigen Projekte erläutern. Sie haben unter anderem ein Casino programmiert, bei dem natürlich auch die Warnung, dass Glücksspiel süchtig machen kann, nicht fehlen darf. Dazu gab es von anderen Schülern einen Taschenrechner, ein Labyrinth und ein Fußballspiel. Auf einem anderen Bildschirm rollte ein virtueller Postbote dem Briefträger hinterher. Programmiert wird mit Scratch, einer Art „Plastikbauklötze für Software“. Die einzelnen Programmbausteine werden auf dem Bildschirm verschoben und klicken nur dann ein, wenn „die Noppen passen“, also die Programmierung sinnvoll ist.

Nicht nur für die Prüfung lernen

Dass die Projekte der Coding AG so gut laufen, liegt am dritten Partner, dem Verein „Rüdern TechnikClub“. Dessen Vorstand Hermann Klinger ist ein Ex-Festo-Mitarbeiter und nun IT-Überzeugungstäter im Ruhestand. Er beschrieb ein weiteres Beispiel der Vernetzung: Wer mit GPS-Koordinaten arbeiten wolle, der müsse Längen- und Breitengrade verstehen. So merken die Schüler, dass sie die Grundlagen nicht nur für die Prüfung lernen. Ebenso begeisterte Digitalisierungsaktive sind die NWT-Lehrer Thomas Rosenthal und Thorsten Gossel. Elemente aus der Coding AG sollen Eingang in den NWT-Unterricht finden. Die Spezialisierung auf Naturwissenschaft und Technik ist am Schelztorgymasium nun auch schon in der sechsten Klasse möglich, die zweite Fremdsprache kommt in diesem Fall erst später. Am Schelztor-Gymnasium hat also ein bekanntes Sprichwort eine weitere Bedeutung bekommen: Nicht für die Schule, für die Programmierung lernen wir.