Geistesblitze: mit Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Ist Künstliche Intelligenz gefährlich oder unverzichtbar? Antworten und Impulse gab es dazu beim elften Unternehmer Forum der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen.

EsslingenKünstlich-gefährliche Technologiehysterie oder intelligente, unverzichtbare Lösungssysteme der Zukunft? Künstliche Intelligenz (KI) ist ein zweischneidiges Schwert, das tiefe Einschnitte in Gesellschaft und Wirtschaft hinterlassen, aber auch einschneidende Veränderungen zum Positiven bewirken kann. Vor allem um die Auswirkungen von KI auf den für die Region so wichtigen Mittelstand ging es beim elften Unternehmerforum unter dem Oberbegriff „Geistesblitze“ der Kreissparkasse im „Haus des Kunden“ in Esslingen.

Sie ist schwer zu fassen. Künstliche Intelligenz hat eine folgenschwere Eigenschaft: „Wenn sie funktioniert, nimmt man sie nicht mehr als KI wahr“, führte Professor Peter Fettke von der Universität des Saarlandes und dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in seinem Definitionsversuch vor Beginn der Podiumsdiskussion aus. Google Maps, das Abscannen von Papierbelegen, Schachspiel gegen einen Computer oder Spracherkennung beispielsweise seien längst unbemerkt Teil des Alltags. Doch es geht weiter. Der Experte wagte einen Blick in die KI-Zukunft: Sie werde auch in Bereiche menschlicher Kreativität vordringen, Bilder selbst kreieren oder Musik komponieren, und sie werde Emotionen erkennen und darauf reagieren können. In Japan würden bereits Experimente gemacht, Maschinen identifizierten und zeigten menschliche Regungen und könnten somit etwa in der Seniorenpflege eingesetzt werden. Ungewohnt. Peter Fettke: „Künstliche Intelligenz ist besser als natürliche Dummheit, aber nicht besser als menschliches Expertenwissen.“

Wirklich? Moderatorin Dunja Hayali, bekannt aus dem ARD-Morgenmagazin oder dem „Aktuellen Sportstudio“, war die Skepsis anzumerken. Das umfassende, schwierige Sujet mit all seinen Facetten konnte sie nur schwer fassen, die Breite der Thematik nur mit Mühe greifbar machen. Viel Zeit verbrauchte sie mit der umständlichen Erklärung des Tätigkeitsfeldes von Podiumsgast Sebastian Klenk, dem Geschäftsführer der 5 Analytics GmbH, sodass für Fragefelder wie die ethisch-moralische Komponente und die möglichen Grenzen von Künstlicher Intelligenz keine Zeit mehr blieb. Dass die Diskussion dennoch lebhaft und spannend war, lag vor allem an den Gesprächspartnern.

Auf die Frage nach Entlassungen und Arbeitsplatzverlusten durch Künstliche Intelligenz konterte Klaus Winkler, Vorsitzender der Geschäftsführung des Werkzeugmaschinenherstellers Heller GmbH, mit dem Hinweis: „Veränderungen gibt es immer.“ Doch KI sei die bessere Antwort auf Fachkräftemangel und demografischen Wandel. Wichtig bei der Umsetzung im Betrieb seien Transparenz und das Mitnehmen der Mitarbeiter. Und Sebastian Klenk verwies darauf, dass vor allem Jobs wegfallen würden, die von Menschen mit wenig Begeisterung gemacht würden - Jobs mit Hitze, Gestank und Lautstärke. Peter Fettke sprach gar von einer zweiten industriellen Revolution durch Künstliche Intelligenz: Die erste habe ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts körperliche durch maschinelle Arbeit ersetzt, die zweite, nun laufende industrielle Revolution ersetze geistige Arbeit durch Maschinen.

Chance. Aber auch Risiko. Etwa für den Datenschutz. Einen bewussten, verantwortungsbewussten Umgang mit sensiblen Daten hat Sebastian Klenk in der Bevölkerung festgestellt, und Peter Fettke kennt zwei Arten unternehmerischer Reaktionen: Manche Betriebe würden KI-Neuerungen mit Datenschutz-Problematik im Ausland mit weniger strengen Bestimmungen als in Deutschland umsetzen, andere würden sich zu einheitlichen Standards bekennen und eine Weiterverfolgung der Neuerung ablehnen. Und er stellte kurz die Arbeit eines Mittelstandskompetenzzentrums vor, das Teil seines Tätigkeitsfelder ist und KI im Mittelstand zu verankern versuche: Neue Ideen würden den Unternehmen in einem mehrstufigen Konzept vermittelt. Auf einen Informationsblock mit Erklärungen über Künstliche Intelligenz und dessen Funktionsweis folge die Qualifizierung mit möglichen Anwendungsfeldern. Dann komme die Demonstration, bei der zusammen mit dem Unternehmen ein Prototyp entwickelt werde. Bei manchen Unternehmen würden die Hälfte bis drei Viertel der Ideen umgesetzt, andere würde schon bei der Informationsphase aussteigen: „Es sind keine Produkte von der Stange.“

Aber Produkte mit Folgen. Sie habe sich zuerst bei dem intelligenten Spracherkennungsassistenten Siri für alle Gefälligkeiten bedankt, plauderte Moderatorin Hayali aus dem Nähkästchen. Dann sei sie zur Befehlsform übergegangen: „Siri, wie wird das Wetter?“. Eine Gefahr auch für Kinder, die bestimmte Verhaltensformen nicht mehr lernen würden. Beispiel aus ihrem Umfeld: In der Schule habe ein Kind einfach zu Lehrerin gesagt: „Stift!“. Verlust von Höflichkeit, menschlichem Umgang und Sprachkompetenz. Auswirkungen, die aber noch nicht in der Gesamtgesellschaft angekommen sind. Bei der anschließenden Verleihung des Kreissparkassen-Gründerpreises an das Unternehmen RoboMotion in Leinfelden-Echterdingen bedankte sich Geschäftsführer Andreas Wolf vorbildlich für Auszeichnung und das Preisgeld, das der Universität Merseburg zu Gute kommen soll. Denn der erste Mitarbeiter seines Betriebs stammte aus Merseburg, verunglückte aber tragischerweise bei einem Fahrradunfall tödlich. Menschliche Aspekte inmitten Künstlicher Intelligenz.