Lucy ist viel mehr als ein Rucksack. Frank Laufer testet das Gerät, der Hamburger Hochschullehrer Robert Weidner erläutert seine Funktion. Foto: Stotz Quelle: Unbekannt

Unter dem Eindruck des demografischen Wandels arbeiten Wissenschaftler seit geraumer Zeit an der Entwicklung von Systemen, die älteren Menschen körperliche Tätigkeiten erleichtern können. Dabei setzen die Entwickler auf sogenannte Human Hybrid Roboter, computergesteuerte Helfer, die am Körper getragen werden. Bei einem Vortrag im Rahmen des Studium Generale an der Hochschule Esslingen hat ein Hamburger Hochschullehrer ein solches System vorgestellt.

Von Peter Stotz

Lucy kommt recht unscheinbar daher. Ein kleiner Rucksack, aus dem Stäbe aus Leichtmetall nach beiden Seiten ragen, dünne Luftschläuche, Gelenke und Armschienen komplettieren den leisen Gedanken an ein Skelett. Doch einmal angelegt, zeigt Lucy ihr wahres Gesicht als Human Hybrid Roboter: Ein komplexes System, das computergesteuert die spezifischen Fähigkeiten des menschlichen Körpers mit jenen der Technik koppelt und so den Menschen bei belastenden Tätigkeiten unterstützt. Auf Knopfdruck unterstützt Lucy den Arm dank eines pneumatischen Systems mit zusätzlicher Kraft, mit der Gegenstände mit bis zu fünf Kilo mehr Gewicht gehoben werden können und die den Arm eines unvorbereiteten Trägers unwillkürlich nach oben reißt.

„Unser Grundgedanke war, Systeme zur Assistenz und zur Entlastung der Menschen zu entwickeln und somit die Arbeit und das Alltagsleben zu erleichtern“, erläuterte Hochschullehrer Robert Weidner. Er leitet eine Forschungsgruppe an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg, die sich seit einigen Jahren mit der Entwicklung „smarter“ Assistenten für die industrielle Fertigung, das Handwerk und die Medizintechnik beschäftigt.

Trotz einer fortgeschrittenen Automatisierung der Produktionsprozesse und zunehmenden Mensch-Maschine-Kooperationen in der Industrie sei bei vielen Aufgaben die individuelle, von Menschen ausgeführte Tätigkeit unersetzlich, sagte Weidner. Ähnliches gelte für das Handwerk und nicht zuletzt für die Medizin und die Pflege, wo die besonderen sensomotorischen und kognitiven Fähigkeiten des Menschen nicht zu ersetzen sind.

„Doch wir sehen uns auch einer älter werdenden Gesellschaft gegenüber, mit Menschen, die länger arbeiten müssen und die trotz körperlicher Einschränkungen länger mobil bleiben wollen“, so Weidner. Eine Lösungsmöglichkeit für diese Herausforderung sei der Human Hybrid Roboter, ein Assistent, der am Körper getragen wird und der die Fähigkeiten des Menschen mit jenen der Technik zusammenführt. „Diese Bündelung könnte Belastungen verringern, Überlastung vermeiden und die Produktivität erhöhen, sei es bei der Arbeit über Kopf mit einer Maschine oder beim Heben schwerer Lasten in der Freizeit. Wir greifen den Menschen also unter den Arm.“

Wie Weidner erklärte, wird die Software des Kleincomputers im Rucksack dafür mit den individuellen Daten des Trägers gefüttert. Die Kraft des Menschen und seine muskuläre Leistungsfähigkeit, eventuelle Belastungen oder Schädigungen des Skeletts oder der Bandscheiben sowie das Gewicht der Last, die bewegt werden soll werden gemessen und eingegeben.

„Das Ganze ist strikt individuell zugeschnitten, denn das System soll zielgerichtet und nach dem jeweiligen Bedarf unterstützen und entlasten“, sagte Weidner. „Wir wollen also ausdrücklich keine allgemein anwendbare eierlegende Wollmilchsau, sondern eine zielgerichtete individuelle Assistenz bei der Arbeit oder eine Kompensation bei einer körperlichen Einschränkung.“ Doch bei der Entwicklung und beim Einsatz solcher Unterstützungssysteme seien nicht nur technische Probleme wie Gewicht und möglichst geringe Abmessungen, robuste Technik, unkomplizierte Handhabung und Steuerung zu bedenken. „Robotereinsatz löst Sicherheitsbedenken und Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes aus. Es gibt Akzeptanzprobleme, denn man könnte damit alt und krank und nicht mehr attraktiv aussehen“, erzählte Weidner. Zudem werde die mögliche Leistungssteigerung, die ein Roboter wie Lucy bietet, eventuell mit der Gefahr besserer Ausbeutbarkeit der Arbeitskraft verbunden.

„Wir wollen aber weder Menschen mit Superkräften ausstatten, noch wollen wir, dass sie bis zum Alter von 85 Jahren in die Fabrik oder auf die Baustelle gehen“, betonte Weidner. Zudem beteilige sich die Forschungsgruppe intensiv am Ethik-Diskurs zum Einsatz von Robotern. „Und unser System ist so aufgebaut, dass stets der Mensch die Hoheit über die Sollwerte der Technik hat. Die Technik kann und soll ihn unterstützen, aber er muss selbst bestimmen können, wie viel Unterstützung er benötigt.“