Die Liebe zu gutem Essen verbindet: Reyzan Semin, Margit Bäurle, Konrad F. und Renate Gaag, Takeshi Yamakoshi, Thomas Eisele und Bettina Aktemur (von links) fragten Kinder, wie Esslingen isst. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Alexander Maier

Sie kamen aus Griechenland und der Türkei, aus Polen und Rumänien, aus Syrien, Indien, Afghanistan, dem Irak, aus Japan oder Taiwan. Und auch wenn sie alle in Esslingen eine neue Heimat gefunden haben, ist die Erinnerung an die Länder, in denen sie geboren wurden, immer noch sehr lebendig. Was viele der Kinder und Jugendlichen mit ihrer alten Heimat immer noch verbindet, ist neben der Sprache auch die Küche. Wenn sie sich das, was sie zuhause immer wieder gern gegessen haben, auf der Zunge zergehen lassen, stellt sich bei vielen ein wohliges Gefühl ein. Margit Bäurle und das Team der Esslinger Kinder-Biennale wissen, dass gemeinsames Essen verbindet. Und sie haben aus diesem Gedanken ein ungewöhnliches Projekt entwickelt: Kinder und Jugendliche aus Deutschland und 19 weiteren Ländern, die inzwischen in Esslingen leben, haben gemeinsam ein Kochbuch kreiert, das nun unter dem Titel „So isst Esslingen“ im örtlichen Buchhandel angeboten wird. Dass der hellblaue Band mit der kecken Zwiebel auf dem Umschlag viel mehr ist als nur eine Rezeptsammlung, spürt man beim Durchblättern sofort.

„Mit unserem Buch möchten wir einen kleinen Einblick in die Länder geben, aus denen unsere neuen Nachbarn kommen“, erklärt Margit Bäurle. Und sie wünscht sich viele interessierte Leser, die „offen, gespannt und neugierig auf die fremden Menschen sind, die um uns herum leben“. Dass Esslingen eine weltoffene Stadt ist, zeigt sich allein daran, dass Menschen aus fast 140 Nationen hier leben. Und es gehört zum Selbstverständnis der Kinder-Biennale, sie alle ganz selbstverständlich in die verschiedenen Angebote dieses ehrenamtlichen Netzwerks einzubeziehen. So gab es etwa ein Projekt zum Sprachunterricht für Flüchtlingskinder, die anhand von Bildern in der Stuttgarter Staatsgalerie mit Grundlagen des Deutschen vertraut gemacht wurden. Und mit Grundschülern der Pliensauschule wurde eine bunte Weltkarte gestaltet, die die Flaggen der 52 Herkunftsländer der Kinder zeigt.

Weil die Liebe zur Heimat durch den Magen geht, haben Kochprojekte im Programm der Kinder-Biennale ihren festen Platz - man denke nur an die Schlemmerbande, in deren Kursen kulinarisch interessierte Kinder mit den Geheimnissen der Kochkunst vertraut gemacht werden. Aus diesem Gedanken ist unlängst auch ein Kochprojekt mit Kindern aus so genannten Vorbereitungsklassen entstanden, in denen Kinder ohne oder mit geringen Deutschkenntnissen Grundlagen in der deutschen Sprache erwerben. Schüler der Lerchenäckerschule mit ihrer Lehrerin Natalia Knickel und der Schule Innenstadt mit ihrer Lehrerin Bettina Aktemur haben ihre Lieblingsrezepte aus der Heimat mitgebracht und gemeinsam gekocht.

Bettina Aktemur und ihrer Kollegin hat dieses Projekt bestens ins Konzept gepasst: „Für die Schüler war das eine wichtige Erfahrung. Sie wissen, dass sie sprachliche Defizite haben und noch viel tun müssen. Im Kochprojekt waren sie plötzlich Experten. Sie haben über ihre Länder, deren Essgewohnheiten und Tischsitten berichtet. Sie kannten sich mit den Rezepten aus und konnten etwas zu den Zutaten sagen. Das war eine gute Erfahrung für das Selbstbewusstsein. Und was für uns das Wichtigste war: Über das Essen entstand Begegnung über alle nationalen und kulturellen Grenzen hinweg.“ So hat etwa ein muslimischer Junge, der sich zuvor geweigert hatte, zusammen mit Frauen zu kochen, plötzlich ganz selbstverständlich mitgemacht, weil Gegensätze keine Rolle mehr gespielt haben. Und was für alle wohl am wichtigsten war: „Schüler und Erwachsene hatten unheimlich Spaß an der gemeinsamen Arbeit“, erzählt Reyzan Semin, die als erfahrene Köchin mit Rat und Tat zur Seite stand.

Dass aus diesem Projekt am Ende ein Buch entstehen soll, war rasch klar. Deshalb war der Fotograf Konrad F. Gaag mit seiner Kamera stets dabei und hat die Jungs und Mädchen bei der Arbeit am Herd begleitet. Dazu wurden Informationen zu jedem Land und seinen Tischsitten gesammelt, und natürlich gibt es auch die passenden Rezepte zum Nachkochen. „Das schafft jeder“, versichert Takeshi Yamakoshi aus Japan, der eine Reisschale mit Hühnchen und Ei empfiehlt. Und aus all den Texten und Bildern haben Margit Bäurle und der Buchgestalter Thomas Eisele schließlich ein liebevoll gestaltetes Büchlein zusammengestellt, das von heute an im örtlichen Buchhandel für zehn Euro zu haben ist.