Kulturamtsleiter Benedikt Stegmayer, die künstlerischen Festival-Leiterinnen Martina Grohmann, Marie Bues und Paula Kohlmann, Oberbürgermeister Jürgen Zieger und Stefanie Bayer vom Esslinger Kulturamt (von links) versprechen sich vom Kulturfest „Stadt der Frauen“, das Ende September steigt, ein Wochenende voll neuer gesellschaftlicher und kultureller Perspektiven. Foto: Stotz - Stotz

Zum sechsten Mal steigt in Esslingen das Kulturfest „Stadt im Fluss“ – diesmal wollen rund 200 Kulturakteure eine „Stadt der Frauen“ gründen und eine ideale Stadtgesellschaft entwickeln.

Esslingen„Stadt im Fluss“ ist ein Markenzeichen. Alle drei Jahre arbeiten Esslinger Künstler, Kultureinrichtungen und Vereine zusammen, um gemeinsam zu zeigen, was die örtliche Szene zu bieten hat – und das bereits zum sechsten Mal. Diesmal firmiert das Kulturfest unter einem neuen Namen. „Stadt der Frauen“ nennt es sich, und es will vom 28. bis 30. September Visionen einer idealen Stadtgesellschaft aus unterschiedlichsten Perspektiven zeigen. Die künstlerische Leitung haben Martina Grohmann, Marie Bues und Paula Kohlmann vom Stuttgarter Theater Rampe übernommen. Gemeinsam mit dem städtischen Kulturamt haben sie rund 200 Künstlerinnen, Künstler und Kulturakteure vernetzt, die von bundesweit tätigen Performancekünstlern und Gruppen unterstützt werden. „Stadt der Frauen“ wird als Gründungsfestival inszeniert und soll ein buntes Programm aus Kunst und Theater, Musik und Performance, Tanz, Literatur und Diskurs bieten.

Während sich die künstlerischen Leiterinnen von ihrem Kulturfest am letzten September-Wochenende nicht zuletzt Ideen für eine „Umverteilung von Privilegien“ versprechen, hofft OB Jürgen Zieger, dass „Stadt der Frauen“ für die drängende Fragen unserer Zeit sensibilisieren möge: „Überall beobachtet man heute Egoismus, Extremismus und Machismus. Es kann nur guttun, wenn solch ein Festival zum Nachdenken anregt und mit den Möglichkeiten der Kultur Zeichen gegen solche Tendenzen setzt. Eine der wichtigsten kulturpolitischen Aufgaben ist es, Fragen zu stellen und gemeinsam nach Antworten zu suchen.“ Das Kulturfest ist nach Einschätzung des Oberbürgermeisters „ein besonderes kulturelles Ereignis und das umfangreichste und anspruchsvollste kulturelle Netzwerkprojekt der Stadt, das die gesamte Kulturszene mobilisiert“. Dass die Marke „Stadt im Fluss“ diesmal in den Hintergrund rückt und Platz macht für „Stadt der Frauen“, bedeutet für den OB keinen Paradigmenwechsel: „Wie in früheren Jahren werden weite Teile der Kulturszene mobilisiert – das ist und bleibt die DNA dieses Festivals.“

Für Kulturamtsleiter Benedikt Stegmayer gehört es zum Konzept, dass sich „Stadt im Fluss“ alle drei Jahre neu erfindet. Das sei schon immer so gewesen, schließlich folge das Festival jedes Mal einer neuen Gesamtdramaturgie. Dass man diesmal unter „Stadt der Frauen“ firmiert, sei dem aktuellen Konzept geschuldet – beim nächsten Mal dürfte man wieder zum vertrauten Titel zurückkehren. Während in früheren Jahren die Innenstadt weiträumig bespielt worden war, soll sich das Geschehen diesmal vor allem im Bereich von Markt- und Rathausplatz konzentrieren. Das Festivalwochenende wird der Dramaturgie einer Gründungsfeier folgen: Am Freitag ziehen die Frauen ein und gründen auf dem Rathausplatz mit der Grundsteinlegung feierlich ihre Stadt. Menschen aus Esslingen, der Region und weit darüber hinaus ziehen in das Alte Rathaus ein und besetzen repräsentative Orte der Stadt mit ihren Ideen zur Umverteilung von Privilegien und zu einer idealen Stadtgesellschaft. „Es ist eine spielerisch-theatrale Umordnung der Dinge“, erklären die Programm-Macherinnen. Danach werden unter anderem mit Versammlungen, mit der Schule der Frauen, dem Parlament und der Volksküche wichtige Bausteine des Gemeinwesens eingerichtet und die Stadt mit Musik, Theater, Kunst, Performance künstlerisch bespielt. Zum Finale gibt es am Sonntag ein Open-Air-Konzert auf dem Rathausplatz.

Dass man die künstlerische Leitung dem Stuttgarter Theater Rampe übertragen hat, ist für Stegmayer der richtige Weg: „Da wird nichts von außen übergestülpt. Die Rampe ist aktuell eines der innovativsten und spannendsten Theater. Der Blick von außen auf unsere Kulturszene kann sehr bereichernd sein. Es gehört zum künstlerischen Konzept des Festivals, dass wir lokale und externe Impulse zusammenführen.“ So wirkt etwa die Liederlust Mettingen beim Theaterstück „Who run the World“ von Nicoleta Esinencu und Marie Bues mit, das am Freitag in der WLB uraufgeführt wird und ab Oktober auch in der Rampe zu sehen sein wird – natürlich ebenfalls unter Beteiligung der Liederlust. „So entstehen Synergien“, freut sich der Kulturamtsleiter.

Das verbindende Moment im Konzept von „Stadt der Frauen“ findet Martina Grohmann, die Intendantin des Theaters Rampe, „in Zeiten der Fragmentierung und Separierung besonders wichtig.“ Dieser Gedanke habe auch eine kulturpolitische Dimension. Und ihre Intendanten-Kollegin Marie Bues spricht von einer herausfordernden, aber auch sehr reizvollen Aufgabe, tief in eine lokale Kulturszene einzutauchen und gemeinsam mit zahlreichen Künstlern und Kulturakteuren ein ganz eigenständiges Konzept zu entwickeln. Dass sich das Festival „Stadt der Frauen“ nennt, soll übrigens nicht bedeuten, dass ausschließlich Frauen willkommen sind. „Wer an die Stadt der Zukunft denkt, gehört zu uns“, heißt es im Werbeprospekt. „Jede und jeder ist willkommen. Wer Bürger/in werden will, kommt.“

Das Kulturfest beginnt am Freitag, 28. September, um 17.30 Uhr mit einem Zug der Frauen vom Esslinger Bahnhof- zum Rathausplatz, wo dann um 18 Uhr die offizielle Grundsteinlegung zur „Stadt der Frauen“ erfolgt.