Symbolbild Foto: dpa - dpa

Experte der Kreissparkasse erklärt, wer heute Bargeld unterstützt und wer Münzen und Scheine loswerden will – und welche Vor- und Nachteile das bei einer Inflation hat.

EsslingenZum dritten Mal hatten die Volkshochschule Esslingen und die Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen gemeinsam zur neuen Gesprächsreihe „Zeitfragen – der Mittwochs-Talk am Postmichel“ geladen. Diesmal kam der Referent aus eigenem Hause: KSK-Mitarbeiter Marcus Wittkamp sprach über die bargeldlose Zukunft – oder kommt diese etwa doch nicht?

Sie kommt ganz schnell, könnte der Schwedenreisende glauben. In Stockholm nehmen 80 Prozent der Institutionen kein Bargeld mehr an, auch das Fünf-Sterne-Hotel Rival nicht. Während der Bargeldumlauf in Deutschland von 2001 bis 2014 um 179 Prozent stieg und sich in den USA verdoppelte, ging er in Schweden um 26 Prozent zurück. Es gibt Prognosen, im Jahr 2030 gäbe es in dem Land gar kein Bargeld mehr. In Litauen, berichtete Wittkamp, diene inzwischen eine einzige Karte zur Identifikation, zum Einkaufen und vieles mehr. In Südkorea liegt die Bargeldquote bei unter 20 Prozent und damit nochmals etwas niedriger als in Schweden. In den USA liegt sie bei etwa einem Drittel.

Die Deutschen sind misstrauisch

In Deutschland wurde im Jahr 2017 noch in drei von vier Fällen bar bezahlt, bei Kleinbeträgen unter fünf Euro sogar in 96 Prozent aller Fälle. „Je mehr die Menschen verdienen, desto geringer ist die Bargeldquote“, sagte Wittkamp. Im deutschen Einzelhandel wird aktuell in 47 Prozent aller Fälle bargeldlos bezahlt, der Durchschnittsbetrag liegt bei 50,66 Euro. Jede zehnte Transaktion geschieht berührungslos, also ohne PIN und Einstecken der Karte, das ist bis 25 Euro möglich. Bei dieser „NFC-Technik“ erwartet Wittkamp ein deutliches Wachstum.

Beim Datenmissbrauch sind die Deutschen aber misstrauisch. Für viele hat auch nur das Wert, was sie in der Hand halten. Auch der Misserfolg der Geldkarte, also dem Chip mit aufbuchbaren Guthaben, war eher ein Bremser für die bargeldlose Zahlung. „Das System hat sich nie durchgesetzt.“ Steigend ist hingegen die Bedeutung von Apps wie Apple Pay, Google Pay und Amazon Pay. Es gibt aber auch McDonalds Pay und Starbucks Pay – letzteres System ist in den USA mit 23 Millionen Nutzern Marktführer. Wittkamp erwartet, dass in Deutschland die großen Discounter nachziehen, ihnen bleibe gar nichts anderes übrig. Fremdanbieter sind eine klare Konkurrenz für die Banken, und für die Verbraucher besteht ein wichtiger Unterschied: Kauft jemand etwa ein Buch und zahlt mit der Bankkarte, wird eine Bank oder Sparkasse nie den Buchtitel erfahren und er ist ihr auch egal. Liegen aber Verkauf und Bezahlung in einer Hand, ist der Verbraucher völlig gläsern.

Wittkamp ist sehr offen für neue Technik, verschwieg aber Kritik und Probleme nicht. Auch persönliche: Bei ihm zuhause war „Alexa“ eingezogen, er sprach zuhause über seine Sehnsucht nach Käse und hatte am nächsten Tag völlig überraschend einen Käsehobel im Briefkasten. „Inzwischen habe ich die Bestellfunktion abgestellt.“ Die bargeldlose Zahlung sei bequem, Grundlage für das Smarthome, sie erlaube die Übertragung in das elektronische Haushaltsbuch und diene der Reduzierung von Kriminalität in Form von Geldwäsche und Schwarzarbeit. Doch kritisch sei die Nutzung der Daten und es drohe der Ausschluss von ganzen Bevölkerungsgruppen, etwa von Älteren. Manche verlören den Überblick über ihre Ausgaben, so durch die späte Abrechnung einer Kreditkarte. Die Kriminalität finde neue Wege und wachse als Cyberkriminalität.

Der Handel will Bargeld loswerden

Die Deutsche Bundesbank und viele Volkswirte und Experten sähen keine schwedische Entwicklung in Deutschland, betonte Wittkamp und schloss sich dieser Einschätzung an. Doch werde die bargeldlose Zahlung im Handel steigen, und der Onlinehandel werde die Cash-Zahlung zurückdrängen. „Warum kann man in manchen Läden beim Einkauf zusätzlich Geld abheben? Der Handel will das Bargeld loswerden.“ Warum will der Internationale Währungsfonds (IWF) die Abschaffung der großen Banknoten? Dann könnten die Bürger, wenn eine Finanzkrise nach Negativzinsen von vier bis sechs Prozent verlange, nicht auf Bargeld ausweichen. Für die Staaten sind auch steigende Kosten für das Bargeld ein Argument: „Ein Schein kostet etwa acht Cent.“

Ein Experteninterview zum Thema finden Sie hier.