Sophie Bender hat eine Ausbildung als Landschaftsgärtnerin bei der Stadt Esslingen begonnen. Ausbildungsleiter Julian Grob (rechts) steht der jungen Frau Foto: Kaier - Kaier

Anfang September hat das neue Ausbildungsjahr begonnen, doch auch für Bewerber, die noch keine Lehrstelle gefunden haben, ist der Zug noch nicht abgefahren. Die Arbeitsagentur rät, die Zeit bis zum nächsten Ausbildungsstart zu nutzen, um die eigenen Chancen zu verbessern.

Kreis EsslingenDie Arbeit in Garten und Natur hat Sophie Bender schon immer begeistert. Da war es für sie naheliegend, ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen. Anfang September hat die junge Dame eine Ausbildung als Landschaftsgärtnerin bei der Stadt Esslingen begonnen. „Das war immer mein Traumberuf. Ich bin froh, dass es so gut geklappt hat.“ Mehr als 3000 junge Menschen haben sich genau wie Sophie Bender diesmal für eine Berufsausbildung in Betrieben und Behörden im Landkreis Esslingen entschieden. Und auch für diejenigen, die noch suchen, ist der Zug nicht abgefahren: Tag für Tag werden der Arbeitsagentur weitere Stellen gemeldet, Handwerk und IHK registrieren neue Ausbildungsverträge. So dürfte das bis zu den Herbstferien weitergehen. Erst dann ist für dieses Ausbildungsjahr Schluss. Denen, die bis dahin nichts gefunden haben, rät die Arbeitsagentur, die Flinte trotzdem nicht ins Korn zu werfen und bis zum nächsten Ausbildungsstart an ihren Voraussetzungen zu arbeiten.

Schwierige Suche nach Bewerbern

Bis Ende August waren bei der Arbeitsagentur im Kreis Esslingen 3157 Bewerber für eine Berufsausbildung gemeldet – 1,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Dem standen 3855 gemeldete Ausbildungsplätze gegenüber – plus 9,3 Prozent. 554 Bewerber waren noch unversorgt, 1208 Ausbildungsplätze waren vakant. Und auch nach dem Start ins Ausbildungsjahr bewegt sich noch einiges. „Deshalb ziehen wir erst Ende September Bilanz“, sagt Bettina Münz, die Vize-Chefin der Göppinger Arbeitsagentur, die den Kreis Esslingen betreut. Schon jetzt weiß sie jedoch: „Wir haben eine Ausbildungsmarktsituation, die für Bewerber sehr gut ist, für manche Arbeitgeber allerdings herausfordernd. Der Bedarf an Bewerbern ist deutlich höher als die Nachfrage nach Ausbildungsstellen. Das liegt auch daran, dass viele ein Studium der Berufsausbildung vorziehen, auch wenn wir das nicht bei jedem empfehlen können. Unternehmen, die attraktive Ausbildungsberufe anbieten, haben die Auswahl. In manchen Berufen tun sich Arbeitgeber allerdings schwer – manchmal über Jahre hinweg.“

Bewerbern, die noch keinen Ausbildungsplatz haben, macht Markus Knorpp Mut. Der Chef der Berufsberater bei der Esslinger Arbeitsagentur weiß: „Bis zu den Herbstferien werden noch Ausbildungsverträge abgeschlossen – bis dahin ist die Tür offen.“ Knorpp hat beobachtet, dass mancher Schulabgänger die gute Arbeitsmarktsituation nutzt, um erstmal in einem ungelernten Job gutes Geld zu verdienen. „Das bringt jedoch für eine solide berufliche Zukunft wenig“, warnt Markus Knorpp. „Eine qualifizierte Ausbildung ist die beste Zukunftssicherung.“

Michael Kuschmann, der stellvertretende Leiter der IHK-Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen, hat bis Ende August ein leichtes Plus von etwa zwei Prozent bei den Ausbildungsverträgen verzeichnet – 1950 neue Azubis wurden bei der IHK im Landkreis gemeldet. „Darüber freuen wir uns, und wir sind zuversichtlich, dass in den nächsten Wochen noch etwas mehr geht. Die Dynamik am Ausbildungsmarkt ist noch immer deutlich spürbar.“ Kuschmann weiß, dass noch immer viele Gymnasiasten nach dem Abitur erst mal ein Studium anstreben. Dass das nicht in jedem Fall der beste Weg ist, hat er schon häufiger beobachtet: „Wir versuchen, die Vorzüge einer dualen Ausbildung wieder stärker in den Fokus zu rücken. Wenn man die hohe Zahl von Studienabbrechern anschaut, muss sich der eine oder andere durchaus fragen, ob ein Studium für ihn wirklich die ideale Lösung ist. Es ist gut möglich, dass die steigenden Ausbildungszahlen auch damit zusammenhängen, dass Jugendliche vermehrt über die Vorzüge einer dualen Ausbildung nachdenken.“ Kuschmann betont, dass das keine Einbahnstraße sein muss: „Die moderne Berufswelt bietet eine starke Durchlässigkeit. Für ambitionierte Mitarbeiter bieten sich nach der klassischen Berufsausbildung vielfältige Weiterbildungsmöglichkeiten – auch ein Studium ist anschließend durchaus möglich. Vielleicht ist das für manche sogar der bessere Weg, weil sie sich erstmal eine solide Basis geschaffen haben, die betriebliche Praxis kennen, einen Schuss mehr Lebenserfahrung gesammelt haben und menschlich gereifter sind. Das kann für ein Studium sehr hilfreich sein.“

Vom positiven Trend profitiert auch das Handwerk. „Die Ausbildungssituation hat sich klar verbessert“, freut sich Jens Schmitt, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. Bislang wurden ihm 788 neue Ausbildungsplätze aus Handwerksbetrieben im Landkreis gemeldet – ein Plus von 7,5 Prozent. Besonders gefragt waren Ausbildungsplätze für Kfz-Mechatroniker, Anlagenmechaniker, Elektriker und Friseur. Probleme gibt es im Lebensmittelhandwerk, die passenden Kandidaten zu finden. Doch auch da könnte sich noch etwas tun, denn Jens Schmitt weiß: „Die vorliegenden Zahlen sind noch nicht in Stein gemeißelt. Unsere Betriebe hatten schon immer eine hohe Ausbildungsbereitschaft, und die ist unter dem Eindruck des demografischen Wandels, der guten Konjunktur und des hohen Fachkräftebedarfs eher noch größer geworden. Das Handwerk hat ein lebhaftes Interesse, vakante Positionen möglichst schnell und qualifiziert zu besetzen. Da ist es immer noch der beste Weg, auf den eigenen Nachwuchs zu setzen.“

Schmitt hat das Gefühl, dass sich mittlerweile auch bei manchen Abiturienten ein gewisses Umdenken einstellt: „Deren Zahl im Handwerk steigt. Die Anforderungen werden in vielen Berufen immer höher, was nicht zuletzt an der Digitalisierung liegt. Deshalb brauchen wir gute Leute. Und mit der Ausbildung muss der berufliche Weg ja noch nicht zu Ende sein. Auch für die Weiterbildung bieten unsere Berufe gute Möglichkeiten bis hin zum Studium. Wer nach dem Abitur studieren will, dafür geeignet ist und Spaß daran hat, soll gerne diesen Weg gehen. Ehe man sich jedoch vorschnell für ein Studium entscheidet, sollte man darüber nachdenken, ob eine Berufsausbildung im Handwerk ein sinnvollerer erster Schritt ist.“

Schrittmacher auf dem Weg in den Beruf

Wer ein gutes Abschlusszeugnis in der Tasche hat, braucht sich um einen attraktiven Ausbildungsplatz nicht zu sorgen. Schwieriger kann die Suche für diejenigen werden, die mit Handicaps an den Start gehen. Markus Knorpp, der Chef der Berufsberater in der Esslinger Arbeitsagentur, rät denen, die sich vergeblich um einen Ausbildungsplatz bemüht haben, die Zeit sinnvoll zu nutzen. Dazu bietet die Arbeitsagentur eine Fülle maßgeschneiderter Möglichkeiten: Wenn ein Jugendlicher noch nicht die nötige Ausbildungsreife mitbringt, können zum Beispiel berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen helfen. Maßnahmen zur erweiterten vertieften Berufsorientierung bieten einen besseren Einblick in die Berufs- und Arbeitswelt und bereiten auf die Berufswahl vor. Wer auf Anhieb keinen Ausbildungsbetrieb findet, kann zunächst ein Praktikum absolvieren und sich so empfehlen. Weitere Möglichkeiten sind etwa ein „berufspraktisches Jahr“ für sozial benachteiligte oder lernbeeinträchtigte Jugendliche, eine Ausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen oder eine assistierte Ausbildung.