EZ-Redakteur Fabian Schmidt. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Kommunizieren und kooperieren statt diffamieren und verweigern: Das sollte beim Therapieren gelten – für Mediziner und Patienten.

EsslingenMedizinische Themen sind für Laien besonders schwierig. Als Patient ist man zum Großteil abhängig von Ärzten und anderen medizinischen Experten, weil schlicht das Wissen fehlt. Liest man sich ein, muss man die Quellen prüfen – Scharlatane gibt es schließlich überall –, und bei Studien muss man genau schauen, wer diese in Auftrag gegeben hat. Und als Betroffener tendiert man ohnehin schon in der Hoffnung auf Heilung oder Linderung gern zur Akzeptanz einer neuen Therapieform. So ist das auch beim Coimbra-Protokoll, einer Hochdosis-Vitamin-D-Therapie für MS- und andere Immunkranke.

Selbst nach mehreren Wochen Recherche fällt es schwer zu beurteilen, wie gut die Therapie aus Brasilien nun ist. Da bekämpfen sich Gegner und Befürworter im Internet; da berufen sich die beiden Parteien auf die gleiche Studie, um ihre Haltung zu untermauern; da weiß man nicht so recht, wem man jetzt mehr Glauben schenken soll. Und das Coimbra-Protokoll lässt sich auf viele andere Therapien auch in anderen medizinischen Fachrichtungen übertragen. Dabei sollte ausschließlich das Wohl der Patientinnen und Patienten im Mittelpunkt stehen – und daran kommen zumindest ab und zu Zweifel auf, wenn man medizinische Diskussionen verfolgt.

Dabei sollten folgende Regeln immer gelten: Kommunizieren und kooperieren statt diffamieren und verweigern. Sich nicht gegenseitig beschimpfen, sondern Argumente austauschen und im Sinne der Betroffenen gemeinsam eine Lösung suchen. Eigene Überzeugungen hinterfragen und offen für Kritik sein. Das gilt für Patienten wie für Mediziner, für Gesundheitspolitiker wie für Pharma- und Kassenmitarbeiter. Man darf nicht blind jedem Hype hinterrennen, sollte aber gute Ideen eine Chance geben und zum Beispiel Studien finanzieren – auch wenn sich damit vielleicht nicht das große Geld machen lässt. Die Gesundheit muss eindeutig über dem Profit stehen. Man sollte sich an mehreren Stellen informieren und verbal destruktives Verhalten durch konstruktives ersetzen. Lösungsorientierte Kommunikation ist besser, als dem einen Geldmache und dem anderen Pharmagetriebenheit vorzuwerfen.

Mitdenken, aber generell vertrauen

Insofern ist es wichtig, dass die Patienten der Ärztin oder dem Arzt nicht naiv folgen, sondern mitdenken, ihr und ihm aber generell vertrauen. Und die Mediziner müssen Kritik sowie Nachfragen der Patienten ertragen, ohne abgehoben und arrogant mit Weißkittelweisheit auf diese herabzublicken. Das Gleiche gilt gegenüber anderen medizinischen Fachrichtungen. Denn ein nachhaltiger Behandlungserfolg wird am ehesten gemeinsam erlangt.

Da ist es erfreulich, dass sich die Ärztin Beatrix Schweiger in ihrem Plädoyer für das Coimbra-Protokoll auf die Kooperation mit den Skeptikern fokussiert und sagt: „Letztlich geht es vor allem darum, dass Patienten in großer Not durch die kollegiale Zusammenarbeit gut und sicher betreut sind.“ Und auch eine Haltung wie die von Birgit Huber, der Leiterin der Esslinger Amsel-Gruppe, tut gut. Sie ist selbst an Multipler Sklerose erkrankt, lässt sich nicht nach dem Coimbra-Protokoll therapieren und sagt aber: „Wenn ein Patient davon überzeugt ist, dann soll er es probieren. Warum denn nicht? Die Neurologen bringen ihr Wissen mit ein – und dann sollte man gemeinsam abwägen.“

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