Eckig wie ein Roboter bewegt sich Tänzerin Sawako Nunotani. Foto: Bail - Bail

Mit dem Schreckensszenario einer computerisierten Welt setzt sich das Kollektiv „Drei Orangen“ in seiner Tanz-Performance „We Bots“ auseinander.

EsslingenDie Sinne sind eine Stunde lang ziemlich gefordert: Hören, schauen, riechen darf der Zuschauer in der Musik-Kurzfilm-Tanz-Performance des Künstlerkollektivs Drei Orangen. „We Bots“ wurde jetzt im Kulturzentrum Dieselstraße uraufgeführt. Dabei geht es, wie der Titel vermuten lässt, um Bots, so lautet die Abkürzung für Robot, des englischen Begriffs für Roboter. Im Mittelpunkt der komplexen künstlerischen Darstellung stehen autonome Maschinen und das Zusammenleben mit dem Mensch.

Die drei Musiker und die Tänzerin operieren in weißen Schutzanzügen, wie man sie von Labortechnikern oder Tatortermittlern kennt. Das sind die Künstler in gewisser Weise auch, spüren sie doch anhand von Bewegung, Bildern und Klängen der Kulturgeschichte von Menschmaschinen, Computern und künstlicher Intelligenz nach. Die Zuschauerplätze sind gegenüberliegend aufgereiht, dazwischen die Aktionsfläche für Musiker und Tänzerin, flankiert von Leinwänden, links und rechts, auf denen drei Stummfilmsequenzen abgespielt werden.

Tänzerin Sawako Nunotani bewegt sich mit abgehackten Bewegungen, wie eine Maschine zu den elektronisch verzerrten Klängen von Schlagwerker Daniel Kartmann, Pianist und Elektronikspezialist Oliver Prechtl und der künstlerischen Leiterin Daniela Petry am Kontrabass. Nunotani ist der mystische Golem, eine Figur des frühen Mittelalters, ein aus Lehm geformtes, schlaues Wesen, das, über Zahlencodes aktiviert, als Bindeglied zwischen Geschichte und Fiktion fungiert. Der Roboter-Vorläufer kann Aufträge erfüllen, macht manchmal aber genau das Gegenteil.

Sound und Tanz korrespondieren in betont mechanischer Weise. Die Bewegungen werden schneller, fließender, weniger puppenhaft, fast menschlich. Die Tänzerin lässt sich auf den Boden sinken und wird im nächsten Moment von emporsteigenden Tönen magisch, wie eine Marionette hochgezogen. Man sieht alles durch einen diffusen Nebelschleier, riecht den künstlichen Rauch, spürt die pulsierenden Klänge wie im Rausch und sieht die pumpenden Körperbewegungen von Nunotani. Dazu flimmert die 50-Sekunden-Einstellung des Kurzfilms aus dem Jahr 1895 über die Leinwand. „Exiting the Factory“ zeigt in mechanischer Endlosschleife, wie Arbeiter die Lumière-Werke verlassen. Oliver Prechtl liest Sätze, die Zuschauer vor der Vorstellung auf eine Papierrolle schreiben konnten: „Wir sind Bots. Wir können alles, was Menschen auch können“, ist zu hören und gibt zu denken: Was passiert im Zeitalter der digitalen Revolution mit dem Menschen? Was geschieht, wenn eines Tages künstliche Intelligenz dem Mensch überlegen sein wird? Schon jetzt gibt es lernfähige Maschinen. Welche Möglichkeiten bleiben der durch langsame biologische Evolution gehandicapten Menschheit?

Doch ehe man eine Antwort findet, heißt es „Alexa, der Film“, und schon befindet man sich mittendrin in der abenteuerlich-absurden Szenerie der britischen Stummfilm-Komödie „Automatic Motorist“ aus dem Jahr 1911. Ein mechanischer Chauffeur entführt ein frischverheiratetes Paar in wilder Fahrt auf den Saturn, nimmt sie von dort mit unters Meer, wo letztlich einer nach dem anderen von einem Jäger abgeschossen und auf die Erde zurückgeholt wird. So sah Science-Fiction vor mehr als 100 Jahren aus. Was passiert, wenn die erfundenen Figuren ein Eigenleben entwickeln und außer Kontrolle geraten, zeigt der Filmvorführer im Kurzstreifen „Mechanical Doll“ von 1922. Er löst sie kurzerhand im Tintenklecks auf. Versöhnlich am Ende, das niedliche Stoffhühnchen, das harmlos gaggernd über die Bühne tanzt. Wenn das mal kein gut getarnter Terminator ist. Man darf auf die Fortsetzung der Performance gespannt sein. Laut Projektleiterin Daniela Petry war „We Bots“ der Auftakt zu einer Reihe, die sich mit diesem Thema beschäftigt.