Das Bild, das auf dem Display zu sehen ist, wird von dem klitzekleinen schwarzen Kamerawürfel aufgenommen, der rechts in den gelben Mini-Schraubstock eingespannt ist. Solche Kameras der Firma Kyocera werden in Autos eingebaut. Foto: Dietrich - Dietrich

Kyocera – noch nie gehört? Aber bestimmt hat jeder schon ein Produkt der Firma benutzt, die in Esslingen ihr Europahauptquartier hat. Ein Rundgang übers Werksgelände.

EsslingenEin Konzern mit weltweit rund 75 000 Mitarbeitern hat seinen europäischen Sitz in Esslingen, und das schon seit 1991. Doch die meisten Esslinger haben seine Produkte im Haus oder Auto, ohne es zu wissen. Die Rede ist von der Firma Kyocera. Nun hat sie das erste Mal in Esslingen ihre Tore für die Presse geöffnet. An diesem Standort wird nicht gefertigt, aber vertrieben und teils auch ausgeliefert.

Wenn einhundert durchschnittliche Autos auf Esslinger Straßen stehen, wie viele davon haben wohl ein Produkt von Kyocera an Bord? Vertriebsmanager Eberhard Schill muss nicht lange überlegen: „Hundert!“ Denn das Angebot des Konzerns ist sehr breit. Zum Sortiment gehören etwa Piezo-Aktoren, die für Einspritzsysteme verwendet werden. Unter elektrischer Spannung dehnen sie sich blitzschnell aus, viel schneller als ein magnetisches System. Kyocera hat diese Keramikstäbchen auch in größeren Längen angeboten, doch sie konnten sich auf dem Markt nicht durchsetzen. Dabei könnten sie auf dem Weg zum sauberen Diesel entscheidend helfen. Piezoelemente sorgen auch für die Vibrationen, die den Kamerasensor von Staub befreien. Und sie machen neuerdings Displays möglich, die sich wie echte Taster anfühlen. Die Frage beim Antippen des Bildschirms, ob dieser das Antippen auch wirklich registriert hat, ist vorbei: Man fühlt es im Finger, denn die ganze Scheibe des Displays wird nach dem Antippen in Schwingungen versetzt. Ein Selbstversuch: Ja, es ist klar zu spüren. Wie sich der Klick anfühlt, wie hoch der Widerstand ist, das lässt sich leicht ändern, das bestimmt die Software.

Das Display daneben auf den Demotischen hat es erst recht in sich, beziehungsweise hinter sich: Bei ihm schaut eine unsichtbare Kamera von hinten durch das Display. Sie kann den Fahrer überwachen, ohne dass er sich beobachtet fühlt: Droht der Sekundenschlaf? Ist das ein Unbekannter, der das Auto womöglich gestohlen hat? Die Erkennung, welche Sitze belegt sind, erledigt die Kamera gleich mit. Dass so ein Sitz angenehm ist, dafür sorgen flache Peltier-Elemente, die ja nach Stromrichtung heizen oder kühlen. Kyocera fertigt diese Elemente, anders als die Konkurrenz, aus Kupfer. Die so besonders dünnen Elemente können auch Akkus kühlen, etwa in Elektroautos. Diese brauchen generell mehr Kühlung als ein Verbrenner. Eine Kühlplatte lässt sich aus 25 Lagen Keramik aufbauen. Der Wärmetauscher ist ein Prototyp und soll beim „Downsizing“ von Autos helfen. Apropos Downsizing: Eine Kamera zur Fahrerüberwachung inklusive Gesichtserkennung, an der gerade geforscht wird, ist derart winzig, dass vielleicht sogar der legendäre „Q“ staunen würde.

Kameras statt Außenspiegel könnten zu einem besseren cw-Wert und damit geringeren Spritverbrauch helfen. Was aber, wenn die Technik versagt? Der Innenspiegel auf den Demo -Tischen war ein Hybrid: Schaltete man das elektronische Bild aus, blieb ein ganz normaler optischer Spiegel übrig.

Kyocera begann 1959 in Kyoto, Japan, mit 28 Mitarbeitern und baut heute Drucker, Solarzellen, Medizinprodukte, für Japan und die USA auch Smartphones und weltweit vieles mehr. Beim Bahnhof Oberesslingen ist die Sparte Kyocera Fineceramics GmbH zu Hause, mit etwa 120 Mitarbeitern. Dem Europasitz sind Niederlassungen in weiteren Ländern und direkt zwei Zweigstellen in Neuss und Moskau zugeordnet – ja, Moskau! Der Beginn in der Region war übrigens 1971, in Plochingen in Kooperation mit der Feldmühle AG.

„Wir hätten es wie Intel machen sollen“, sagt Direktor Rafael Schroeer. Wo in einem PC ein Intel-Prozessor drin sei, klebe ein „Intel inside“ drauf. „Aber es gibt kein ‚Kyocera inside‘“. Dabei sind, da hat die Firma genau nachgezählt, im iPhone von Apple 14 Produkte von Kyocera drin. Teils gehen Innovationen von Kyocera aus, teils steht am Beginn die Frage eines Kunden: „Könnt ihr das für uns machen?“ Eberhard Schill erzählt das Beispiel vom BMW, der ein Display bekam, aber trotzdem echte Zeiger behalten sollte. Also war ein LCD-Display mit Löchern für die Zeiger gefragt, aus dem trotzdem kein Flüssigkristall herausläuft.

Fast jeder kennt die RFID-Chips, die als Diebstahlsicherung auf vielen Produkten kleben. Kyocera baut diese Antennen in winzige, nur 2,5 Millimeter mal 2,5 Millimeter kleine Keramikgehäuse ein. Sie finden ihre Anwendung auch bei Operationsbesteck, das sich damit dauerhaft erfassen lässt. Die Keramik hält 300 Grad Celsius und damit auch die Sterilisierung aus. Beim „Head-Up-Display“ (HUD) werden Informationen auf die Windschutzscheibe projiziert, damit der Blick des Fahrers auf der Straße bleibt, wo er hingehört. Durch eine Augenverfolgung kann dies sogar in 3D geschehen, durch eine Parallaxenbarriere bekommt jedes Auge sein eigenes Bild.

Um das Bild von Kyocera noch ein wenig abzurunden: Klassische Kameras baut der Konzern, der 1983 Yashica übernommen hatte und einst die „Contax“ fertigte, schon seit 2005 nicht mehr. Aber er bietet neben Schneidwerkzeugen auch Schmuck, neben Kondensatoren auch Küchenmesser und in Japan sogar drei Hotels. Und Kugelschreiber: Auf dem Tisch lag für die Journalisten ein keramischer Kuli von Kyocera Japan bereit.