Lange war der Maschinenbau ein Zugpferd der regionalen Wirtschaft, doch zuletzt gab es auch Sorgen.. Foto: dpa - dpa

Im vergangenen Jahr zeigten die Arbeitslosenzahlen nach oben. Doch die Arbeitsagentur sieht keinen Grund zur Panik. Es gelte, das Beste aus dem Strukturwandel zu machen.

Kreis EsslingenJahrelang herrschte über dem regionalen Arbeitsmarkt eitel Sonnenschein, doch zuletzt zogen auch wieder einige Wolken auf. Die konjunkturelle Eintrübung zeigte in der zweiten Jahreshälfte 2019 Wirkung, der Strukturwandel in prägenden Branchen wie der Automobilindustrie und dem Maschinenbau sorgt für Verunsicherung, die Arbeitslosenzahlen tendierten leicht nach oben. Thekla Schlör, die Chefin der Göppinger Arbeitsagentur, die den Kreis Esslingen betreut, sieht deshalb noch lange keinen Grund, die Zukunft in düsteren Farben zu malen. Noch immer liegt die Arbeitslosenquote im Kreis Esslingen bei 3,2 Prozent, noch immer herrscht in vielen Branchen Fachkräftebedarf. Trotzdem ist für Schlör klar, dass 2020 ein Jahr der Herausforderungen wird – für den regionalen Arbeitsmarkt, für viele Unternehmen und für die Arbeitsagentur. Die erhält von Firmen wieder vermehrt Anfragen wegen Kurzarbeit, gleichzeitig wollen die Agentur-Chefin und ihr Team verstärkt für Qualifizierung werben. Schlörs wichtigste Botschaft: „Wir sehen kein Risiko für Massenarbeitslosigkeit. Dafür wird auch der demografische Wandel sorgen.“

Die vergangenen Jahre waren von stetigem Beschäftigungsaufbau geprägt: Wurden im Juni 2014 im Landkreis Esslingen 195 501 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gezählt, so waren es fünf Jahre später 220 226. Zuletzt ging der Beschäftigungsaufbau langsamer voran als im Landesdurchschnitt (siehe Anhang). „Der Trend hat lange nach oben gezeigt, und wir bewegen uns auf sehr hohem Niveau. Unser Bezirk reagiert wegen seiner Struktur auf konjunkturelle Veränderungen meist schneller als andere“, sagt Bettina Münz, die Vize-Chefin der Göppinger Arbeitsagentur beim Blick auf ein Jahr 2019, das zwei Gesichter gezeigt habe: In der ersten Jahreshälfte war der regionale Arbeitsmarkt in guter Verfassung, in der zweiten gab es erste Dämpfer – ein Trend, der sich nun fortsetzen könnte. Dass der Arbeitsamtsbezirk Göppingen vom Landestrend ein wenig überholt wurde, hat Münz nicht überrascht: „Maschinenbau und Automobilzulieferer sind hier traditionell sehr stark. Das sind die Branchen, die stärker von Strukturwandel und Konjunktur beeinflusst werden.“

Doch die Entwicklung hat nicht alle Branchen gleichermaßen betroffen. Während 2019 das verarbeitende Gewerbe im Arbeitsamtsbezirk 1336 Stellen und die Zeitarbeitsbranche weitere 903 Stellen einbüßte, sorgten andere Bereiche wie der Informations- und Kommunikations-Sektor (plus 546), die öffentliche Verwaltung (plus 509) oder Verkehr und Lagerwesen (plus 383 Stellen) unterm Strich für ein Plus an Arbeitsplätzen. Und Bettina Münz betont: „Wir haben weiter Branchen, die händeringend Fachkräfte suchen.“ Dass zuletzt Betriebe wieder vermehrt wegen Kurzarbeit bei der Arbeitsagentur anklopften, ist für Thekla Schlör ebenfalls kein Grund zur Panik: „Wir sind trotz leicht gestiegener Nachfrage nach Kurzarbeit noch sehr, sehr weit vom Stand der letzten Krise entfernt.“ Wichtig sei, Zeiten der Kurzarbeit, wie es sich in der letzten Krise bewährt hatte, für zusätzliche Qualifizierung zu nutzen. Dass Experten durchaus Chancen für eine konjunkturelle Erholung in der zweiten Jahreshälfte 2020 sehen, mache Mut: „Wir gehen für unseren Bezirk davon aus, dass das hohe Niveau der Beschäftigung gehalten werden kann. Die Zahl der Arbeitslosen hingegen wird zunächst weiter steigen.“

Thekla Schlör nutzte ihre Jahresbilanz, um Mut zu machen für die Zukunft: „Der strukturelle Wandel ist unübersehbar. Berufsbilder und Ausbildungsinhalte werden sich verändern, und nicht jeder wird ein Leben lang in dem Beruf arbeiten, den er gelernt hat.“ Doch die Agentur-Chefin ist überzeugt, dass sich der Wandel positiv gestalten lässt. Die Arbeitsagentur will dazu ihren Beitrag leisten und ihre Angebote gerade im Bereich der Beratung und Qualifizierung weiter ausbauen: „Kern unseres Handelns ist die Ausrichtung an den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden – mit individuellen Lösungen, guten Strategien und einer Stärkung der Beratung.“ Dazu gehört auch, dass Berufsberatung künftig ein Leben lang begleiten soll.

Der regionale Arbeitsmarkt 2019 in Zahlen

Arbeitslosigkeit: Der Arbeitsamtsbezirk Göppingen verzeichnet für 2019 eine durchschnittliche Arbeitslosenquote von 3,3 Prozent (plus 0,1 Prozentpunkte). Ludwigsburg (2,8 Prozent) und Waiblingen (3,1 Prozent) schneiden besser, Stuttgart mit 3,6 Prozent schlechter ab. Die Arbeitslosenquote im Kreis Esslingen lag 2019 bei 3,2 Prozent (plus 0,1 Prozentpunkte), im Kreis Göppingen stieg sie gegenüber 2018 um 0,1 auf 3,5 Prozent.

Unterschiede: Die Bilanz der vier Arbeitsagentur-Geschäftsstellen im Kreis Esslingen fällt unterschiedlich aus. Am besten schnitt Leinfelden-Echterdingen mit einer Arbeitslosenquote von 2,5 Prozent (minus 0,1 Prozentpunkte) ab, gefolgt von Nürtingen mit 3,1 Prozent (plus 0,1), Kirchheim mit 3,3 Prozent (plus 0,3) und Esslingen mit 3,4 Prozent (minus 0,1).

Beschäftigung: Zum 30. Juni 2019 waren im Arbeitsamtsbezirk mit den Kreisen Esslingen und Göppingen 309 372 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Mit 0,3 Prozent fiel der Zuwachs geringer aus als im Landesdurchschnitt (plus 1,6 Prozent). Im Kreis Esslingen gab es am Stichtag 220 226 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte – plus ein Prozent.

Stellenangebote: 6594 offene Stellen waren 2019 im Jahresdurchschnitt bei der Arbeitsagentur im Kreis Esslingen gemeldet – 2018 waren es noch 7858 Stellen.

Förderung: Rund 205 Millionen Euro hat die Agentur für Arbeit 2019 in den Kreisen Esslingen und Göppingen ausgegeben. Dickste Brocken waren Arbeitslosengeld (84 Millionen Euro) und Beiträge zur Sozialversicherung (61 Millionen Euro). Zur Unterstützung der Arbeitssuche und -aufnahme wurden insgesamt 7,1 Millionen Euro ausbezahlt, für Qualifizierung 11,9 Millionen, für Arbeitslosengeld in der Qualifizierung 10,6 Millionen, zur Erleichterung des Übergangs von der Schule in den Beruf 6,2 Millionen Euro, für die Teilhabe Behinderter 24,6 Millionen Euro.

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