Birgit und Wolfgang Lüneberg lieben ihren Laden. Doch nach 21 Jahren wollen sie das Hegensberger Geschäft abgeben. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Der Laden von Birgit und Wolfgang Lüneberg ist eine Institution in Hegensberg. Doch im Frühsommer will das Paar das Geschäft abgeben – einen potenziellen Nachfolger gibt es bereits.

ES-Hegensberg Derzeit herrscht Hochbetrieb in Birgits Lädle. Die Wochen nach den Sommerferien gehören zu den arbeitsreichsten Zeiten im Jahr für Birgit Lüneberg und ihren Mann Wolfgang. Denn die Kunden kommen reihenweise mit langen Listen von Schreibwaren, die ihre Kinder für die Schule brauchen. Die Lünebergs beraten geduldig, suchen Artikel zusammen oder schnüren gleich ganze Pakete, die die Kunden dann nur noch abholen brauchen. Gestresst wirken sie dabei nicht. Kein Wunder: Sie lieben ihren Job, das ist nicht zu übersehen. Dennoch werden sie ihren Laden in der Esslinger Straße im Frühsommer aufgeben.

Birgits Lädle ist eine Institution in Hegensberg. Für viele Leute auf dem Berg ist es nicht nur ein Geschäft, sondern auch ein Treffpunkt, an dem man sich austauschen kann und eine Anlaufstelle, wenn man Hilfe bei den kleinen Problemen des Alltags braucht. Das hat ganz entscheidend mit der Inhaberin zu tun, die dem Laden auch seinen Namen gibt: Birgit Lüneberg. Denn die 56-Jährige ist nicht nur in Hegensberg aufgewachsen und stark verwurzelt, sondern ist in ihrem Geschäft auch mit Leib und Seele bei der Sache.

Offenes Ohr für jeden Wunsch

Viele ihrer Kunden kennt sie seit Jahren und oft weiß sie schon, was die Leute wollen, wenn sie den Laden betreten: die eine bestimmte Zeitschrift, den Kaffee mit viel Milch oder den wöchentlichen Lottoschein. Und für jeden Wunsch hat sie ein offenes Ohr – und sei er noch so aus der Zeit gefallen. So nimmt sie zum Beispiel noch echte Filmrollen für Fotos an und schickt sie zur Entwicklung oder verkauft nach wie vor Papiertickets für den Bus an ältere Kunden, die mit Elektronik nichts am Hut haben – obwohl sie damit so gut wie nichts verdient. Aber sie bringt es nicht übers Herz, den Senioren diesen Wunsch abzuschlagen: „Es tut mir ja nicht weh, das anzubieten“, sagt sie.

Dabei hat sie ohnehin schon so viel im Angebot, dass es kaum zu glauben ist, wie all ihre Produkte in den kleinen Laden in der Hegensberger Ortsmitte passen. Hier ist jeder Zentimeter ausgenutzt, dicht an dicht stehen die Waren in den Regalen: Stifte, Blöcke und Ordner, Geburtstagskarten und Geschenkpapier, Klopapier, Kerzen und Servietten. Dazu kommen Süßwaren, Spielzeug und Batterien, Bücher und Partygeschirr, aber auch Raritäten wie Einmachhaut oder Schrankpapier, die anderswo kaum noch wer anbietet.

Das passt zu dem Motto, das die Inhaberin ihrem Laden gegeben hat: „Birgit hat’s“. Ein Kunde habe den Spruch mal erweitert auf: „Und wenn sie es nicht hat, dann kann sie es besorgen“, erzählt Lüneberg. Das stimme oft. Zwar sei ihr Laden nach wie vor in erster Linie ein Schreibwarenfachgeschäft. Aber sie und ihr Mann versuchen darüber hinaus, ihren Kunden alles zu besorgen, was sie können – möglichst bis zum nächsten Tag. Außerdem bieten sie verschiedene Dienstleistungen an. So bringen sie etwa Kleider zum Schneider und in die Wäscherei und sind eine Anlaufstelle für einen Paketdienst – ein Bereich, der rasend schnell wachse, sagt Birgit Lüneberg.

Um das alles unter einen Hut zu bekommen, muss man sich gut organisieren – und mit Herzblut bei der Sache sein. Das sind die Lünebergs. Dennoch hören sie zum 1. Juni 2019 auf, auf den Tag genau 21 Jahre nach Eröffnung ihres Ladens. Damals sei sie von der Besitzerin eines kleinen Schreibwarenladens in der Breitingerstraße angesprochen worden, ob sie das Geschäft übernehmen wolle, erzählt Birgit Lüneberg. Die gelernte Bankkauffrau und Erzieherin überlegte nicht lang und probierte es einfach. Wenige Jahre später konnte sie mit ihrem Laden an den jetzigen Standort in der Esslinger Straße umziehen. Bereut habe sie ihre Entscheidung nie, sagt sie. Doch das Lädle mache enorm viel Arbeit und lasse wenig Zeit für Privates. Deshalb schließt sich die 56-Jährige ihrem Mann an, der nächstes Jahr in den Ruhestand geht: „Ich will mit ihm zusammen aufhören, damit wir gemeinsam den Ruhestand genießen können.“

Das Aus für den Laden bedeutet das vermutlich aber nicht. Die Lünebergs haben tatsächlich einen potenziellen Nachfolger gefunden, der das Geschäft in ähnlicher Weise weiterführen will. Das war den Inhabern ein Anliegen. Gleichwohl war ihnen bewusst, dass das nicht einfach werden würde. Denn Läden wie den ihren findet man heute nur noch selten – und vielleicht noch seltener Menschen, die einen solchen betreiben wollen, angesichts all des Aufwands, der dazu gehört. So hat es auch eine Weile gedauert, bis das Paar einen Interessenten in seinem Sinne gefunden hatte. Angebote gab es zwar genug – aber vor allem von Wettbüros: „Wir hätten sofort schließen können und Riesen-Ablösesummen bekommen. Aber ich will ja noch durch den Berg laufen können“, sagt Birgit Lüneberg. Und ein Wettbüro bräuchten die Leute hier sicher nicht.

Noch ist der Vertrag mit dem Nachfolger nicht unterschrieben. Aber die Lünebergs sind zuversichtlich, dass es der Interessent aus Esslingen ernst meint und ihr Lädle übernehmen will. Er werde vielleicht einiges anders machen als sie, aber das Hauptangebot werde er zunächst in gewohnter Form weiterführen. Dennoch wird den Inhabern der Abschied nicht leicht fallen: „Der Laden war mein Baby“, sagt Birgit Lüneberg. Das Baby ist bald 21 Jahre alt – ein gutes Alter, um loszulassen.

Neuer Bergladen

Projekt: Kurz vor den Sommerferien hat sich in Hegensberg ein Verein gegründet, der einen ehrenamtlich geführten Dorfladen etablieren will. Über den Sommer ist der Verein, der inzwischen rund 40 Mitglieder hat, vorangekommen: Am 20. Oktober soll der Bergladen eröffnet werden.

Standort: Vorerst wird der Laden in der evangelisch-methodistischen Christuskapelle betrieben, man sucht aber noch einen besseren Standort.