Wenn Frontmann Micha Rhein mit seiner Band In Extremo auf der Bühne steht, geht die Post ab – den Fans hat das auch auf der Esslinger Burg gefallen. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Mittelalterlich angehauchte Rockmusik ist ihr Markenzeichen. Auf der Esslinger Burg ließ es die Band In Extremo zum Auftakt der sommerlichen Konzert- und Kinosaison krachen.

EsslingenMehr als 1,5 Millionen verkaufte Platten haben In Extremo zur erfolgreichsten Mittelalter-Rock-Band in deutschen Landen gemacht. Wer ihre Musik so richtig genießen will, ist jedoch gut beraten, wenn er sie live und mit allen Sinnen erlebt. Gelegenheit dazu boten Frontmann Micha Rhein und seine Mannen zum Start der sommerlichen Konzert- und Kinosaison auf der Esslinger Burg. Das altehrwürdige Gemäuer, das schon manchen internationalen Star gesehen hat, bot die perfekte Kulisse für einen fulminanten Abend, den rund 3200 Zuhörer sichtlich und unüberhörbar genossen. Nicht mal die Tatsache, dass die ungarische Vor-Band Paddy and the Rats bei der Anreise viel Pech gehabt hatte und deshalb erst verspätet beginnen konnte, tat der Begeisterung Abbruch.

Konzerte von In Extremo sind stets ein bisschen anders. Wenn die Band auf der Bühne steht, hat das etwas von einem Familientreffen – viele Fans reisen Hunderte von Kilometern weit an. Man kennt sich, schätzt sich und feiert gemeinsam mit Gleichgesinnten und den Musikern. Und man kommt auch nicht einfach so, sondern passend gewandet: Schwarz ist Minimalanforderung, mittelalterlich angehauchte Outfits weisen den wahren Kenner und Liebhaber aus. Und natürlich gehört es auch dazu, die bekanntesten Hits textsicher mitzusingen. Schließlich stehen Songs wie „Feuertaufe“ für ein gemeinsames Lebensgefühl: „Wir beide schau’n uns an – Ein Herz und eine Seele – Ziehst mich in deinen Bann – Wir schreien’s aus einer Kehle.“

Mitte der 90er-Jahre hat sich Micha Rhein, der sich Das letzte Einhorn nennt, mit einigen Gleichgesinnten zusammengefunden, um einen Sound zu kreieren, der mittelalterliche und rockmusikalische Klangelemente vereint. Das zeigt sich bereits am Instrumentarium. Neben Schlagzeug, Bass und Gitarre fahren In Extremo Historisches wie Dudelsack, Schalmei, Cister, Trumscheit, Marktsackpfeife oder Hackbrett auf. Der unverwechselbare Sound, der daraus entsteht, lässt die Band zu einem Unikum in der Musikszene werden. Frontmann Rhein und seine Kollegen, die auf so originelle Bühnennamen wie Die Lutter, Flex der Biegsame, Van Lange, Yellow Pfeiffer, Dr. Pymonte oder Specki T. D. hören, haben ihren Stil im Lauf der Jahre konsequent weiterentwickelt. „Ein gut gelaunter Haufen bunter Vögel“, wie sie sich selber gerne nennen, ist da am Werk, der sich die Freiheit nimmt, ganz eigene Wege zu gehen, sich immer wieder neu zu erfinden und sich trotzdem treu zu bleiben. Jeder der Musiker ist vielfach begabt, beherrscht mehrere Instrumente und macht nicht nur der selbst kreierten Kostüme wegen auch als Gaukler eine gute Figur.

Am allerliebsten spielen in Extremo auf Burgen und Schlössern, weil eine im wahrsten Wortsinn feurige Bühnenshow, mitreißende Songs wie „Quid pro quo“ oder „Zigeunerskat“ und ein außergewöhnliches Ambiente dort ihre Wirkung am allerbesten entfalten. Mehr als einmal ließ Micha Rhein erkennen, wie wohl er und seine Kollegen sich auf der Esslinger Burg fühlen. Neben einigen neuen Songs hatte die Band auch eine ganze Reihe ihrer Klassiker im Gepäck, die immer wieder gern gehört und leidenschaftlich mitgesungen werden. Dabei zeigen In Extremo bemerkenswerte Vielseitigkeit: Manches klingt hart und rockig, anderes trägt fast balladeske Züge, mal schwingen mittelalterliche Klänge mit, ein andermal bedient man sich im Fundus der Folklore. Denn das passt zu einer Band, die die Freiheit nicht nur besingt, sondern sich dieselbe auch nimmt, als Freibeuter auf den Weltmeeren der Musik immer wieder neue Schätze zu kapern. Nicht von ungefähr ließ der wilde Pirat Klaus Störtebeker auf der Burg auch musikalisch grüßen.