Von Dagmar Weinberg

Wie eng es auf dem Wohnungsmarkt zugeht, bekommen vor allem all jene zu spüren, die nicht „ins Raster alleinstehend, gut verdienend und möglichst auch noch Wochenendpendler passen“, stellt Erika Kienzler vom Verein Frauen helfen Frauen fest. So muss das Esslinger Frauenhaus seit einiger Zeit „fünf Mal mehr Frauen abweisen, als wir aufnehmen können“. Doch nicht nur die Bewohnerinnen des Frauenhauses suchen händeringend nach Wohnraum.

Doris Ayena vom Verein Heimstatt Esslingen betreut eine ganze Reihe alleinerziehende Frauen, die mit ihren Kindern und Umzugskartons im Obdach leben, weil sie einfach keine Wohnung finden. „Bei ihnen funktioniert eigentlich alles prima. Die Frauen kommen gut alleine klar, gehen arbeiten und sind sozial integriert“, erzählt Ayena. Der Umzug in eine Obdachlosenunterkunft bedeutet aber oftmals einen Bruch. Da viele Männer, die in den Unterkünften leben, mit Alkoholproblemen kämpfen, „ist das Leben dort vor allem auch für die Kinder schwierig“. Denn die Unterkünfte sind nicht für sie ausgelegt. „Die Kinder empfinden die Situation als bedrohlich und haben Angst.“ Schon gar nicht sei für die Heranwachsenden daran zu denken, mal Freunde oder Schulkameraden einzuladen. „Damit die Kinder die Situation einigermaßen gut überstehen, geben die Mütter dann manchmal sogar ihre Arbeit auf oder reduzieren sie.“

Das Zusammenleben organisieren

Dass auf dem Wohnungsmarkt jedoch Reserven schlummern, erlebt Barbara Straub, Chancengleichheitsbeauftragte der Stadt Esslingen. „Bei mir melden sich öfter Frauen, denen ihre Wohnung inzwischen viel zu groß geworden ist oder die so hohe Nebenkosten haben, dass sie die kaum noch bezahlen können.“ In eine kleinere Wohnung umzuziehen, „ist angesichts des akuten Wohnungsmangels, und weil kleinere Wohnungen meistens unverhältnismäßig teuer sind, für viele keine wirkliche Alternative“.

Um die Frauen mit einem Dach über dem Kopf und die alleinerziehenden oder auch alleinstehenden Wohnungssuchenden zusammenzubringen, haben die Heimstatt und der Esslinger Frauenrat nun die Initiative ergriffen und das Wohnprojekt „Wohnraum teilen - Vorteile für beide“ gestartet. „Da die Wohnungsnot so dramatisch ist, muss man Fantasie entwickeln“, erklärt Erika Kienzler. Zielgruppe des Projekts sind zumeist ältere Frauen, denen ihr Domizil zu groß ist oder die sich in ihrem Haus einsam fühlen. „Es gibt ja auch viele Häuser mit Einliegerwohnungen, die schon lange nicht mehr vermietet werden“, sagt Doris Ayena, die das Projekt managt.

Da es nicht einfach ist, Wohnung oder Haus plötzlich mit jemandem zu teilen, wird sie das Wohnprojekt eng begleiten. Dabei geht es zunächst mal darum, zu schauen, „ob die Frauen zueinander passen, sowie das Kennenlernen zu moderieren und das Zusammenleben zu organisieren“. Die Koordinatorin wird sich aber auch um organisatorische Fragen kümmern. „Untervermietungen müssen versteuert werden, und wir möchten ja nicht, dass jemand Nachteile davon hat.“ Mit den Wohnbauträgern wie der Baugenossenschaft oder der Esslinger Wohnungsbau hat sie bereits abgeklärt, „dass sie Untervermietungen erlauben“.

Barbara Straub und ihre Mitstreiterinnen sind überzeugt, dass beide Seiten von dem Wohnprojekt profitieren. „Einsamkeit im Alter ist ja auch ein großes Thema“ - wobei klar ist, dass es in den Zweck-WGs nicht darum geht, dass die Untermieterinnen ihre Vermieterin pflegen. „Unser Ziel ist ein nachbarschaftliches Miteinander und das Erleben von Gemeinschaft“, erklärt Erika Kienzler, die darin vor allem auch für die Kinder „eine große Entwicklungschance“ sieht.

Frauen, die Wohnraum anzubieten haben, können sich mit Doris Ayena von Heimstatt unter Tel. 0170 58 98 204 oder per E-Mail an doris.ayena@heimstatt-esslingen.de in Verbindung setzen.