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Zwei unserer Volontäre haben die Vorwürfe gegen die Busfirma Rexer mit einer Testfahrt auf zwei Linien geprüft. Eine Multimedia-Geschichte dazu gibt es hier...

EsslingenMartin Obele ist wütend. „Eine Katastrophe ist das mit diesen Bussen. Heute morgen hatte er ganze 20 Minuten Verspätung. Deswegen bin ich zu spät zur Arbeit gekommen.“ Die Meinung Obeles beim Einsteigen in die Buslinie 108 steht stellvertretend für die Vorwürfe, die in den vergangenen Monaten auf das Busunternehmen Rexer eingeprasselt sind. Überfüllte Busse, unfreundliche Fahrer, ein teilweise grauenvoller Fahrstil, häufige Unpünktlichkeit und ausgelassene Haltestellen – die Anschuldigungen sind enorm. Und jetzt, nicht einmal fünf Minuten nachdem wir, zwei Volontäre der EZ, den Selbstversuch „Busfahren“ gestartet haben, um einen Vormittag lang den Anschuldigungen auf den Grund zu gehen, bestätigen sich also diese Vorwürfe in Form eines aufgebrachten Herren mit dem Namen Obele. Nein, ganz so einfach ist es nicht. Im Gegenteil – wir haben auf unserer Erkundungstour einige positive Dinge erlebt und gehört. Bei Rexer hat sich etwas getan in den vergangenen Monaten. Es wurde einiges verbessert, gar normalisiert.

Da wären zum einen die Busfahrer. Kein Deutsch sollen sie sprechen, und unfreundlich seien sie obendrein. Beim Begleiten der Linien 108 und 110, im Vorfeld als die beiden Problemlinien ausgemacht, begegnen wir jedoch zwei ausgesprochen sympathischen Busfahrern. Zum Start unserer Tour grüßen wir den Fahrer – und der grüßt freundlich zurück, von unverschämtem Verhalten ist nichts zu sehen. Darüber hinaus erklärt er uns, wie wir unser digitales Stadtticket, das wir zuvor in der VVS-App erworben haben, richtig abscannen. Später hilft der Mann einer Frau im Rollstuhl beim Einsteigen. Er steht auf, schiebt eine Rampe auf den Gehweg und schiebt die Dame eigenhändig hinein. „Das ist nicht selbstverständlich“, betont die Frau, die namentlich nicht genannt werden will. „Manche helfen, manche aber auch nicht.“

Nicht so positiv: Eine Mutter bekommt keine Hilfe, als sie mit Kinderwagen in den Bus steigt. „An der Haltestelle Anhäuserstraße, wo ich meistens einsteige, ist der Abstand zwischen Gehweg und Bus relativ groß. Da bin ich immer auf die Hilfe von Passanten angewiesen, obwohl das eigentlich der Job des Fahrers ist“, beklagt sich Patricia Drescher. „Das war vor eineinhalb Jahren deutlich besser.“ Dem widerspricht aber Wibke Weh. Sie steigt ebenfalls ohne Hilfe mit Kinderwagen ein, doch sie betont: „Das war früher auch nicht besser.“

Was negativ auffällt: Die Fahrer verstehen in der Tat nur mit großer Mühe die deutsche Sprache und drücken sich ihrerseits sehr bruchstückhaft aus. Das sorgt für die eine oder andere komplizierte Situation – zum Beispiel beim Erwerb einer Fahrkarte. „Vergangenes Wochenende wollte ich das neue Stadtticket kaufen. Doch der Busfahrer hat mich entweder nicht verstanden oder hat überhaupt nicht gewusst, von was ich spreche“, erzählt uns die 78 Jahre alte Helga Rayer.

Auch die fehlenden Ortskenntnisse der Rexer-Fahrer waren immer wieder Thema unter den Bürgern. Wir prüfen das nach, fragen den Busfahrer an der Endhaltestelle Jägerhaus, wie wir nach Wäldenbronn kommen. Nach kurzem Überlegen antwortet er: „Zurück zum ZOB, dann die Linie 110.“ Er spricht in gebrochenem Deutsch, richtig liegt er dennoch – Test bestanden.

Das zweite große Streitthema: die Pünktlichkeit. Für Betreiber öffentlicher Verkehrsmittel eine nie endende Diskussion – nicht zuletzt die Deutsche Bahn kann ein Lied davon singen. Bei den Buslinien der Firma Rexer soll es jedoch ausgesprochen schlimm sein. Von regelmäßigen, riesigen Verspätungen ist die Rede, teilweise sollen Busse sogar Haltestellen auslassen oder gar ganz ausfallen. Jobst Dornheim, 84 Jahre alt, sitzt neben seiner Frau in der Linie 110. Er relativiert: „Ich finde, es läuft ganz ordentlich mittlerweile. Meistens sind die Busse pünktlich, nur ganz selten fallen Linien aus.“ Seine Frau ist gleicher Meinung: „Es hat sich normalisiert.“ Dennoch, Vorkommnisse wie Busausfälle habe es früher bei der Firma Schlienz nicht gegeben, betonen beide unisono.

Wir bleiben auf unserer Tour zum Glück von größeren Verspätungen verschont. Lediglich die Linie 110 ist an der Haltestelle beim Betriebshof der Firma Schlienz etwa drei Minuten im Verzug. Das liegt jedoch daran, dass die Rexer-Busse, anders wie ihre Vorgänger, nicht auf dem Hof wenden dürfen. Stattdessen müssen sie nun den umständlichen Weg bis zum Dulkhäusle fahren. Am Ende erreichen wir dennoch pünktlich den ZOB. Das hängt zwar mit dem relativ rasanten Fahrstil des Busführers und dem Überfahren einer gerade noch dunkelgelben Ampel zusammen – aber immerhin. „Sie fahren manchmal wie die Hengste“, sagt Wibke Weh, „meine dreijährige Tochter muss ich meistens festhalten“. Doch ansonsten hat die Mutter noch keinen wirklich negativen Erfahrungen gemacht.

In der Linie 110 treffen wir eine weitere Frau. Die 64-jährige Esslingerin kann die Anschuldigungen in keiner Weise verstehen. „Manchmal sind die Vorwürfe echt unter aller Sau“, wettert sie. „Ich fahre oft Bus und habe noch nichts Schlimmes erlebt. Die Busfahrer sind immer nett.“ Ihre Erklärung für die ganze Aufregung: „Manche haben eben eine vorgefertigte Meinung, die kann man gar nicht zufriedenstellen.“

Auf uns trifft das nicht zu. Wir konnten uns ein ungefähres Bild machen, haben die vermeintlichen Problemlinien 108 und 110 bei unserer Testfahrt genau unter die Lupe genommen. Unser Fazit: Es geschehen immer noch unerfreuliche Dinge in den Rexer-Bussen. Doch im Vergleich zum Anfang hat sich die Lage deutlich gebessert. Es bleibt zu hoffen, dass Martin Obele in Zukunft wieder pünktlich zur Arbeit kommt. Die Voraussetzungen dafür sind auf jeden Fall gegeben.

Johannes Müller, technischer Werksleiter bei den Städtischen Verkehrsbetrieben (SVE), hat in den vergangenen Wochen und Monaten einen Rückgang der Beschwerden gegen die Firma Rexer beobachtet. „Wir sind zwar noch nicht wunschlos glücklich, doch die grundsätzlichen Anfangsschwierigkeiten sind ausgeräumt“, betont er. Rexer habe weitreichende Maßnahmen eingeleitet, um die Qualität der Linien zu erhöhen. „Alle Fahrer haben Tarifschulungen bekommen. Diejenigen, die Sprachprobleme haben, besuchen nun Deutsch-Kurse an der VHS“, sagt Müller. Außerdem seien einige neue Fahrer eingestellt worden, die über gute Ortskenntnisse verfügen. Um Fauxpas in Zukunft zu vermeiden, wurde in jedem Bus zudem ein spezielles Navigationssystem installiert.

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