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Die Eßlinger Zeitung sprach mit Christof Wolfmaier, neuer Rektor der Hochschule und habilitierter Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Fahrzeugtechnik, über Drop-out-Zahlen und Aussagen des Freundeskreises, er hätte keine Kenntnis davon.

Esslingen Sind es zu viele? Im Interview mit der Eßlinger Zeitung hatte Dietmar Ness, Vorsitzender des Vereins der Freunde der Hochschule Esslingen (VDF), die hohen Abbruchquoten kritisiert: „Die genauen Dropout-Zahlen hat uns die Hochschule leider nicht mitgeteilt, aber aus verschiedenen Faktoren schließen wir, dass sie zu hoch sind.“ Im EZ-Gespräch nimmt Christof Wolfmaier, neuer Rektor der Hochschule und habilitierter Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Fahrzeugtechnik, zu dieser Aussage Stellung.

Sind die Abbruchquoten an der Hochschule Esslingen denn ein Geheimnis?
Nein, natürlich nicht. Es ist nur so, dass die Werte schwer zu ermitteln sind, weil unter den Dropout-Zahlen auch die Studiengangwechsler erfasst werden. Wir bieten unserer Klientel an unserer Hochschule ja neben Wirtschaft und Technik auch das Feld Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege an. Damit bilden wir fast die gesamte Gesellschaft ab, decken ein breites Spektrum ab, und es kommt daher häufig vor, dass unsere Studierenden zwischen oder innerhalb der einzelnen Fachrichtungen ihren Studiengang wechseln.

Gibt es dennoch Zahlen zur Abbruchquote?
Ja, die gibt es. Und die Zahlen sind nicht zu hoch, sondern bewegen sich im Landesdurchschnitt. Allerdings gibt es zwischen den einzelnen Ausbildungsfeldern eine starke Spreizung. Im sozialen Bereich liegen sie bei etwa zehn Prozent, in den technischen Disziplinen bei durchschnittlich ungefähr 35 Prozent, was vor allem auf die mathematisch-naturwissenschaftlichen Anforderungen zurückzuführen ist.

Und warum hat der Freundeskreis der Hochschule keine Kenntnis von den Zahlen?
Bereits vor dem Interview in der Eßlinger Zeitung hatte ich einen Gesprächstermin mit Dietmar Ness auch bezüglich der Dropout- Zahlen vereinbart.

Mehr als jeder dritte Studierende fällt also im technischen Bereich durch. Woran liegt das?
Das Anforderungsprofil ist das gleiche geblieben, aber das Qualitätsprofil der Studierenden hat sich verändert. Die jungen Menschen lernen heute anders als früher und bringen andere Kenntnisse mit. Und sie sind durch den Wegfall von Wehr- oder Zivildienst und das „G8“, den achtjährigen Weg zum Abitur, viel jünger. Teilweise bewerben sie sich mit 17 Jahren um einen Studienplatz – und viele sind in diesem Alter noch nicht reif, noch nicht erwachsen.

Gibt es noch weitere Gründe?
Wir müssen auch Absolventinnen und Absolventen mit einer Meisterprüfung an der Hochschule aufnehmen, die zwar sehr gute praktische Kenntnisse haben, sich aber mit der theoretischen Ausbildung schwer tun. Immerhin kommt etwa die Hälfte unserer Klientel über den zweiten Bildungsweg zu uns und hat dann meist höhere Anpassungsschwierigkeiten als Abiturienten. Aber es liegt auch an Politik und Gesellschaft, die jedes Kind auf dem Gymnasium und jeden jungen Menschen an der Hochschule sehen möchten – unabhängig von der Neigung. Und die Lebensprioritäten sind gestiegen – viele junge Menschen jobben nebenher, um sich einen gewissen Lebensstandard leisten zu können. Und dann wird es natürlich bei einem Vollzeitstudium eng. Aber wir müssen die jungen Menschen dort abholen, wo sie sind.

Wie kann das funktionieren?
Etwa durch ein Studienorientierungssemester. Die jungen Leute, die neu an die Hochschule Esslingen kommen, lernen dabei in der ersten Hälfte des Semesters unsere einzelnen Studienzweige kennen. Dazu wollen wir berufserfahrene Referentinnen und Referenten aus der Praxis aufs Podium holen, die Inhalte ihres Arbeitslebens vorstellen, die jungen Leute sollen in die einzelnen Berufszweige hineinschnuppern, und sie sollen den Campus mit allen Disziplinen kennenlernen. Zum „Midterm“, zur Mitte des Semesters, soll dann eine Art Leistungskontrolle durchgeführt werden, die den künftigen Studierenden zeigt, wo ihre Stärken liegen – im Bereich Technik, Wirtschaft oder Soziales. Für die restlichen acht Wochen bieten wir dann eine Vertiefung der in diesen Disziplinen wichtigen Kenntnisse etwa im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich an, um vorhandene Lücken zu schließen. Das Studienorientierungssemester möchte ich bereits zum Wintersemester 2020/’21 einführen, und es soll auch mit Unterstützung des Landes Baden-Württemberg finanziert werden.

Das wäre dann ein nulltes Semester?
Ja. Die jungen Menschen studieren ein Semester länger, aber das ist keine verlorene Zeit. Dadurch werden Erwartungen korrigiert, Stärken herausgefiltert, Studiengänge entsprechend der Begabung gewählt und die Anpassungsphase des Qualifikationsprofils zwischen Abitur und Hochschule verkleinert. Die Abbruchquote wird dadurch deutlich sinken. Denn viele Jugendliche sind zunächst orientierungslos. Da müssen wir uns als Hochschule bewegen.

Auch mit Blick auf das Anforderungsprofil?
Die Industrie braucht hoch qualifizierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und erwartet von unseren Absolventen und Absolventinnen zu Recht eine hohe Qualität. Das Bachelor-Studium bis zur Bachelor-Vorprüfung ist daher sehr straff organisiert und eng getaktet. Darum laden wir zum Beispiel in der Fakultät Fahrzeugtechnik alle Erstsemester zu einem Gespräch ein. Da gibt es Studierende, die kommen wunderbar zurecht, und dann ist das Gespräch nach fünf Minuten beendet. Aber manche leiden an einem Überforderungssyndrom. Ihnen zeigen wir dann, wie sie die einzelnen Prüfungen etwa durch das Verlegen auf ein späteres Semester entzerren können. In der Fakultät Informationstechnik gibt es ein ähnliches Modell, bei dem im Bedarfsfall die Studienzeit flexibel gestaltet werden.

Sie sprechen selbst die hohe Qualität an. Das Anforderungsprofil ist also schon groß?
Im Hauptstudium gleicht sich das ein wenig aus, doch bis zur Bachelorvorprüfung haben die Studierenden mit anspruchsvollen Grundlagen in einer 50 bis 60-Stunden-Woche gut zu tun.

Auch der Lernmodus der jungen Erwachsenen hat sich Ihrer Darstellung nach verändert. Wie reagiert die Hochschule darauf?
Es fehlt den jungen Leuten nicht an Intelligenz. Die Menschheit ist nicht klüger oder doofer als vor 100 Jahren. Aber sie lernen anders, sind mehr auf digitale Medien fixiert, sind vielfältigeren Einflüssen ausgesetzt, leben in einer crossmedialen Medienwelt – und darauf müssen wir uns einstellen. So hat ein Kollege Kontakt zum Kreismedienzentrum in Göppingen aufgenommen, und er möchte erreichen, dass er beispielsweise die Brennstoffzelle komplett multimedial erklären kann. Das sollte zum Appetizer für andere werden.

Was passiert mit Studienabbrechern?
Einige wechseln, wie bereits gesagt, den Studiengang. Anderen bieten wir eine zentrale Studienberatung an, die auch in Richtung Ausbildung vermittelt.

Noch eine Frage zum Standort Göppingen. Ist der gefährdet?
Der Standort nicht zur Debatte stehe, „ aber die inhaltliche Ausrichtung stellen wir auf den Prüfstand. Als in Göppingen vor 25 Jahren die Fachrichtung Mechatronik eingeführt wurde, ging es dabei um ein Megathema; die Synthese von Mechanik, Elektronik und Software. Es ging um neue Methoden, die noch keine Domänen innehatten. Doch heute hat sich die Mechatronik ihre Anwendungsfelder wie dem Maschinenbau, das Automobil oder die Gebäudetechnik etabliert. Darum müsste diese Fachrichtung eigentlich mit den anderen technischen Studiengängen hier in Esslingen zusammengeführt werden. Wir arbeiten daher an einer Neuausrichtung für Göppingen. Die Ausbildung zum Wirtschaftsingenieur wird dort auf jeden Fall bleiben. Aber es müssen auch weitere kleinere Fakultäten kritisch hinterfragt werden. Doch hier sind wir auch in Gesprächen mit den Verantwortlichen standortübergreifend in allen Fakultäten.

Die Zukunft des Standorts Göppingen

Spekulationen zur Schließung des Standorts Göppingen der Hochschule Esslingen kursieren schon länger. Christof Wolfmaier, der neue Rektor, erklärt dazu, dass der Standort nicht zur Debatte stehe, aber die inhaltliche Ausrichtung auf den Prüfstand gestellt werde: „Als in Göppingen vor 25 Jahren die Fachrichtung Mechatronik eingeführt wurde, ging es dabei um ein Megathema; die Synthese von Mechanik, Elektronik und Software. Es ging um neue Methoden, die noch keine Domänen innehatten. Doch heute hat sich die Mechatronik in ihren Anwendungsfeldern wie dem Maschinenbau, dem Automobil oder der Gebäudetechnik etabliert. Darum müsste diese Fachrichtung eigentlich mit den anderen technischen Studiengängen hier in Esslingen zusammengeführt werden. Wir arbeiten daher an einer Neuausrichtung für Göppingen. Die Ausbildung zum Wirtschaftsingenieur wird dort auf jeden Fall bleiben. Aber es müssen auch weitere kleinere Fakultäten kritisch hinterfragt werden. Doch hier sind wir auch in Gesprächen mit den Verantwortlichen standortübergreifend in allen Fakultäten“.