Nur in Richtung Klinik befahrbar: Die Hirschlandstraße in Oberesslingen ist wegen Bauarbeiten halbseitig gesperrt. Foto: Tom Weller - Tom Weller

Offenbar wollen oder können viele Autofahrer keine Schilder lesen: Immer wieder gibt es Autos, die auf der Hirschlandstraße in Richtung Stadt fahren. Wegen Bauarbeiten ist das aber die nächsten zwei Wochen nicht erlaubt, möglich ist das nur in Richtung Klinikum. Für Geschäftsleute ist das ein Problem, denn die Kunden bleiben aus. Anwohner dagegen freuen sich über weniger Lärm.

EsslingenIhre leuchtend orangenfarbene Arbeitskleidung ist schon von weitem erkennbar. Kurze Verschnaufpause. Einmal durchatmen. „Wir haben seit 7 Uhr heute Morgen die Beschilderung und die Umleitungshinweise angebracht“, erklärt Bernd Henne von der damit beauftragten Privatfirma aus Plochingen. Keine einfache Sache, wie er und seine Kollegen betonen. Allein ein Fuß, auf dem die rot-weißen Sperrungsschilder stehen, wiegt 29 Kilo: „Insgesamt haben wir etwa 20 Tonnen Material aufgestellt.“ Eine Woche hätten die vorbereitenden Maßnahmen gedauert – nun wurden die entsprechenden Schilder und Absperrungen aufgestellt, damit die Bauarbeiten in der Hirschlandstraße im Ortsteil Oberesslingen beginnen können.

Ihren Knochenjob haben Bernd Henne und seine Kollegen erst einmal erledigt. „Tja, Augen auf bei der Berufswahl“, scherzen sie noch. Und der sonst so gern gebrauchte und für Heiterkeit sorgende Verweis auf die vermeintlich weniger anstrengende Tätigkeit deutscher Beamte prallt an diesen fleißigen Bauarbeitern ab: „Oh nein, die haben auch ganz schon was um die Ohren.“ Verständnis für die deutsche Beamtenschaft besteht also – für die Bauarbeiten an der viel befahrenen Hirschlandstraße, an der das Klinikum Esslingen liegt, auch. Einmal müssten die Belagsarbeiten mit einseitiger Sperrung ja durchgeführt werden, erklärt die freundliche Dame hinter der Theke der Bäckerei Cnossen, die ihren Namen nicht nennen will. Besser jetzt in den Sommerferien, wenn sowieso weniger los ist. Dennoch habe ihr Arbeitgeber auf die Baustelle mit allen ihren Einschränkungen für den Kundenverkehr reagiert und schließt darum das Geschäft bis zum Ende der Baumaßnahme jeweils um 13 Uhr. Anwohner Michael Stülpnagel, Kunde in der Bäckerei, Schauspieler und auch für sein „Kino im Kopf“ im Scala in Esslingen bekannt, kann den Bauarbeiten sogar Positives abgewinnen: Dann würde es wenigstens einmal für 14 Tage weniger Verkehr geben, und der Geräuschpegel sei etwas geringer. Nein, nein, schränkt er gleich ein, er wolle ja in der Stadt leben, zentral und mitten im Geschehen, darum müsse er mit einem gewissen Verkehrsaufkommen leben. Sein Fazit: „Wer Ruhe will, muss aufs Land ziehen.“ Dennoch, Tempo 30 in der Hirschlandstraße wäre seiner Meinung nach nicht schlecht. Die Damen in der Bäckerei sind schon froh, wenn die halbseitige Sperrung wieder aufgehoben wird: Denn viele Kunden kommen wegen der Umleitung nicht mehr am Geschäft vorbei.

Leidvolle Erfahrungen, die Christof Föhl, Inhaber der Hirsch-Apotheke, teilt: Er rechnet mit einem Viertel bis einem Drittel weniger Einnahmen während der Bauzeit. Vor ein paar Jahren, als die Straße wegen Bauarbeiten an der Adler-Kreuzung komplett gesperrt war, hätte er zwei Drittel weniger Umsatz gemacht. Damals hätte er die Stadt Esslingen gebeten, doch ein Hinweisschild anzubringen, dass die Zufahrt zu den Geschäften möglich wäre. Doch dieses Ansinnen sei abgelehnt worden. Und er selbst, so die weitere Auskunft, dürfe so ein Schild nicht anbringen. Dabei sei es wichtig, dass gerade seine Kunden über die Erreichbarkeit der Apotheke informiert seien – vor allem wenn er Nachtdienst habe und etwa für die Versorgung von Kranken und Notfällen mit dringend benötigten Medikamenten zuständig sei. Es würde ja auch eine gesetzlich definierte Arzneimittelversorgung geben.

Einige Patienten haben in der Apotheke nachgefragt, wie sie während der Bauarbeiten erreichbar sei, und auch bei Patrik Jager von dem Sanitätshaus mit Zufahrt von der Hirschlandstraße sind einige Anfragen von Kunden gelandet: „Wir sind in der Reha- und Krankenpflege tätig, die Kunden brauchen die Sachen dringend“, so der Abteilungsleiter Schuhtechnik und Orthopädieschuhtechnikermeister. Sicher, Straßen müssten saniert werden – das sieht er ein. Doch die Hirschlandstraße hätte seiner Meinung nach eine Sanierung gar nicht nötig. Da würden andere Straßen schlimmer aussehen. Elisabeth Stäbler dagegen ist gerade an der Hirschlandstraße damit beschäftigt, Grünabfälle von Gartenarbeiten in die dafür vorgesehen Abfalltonne zu drücken. Die Anwohnerin beklagt die ihrer Ansicht nach zu kurzfristige Information der Stadt über die Bauarbeiten. Erst vor zwei Wochen sei darüber aufgeklärt worden, dass es zu Verkehrsbeeinträchtigungen an der Straße komme. Auch sei nicht klar gemacht worden, ob eine Ausfahrt möglich ist oder nicht. Ein Problem auch für Berufstätige.

Weiter oben an der Hirschlandstraße versteht Norbert Seidel vom städtischen Tiefbauamt die Welt nicht mehr. Trotz Absperrung würden Autofahrer die Hirschlandstraße hinunter in Richtung Stadt fahren – obwohl sie nur nach oben in Richtung Klinik befahrbar wäre: „Manche Leute wollen oder können keine Schilder lesen.“ Ein Auge auf die Straße mit Blick auf mögliche Geisterfahrer gerichtet, erklärt er, dass er Kritik an der Informationspolitik der Stadt nicht nachvollziehen könne. Vor 14 Tagen seien alle Anwohner angeschrieben worden – ein längerer Zeitraum sei nicht empfehlenswert, denn dann würden viele wieder vergessen, dass Bauarbeiten ins Haus stehen. Dann deutet er auf Risse und Unebenheiten in der Straße – da müsse dringend etwas gemacht werden: „Das wird mit der Zeit nicht besser“. Die Hirschlandstraße erhalte einen neuen Belag, eine neue Markierung, und die Randsteine würden an den Überwegen barrierefrei gestaltet.

In zwei Wochen hofft er, dass die Bauarbeiten über die Bühne sind, „wenn es nicht gerade Hunde und Katzen regnet“. Denn die Hirschlandstraße sei eine „Hauptschlagader“. Zaubern könne niemand: Bauarbeiten ohne Behinderungen seien nicht möglich. „Halt“, ruft er dann, denn ein Autofahrer fährt die Hirschlandstraße trotz Sperrung hinunter. Zwei Wochen lang geht das nicht mehr.