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Schwabendichter der Romantik und südamerikanische Rhythmen – beim Galgenstricke-Kabarettisten Herbert Häfele und Exil-Chilenen Sergio Vesely passt das bei ihrer Liederreise zusammen.

EsslingenSeit Sergio Vesely 1984 im damals noch nicht ausgebauten Kabarett-Keller in der Webergasse spielte, träumte der Dichter, Musiker und Komponist davon, einmal mit dem Galgenstricke-Kabarettisten Herbert Häfele gemeinsame Sache zu machen. Vor zwei Jahren fassten sich die beiden Vollblutmusiker endlich ein Herz und trafen sich alle zwei Wochen in Veselys Mansarde unterm Dach, um gemeinsam zu musizieren. Nach und nach entstand ein abendfüllendes Programm, ein lyrisch-musikalischer Abend mit Gitarre und Akkordeon rund um die schwäbischen Dichter der Romantik, vertont mit den Klängen von Sergio Veselys südamerikanischer Herkunft. Unter dem Titel „Zurück in die Heimat“ machen sich der Schwabe Häfele und der Exil-Chilene Vesely zu einer Liederreise auf und finden in Poesie und Musik ein gemeinsames Zuhause.

Liebeslieder an die Heimat

In den 80er-Jahren begann Sergio Vesely, der nach politischer Haft unter der Pinochet-Diktatur 1976 aus Chile nach Deutschland ins Exil kam, politische Lyrik von Brecht, Herwegh und Heine zu vertonen. Irgendwann entdeckte er die schwäbischen Dichter der Romantik für sich. „Ich wusste nicht, dass viele dieser Lieder wie Eichendorffs ‚Abschied‘ bereits klassisch vertont waren. Ich las die Texte und habe mir mit südamerikanischen Klängen meine eigenen Lieder darauf gemacht“, erinnert er sich.

Sergio Vesely wundert sich, weshalb heutzutage so wenige Menschen hierzulande über ihre Heimat singen: „Wieso nicht? Du bist hier geboren, du hast dich hier verliebt, deine Kinder sind hier aufgewachsen, du hast diese wunderbare Stadt und willst nicht über sie singen? Südamerikaner singen über Valparaiso, Santiago, Catamarca, Lima oder Mexiko. Manchmal singen sie so wunderbare Sachen über einen Ort, dass der im Lied viel schöner erscheint, als er tatsächlich ist“, erzählt er grinsend. Herbert Häfele äußert eine Vermutung: „In Deutschland mit seiner Geschichte bekommt das schnell einen Anflug von Heimattümelei, für viele verbieten sich deshalb Heimatstolz und offen zur Schau gestellte Heimatliebe.“ Bei den schwäbischen Romantikern haben sie ausreichend Selbstbewusstsein für Zeilen lokalpatriotischer Rührung gefunden. „In des Sonntags heil‘ger Frühe stieg ich aus dem Tal heran“, heißt es da etwa am Anfang eines Gedichts des Schriftstellers und Journalisten Arthur Rehbein, das endet mit: „Neckarbraut im Blütenkranze, schönes Stuttgart, sei gegrüßt.“

Ihre Liederreise führt Häfele und Vesely zu Justinus Kerner und Ludwig Uhland, Eduard Mörike und Joseph von Eichendorff. Sie singen „Herbst“ von Nikolaus Lenau und „Auf der Mühle“ von Hermann Kurz. Mit dem Maler und Schriftsteller Georg von der Vring, der eine Zeitlang in Schorndorf lebte, besingen sie den Welzheimer Wald. Auf diesem Höhenrücken war Herbert Häfele als Kind mit seinen Eltern unterwegs. „In diesen Texten ist das oft ein Blick in eine Landschaft, die es heute so nicht mehr gibt. Die Dichter beschreiben auf eine romantische Weise die Schönheit ihrer Heimat, die auch meine Heimat ist“, sagt Häfele, der es genießt, in diesem Programm die schönen Seiten des Schwabenlandes zu besingen – anstatt wie sonst als Kabarettist Feinstaub, Verkehrsstau und Tiefbahnhof aufs Korn zu nehmen.

Die beiden kombinieren die hochdeutschen Texte der schwäbischen Romantik mit Sergio Veselys Kompositionen südamerikanischer Musik: Da gibt es eine Cueca aus Chile im 6/8-Takt, Salsa, aber auch Reggae, Rock ’n‘ Roll, Blues, einen traurigen Walzer, Milonga, Habanera und Bolero. Einen Text des Schriftstellers Albert Dulk, der auf Esslingens Höhen seinen Sommersitz hatte, interpretieren sie als Ballade.

Wie Straßenmusiker in der Karibik

Für Herbert Häfele am Akkordeon war die südamerikanische Musik durchaus eine Herausforderung: „In dieser Vielfalt kannte ich das bisher nicht. Und die Rhythmen, Taktarten und Betonungen sind für unser europäisches Ohr anfangs durchaus ungewohnt.“ Nachdem das Publikum begeistert war, als die beiden beim Galgenball erste Kostproben gespielt haben, wagen sie sich jetzt auf die Bühne: „Das ist direkt und unplugged. Das ist gerade so, als würden wir beide uns in einem karibischen Land irgendwo an die Straßenecke stellen, unsere Instrumente auspacken und musizieren“, beschreibt Sergio Vesely die Atmosphäre des Bühnenprogramms.

Die schwäbisch-chilenische Liederreise „Zurück in die Heimat“ von Sergio Vesely und Herbert Häfele feiert am Freitag, 30. November, Premiere. Weitere Vorstellungen am 1. Dezember, 25. und 26. Januar, 16. Februar und 2. März, jeweils um 20 Uhr im Keller der Galgenstricke, Webergasse 9. Karten unter 0711 - 35 44 44.