Rainer Bachmann und Berthold Rödle stellen das Handwerk des Schmieds vor. Quelle: Unbekannt

Ob Schmied, Täschnerin oder Schnitzer: Die Handwerker auf dem Esslinger Mittelaltermarkt lieben ihre Arbeit – und die, die ihre Arbeit lieben.

EsslingenWer sich gerne um einige hundert Jahre zurückversetzen lassen will, kommt auf dem Mittelaltermarkt in Esslingen auf seine Kosten. Viele kleine und große Stände und Buden bieten typische Produkte aus dieser Zeit an. Die Marktbetreiber begeistern die Besucher in ihren historischen Gewänden. Auch die Sprache verändert sich, wenn man vom Weihnachtsmarkt durch das Turm-Tor auf den Mittelaltermarkt schreitet. So heißt es dann nicht mehr einfach „Guten Tag“, sondern „Seid gegrüßt“ und die Verabschiedung endet nicht im schnöden „Tschüss“, sondern wird mit dem Wunsch „Gehabet Euch wohl“ begleitet. Für viele Marktleute dort sind die Mittelaltermärkte reines Hobby, andere verdienen mit den Waren ihren Lebensunterhalt. Das alte Handwerk soll dabei den Besuchern nähergebracht werden. Fast vier Wochen können die Besucher zwischen den Rathäusern und am Hafenmarkt den fleißigen Gesellen und Meistern über die Schulter schauen oder sogar selbst mit anpacken.

Löffel-Schnitzer Fred Marschall aus Thüringen nimmt die 500 Kilometer nach Esslingen seit über 15 Jahren in Kauf. Dass das Stadtmarketing das Handwerk fördert, ist für ihn ein Hauptgrund, immer wieder zur Vorweihnachtszeit in Esslingen zu sein. „Ich mache hier nicht die Riesenumsätze. Aber es ist wichtig, dem Publikum zu zeigen, wie früher Löffel hergestellt wurden.“ Vor allem die Interaktion mit den Marktbesuchern macht dem Schnitzer Spaß. Neben den Löffeln zeigt er auch die Kunst der Weißbinderei. Damit denkt er an die Herstellung kleinerer Gefäße für den Haushalt aus dem Holz der Fichte und Kiefer. Er betont: „Die Küfer haben sich auf die großen Fässer spezialisiert und waren in Zünften organisiert.“ So blieb für die kleineren Betriebe auch noch etwas zu verdienen. „Man konnte damals durchaus davon leben. Denn die Zunft sorgte dafür, dass es nicht zu viele gleichartige Betriebe an einem Ort gab.“ Damals war Qualität ebenso gefragt und diese wurde auch penibelst umgesetzt, wie Marschall weiß: „Im Unterschied zu heute musste jeder Handwerker damit rechnen, dass die Kunden zurückkommen und ihre Ware beanstanden, wenn sie nicht zufrieden sind.“ Marschall wohnt während der Marktzeit in einem Wohnwagen. Während des Jahres stellt er sein Handwerk an über 14 Märkten vor. Wenn er mal nicht unterwegs ist, gibt es auch kaum Urlaub. „Da heißt es, Ware herstellen und den Marktstand pflegen.“ Auf Weihnachten freut er sich: „Da heißt es, erst einmal ausruhen und runterkommen.“

Täschnerin Karin Sallmann aus Gottsdorf (Brandenburg) ist das neunte Mal beim Mittelaltermarkt dabei. „Unseren Stand gibt es aber schon seit 20 Jahren in Esslingen“, erklärt die Handwerkerin. Gleich mehrere Berufe führen das Handwerk des Gerbers fort. „Da gibt es Schuster, Polsterer, Sattler, Täschner und Gürtler.“ Nicht alle Berufe werden heute noch ausgebildet. Ihr macht der Mittelaltermarkt viel Spaß. „Wir haben eine große Verbundenheit mit den anderen Händlern und Marktbeschickern und es gibt immer wieder schöne Begegnungen mit den Kunden.“ Aber auch der Umsatz muss stimmen. „Wichtig ist mir, dass die Besucher unsere Arbeit wertschätzen.“ Für sie selbst kommt auf dem Mittelaltermarkt kaum Weihnachtsstimmung auf. Die findet sie eher zu Hause, „mit Räuchermännchen und einem guten Buch.“ Sie bietet Schmuckstücke, Armbänder, Ohrringe, Bucheinbände und homöopathische Reiseapotheken an. Während des Markts wohnt sie bei Bekannten und ist froh, eine Unterkunft gefunden zu haben.

Schmied Rainer (Raimir) Bachmann ist mit seinem Kollegen Berthold Rödle, beide aus dem Landkreis Böblingen, seit vielen Jahren auf dem Hafenmarkt dabei. Sie bleiben für zwei Wochen und bieten vor allem Kindern ein heißes Programm . „Die können zum Beispiel ein Hufeisen schmieden. Sind die Kinder größer und älter, fertigen wir mit ihnen Haken oder ein Herz an.“ Für die beiden Schmiede ist es der größte Lohn, wenn die Kinder glücklich sind. Sie freuen sich jedes Jahr wieder, die alten Kollegen zu sehen. Rainer Bachmann betont: „Das ganze Miteinander und der Markt sind einfach schön.“ Beide können wegen der kurzen Anreise jeden Abend nach Hause fahren. Das Ende des Marktes bedauern sie fast ein wenig. „Da folgt eine lange Durststrecke, mit den Märkten geht es ja dann erst ab März wieder los.“